Innenminister Karl Nehammer
APA/Hans Punz
Coronavirus

„Es gibt keinen Grund zur Panik“

Nach dem sprunghaften Anstieg der Coronavirus-Fälle in Italien sind die zuständigen Behörden in Österreich weiter um Beruhigung bemüht. Es gebe keinen Grund zur Panik, wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntagvormittag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz sagte. Die Lage in Italien werde aber genau verfolgt – Österreich sei für den Fall der Fälle „gut gerüstet“.

„Die Lage in Italien nehmen wir sehr ernst“, so Nehammer. Auffällig sei dabei der rasche Anstieg bei den Fallzahlen, die Lage im Nachbarland entwickle sich „dynamisch“. In Österreich sei man derzeit aber noch „in der glücklichen Lage“, dass es keinen Fall gibt. Der Innenminister verwies in diesem Zusammenhang auf die bisherigen 181 Verdachtsfälle, die sich alle nicht bestätigt haben. Sollte ein Fall bestätigt werden, dann liege ein Maßnahmenkatalog bereit, wie der Leiter des Bundeskriminalamts (BK), Franz Lang, dazu sagte.

Dieser sehe sowohl „Maßnahmen nach vorne“ als auch „Maßnahmen nach hinten“ vor, wie Lang ausführte. Konkret müsse dann „ab der ersten Minute“ die Versorgungskette samt Quarantäne der Betroffenen greifen. Zudem müssten etwa Reisewege abgeklärt und etwaige Kontaktpersonen und Kontaminationsquellen gesucht werden. Beides müsse gleich präzise erfolgen, um eine mögliche Ausbreitungsgefahr einzuschätzen, sagte Lang.

Coronavirus: Österreich laut Nehammer „gut gerüstet“

„Wir sind gut gerüstet in Österreich.“ Das sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Medientermin im Innenministerium anlässlich der raschen Verbreitung des neuartigen Coronavirus in Italien.

„Zwangsmaßnahmen“ nicht ausgeschlossen

Was die Zuständigkeiten betrifft, habe im Umgang mit einem Krisenfall wie diesem das Gesundheitsministerium die inhaltliche Führung. „Die Polizei sichert alle notwendigen Maßnahmen, wenn nötig auch mit Zwangsmaßnahmen“, so Nehammer, der in diesem Zusammenhang auf die Koordinierungsfunktion seines Ressorts verwies.

Die Lage und die damit als notwendig erachtete Vorgangsweise werden von den zuständigen Stellen zudem immer wieder neu abgeklärt. So werde am Montag der Einsatzstab des Innenministeriums samt Vertretern aller betroffenen Ministerien und der Bundesländer erneut zusammenkommen. Zudem stehe man im engen Kontakt mit den italienischen Behörden.

Verweis auf gemeinsame EU-Strategie

„Zur weiteren Verstärkung der Abstimmung der Maßnahmen“ gibt es nach Angaben aus dem Gesundheitsministerium am Montag auch ein Treffen der Gesundheitslandesräte in Wien. „Wir sind gut vorbereitet und arbeiten eng innerhalb der EU zusammen“, wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) dazu sagte.

Anschober verwies zudem auf die gemeinsame Strategie der europäischen Gesundheitsbehörden. Bei einem Ausbruch wie nun in Italien werde sofort – u. a. durch Isolation – regional gehandelt und versucht, die Ausbreitung zu begrenzen. Treten bei der Befragung der Betroffenen Fakten auf, die ein anderes EU-Land betreffen, werde das sofort ins Early Warning and Response System (EWRS) der Europäische Union eingespeist und unmittelbar dem betroffenen Mitgliedsstaat übermittelt, damit dieser ebenfalls sofort handeln könne.

„Diese Vorgehensweise hat im Fall des Ausbruchs in Bayern vor drei Wochen gut funktioniert“, sagte Anschober. „Der Ausbruch konnte begrenzt und gestoppt werden.“ Auch Nehammer verwies auf den bayrischen Coronavirus-Fall. Vor Italien sei SARS-CoV-2 bereits im Jänner praktisch „vor der Haustür“ gestanden. „Weil sich die Lage in Italien derzeit dynamisch entwickelt, ist es wichtig, da auch sofort die gleichen Sorgfaltsmaßnahmen einzuleiten, die wir auch gegenüber Bayern geleistet haben.“

Grenzschließung wäre „rasch umzusetzen“

Darauf angesprochen, ob auch eine Schließung der Grenzen im Raum stehe, sagte Nehammer, das sei ein „Frage der Beurteilung der Experten“. Grundsätzlich wäre ein solcher Schritt aber „sehr rasch umzusetzen“. Binnen Minuten bzw. binnen einer Stunde könnten Grenzkontrollen „hochgefahren werden“, erläuterte Lang. Die „spannende Frage“ sei in diesem Fall: „Welche gesundheitsbezogenen Maßnahmen führt man an der Grenze durch, ähnlich wie beim Flughafen zum Beispiel, oder müssen wir spezifische Maßnahmen ergreifen?“

Zivilschutznotstand in Friaul

Der Ruf nach einer Grenzschließung kam zuletzt unter anderen vom Präsidenten der an Kärnten angrenzenden Region Friaul-Julisch Venetien, Massimiliano Fedriga. Die italienische Regierung sieht bisher aber von der Wiedereinführung der Kontrollen an der italienischen Staatsgrenze ab. Obwohl es in Friaul bisher keine bestätigten Coronavirus-Fälle gibt, rief die Region am Samstag den Notstand aus.

Der Notstand sei „zurzeit in erster Linie eine administrative Maßnahme, die es der Region ermöglicht, im Bedarfsfall ohne die sonst verpflichtenden öffentlichen Ausschreibungen bestimmte medizinische Anschaffungen durchführen und Bauten errichten zu können“, heißt es dazu in den am Sonntag aktualisierten Reiseinformationen des Außenministeriums. Einschränkungen für Reisende und öffentliche Veranstaltungen gebe es in Friaul-Julisch Venetien noch keine.

Außenministerium aktualisiert Reisehinweise

Personen, die grippeähnliche Symptome aufweisen, rät das Außenministerium, in Italien „auf keinen Fall zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen, sondern die Telefonnummer 1500 anzurufen, um die weitere Vorgangsweise abzuklären“. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) riet am Sonntag bei einem Pressestatement unterdessen von nicht zwingend notwendigen Reisen in die betroffenen italienischen Gebiete ab.

In Italien lebende, geschäftsreisende oder urlaubende Österreicher können sich bei Problemen, die rund um die Verbreitung von SARS-CoV-2 im Nachbarland für sie auftreten, an die österreichischen Vertretungen im Land wenden: Das Generalkonsulat Mailand und die Botschaft in Rom stehen zur Verfügung und seien mit Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern in Kontakt, hieß es am Sonntagnachmittag aus dem Außenministerium.

In Wien durften unterdessen am Sonntagnachmittag die letzten vier aus China zurückgekehrten Personen, die sich einer zweiwöchigen Quarantäne unterziehen mussten, nach einer Abschlussuntersuchung ihre Isolation verlassen. Der Frau und ihren drei Kindern gehe es gut, teilte der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) mit, alle Tests hinsichtlich Coronavirus seien negativ verlaufen.

Kompatscher unterschreibt Notverordnung

So wie in vielen anderen Gebieten Italiens wurden zuletzt auch in der Provinz Südtirol die Vorsichtsmaßnahmen verschärft. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher unterschrieb am Sonntagvormittag eine Notverordnung, durch die das Risiko einer Ausbreitung des Coronavirus in Südtirol minimiert werden soll. Kleinkindbetreuungseinrichtungen, die Freie Universität Bozen und weitere Bildungseinrichtungen bleiben am Montag geschlossen.

Bereits über 130 Infizierte in Italien

In Italien ist die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus am Sonntag auf über 130 angestiegen. Dazu kommen drei von den zuständigen Behörden mit dem Coronavirus in Verbindung gebrachte Todesfälle. Allein in der norditalienischen Region Lombardei seien 112 Menschen infiziert.

Karte von Italien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Die meisten Coronavirus-Fälle Italiens gibt es in Codogno und Vo Euganeo

Aus Furcht vor einer weiteren Ausbreitung hatte die italienische Regierung am Samstag die Isolation von elf norditalienischen Gemeinden angeordnet. Premierminister Giuseppe Conte verfügte zudem die Schließung von Unternehmen und Schulen sowie die Absage von öffentlichen Veranstaltungen wie Karnevalsfeiern und Sportwettbewerben. Am Sonntag wurde schließlich auch der Karneval von Venedig abgesagt.

EU-Präventionsbehörde überprüft Risikobewertung

Das Europäische Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle (ECDC) stellt wegen der rasanten Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Italien ihre Risikobewertung zu dem Virus auf den Prüfstand. Angesichts der sich schnell entwickelnden Lage werde man die Auswirkungen der Cluster in Italien hinsichtlich des Risikos für die gesamte EU und den Europäischen Wirtschaftsraum bewerten, teilte das ECDC am Sonntagabend in Solna bei Stockholm mit.

ECDC-Direktorin Andrea Ammon kündigte an, innerhalb der nächsten 24 Stunden eine aktualisierte Risikoeinschätzung herauszugeben. Man rechne damit, dass es in den kommenden Tagen weitere Fälle in Italien sowie möglicherweise auch in anderen Teilen der EU geben werde.

Beschränkungen auch in Österreich möglich

Auch in österreichischen Städten und Ortschaften könnte es theoretisch Beschränkungen im Fall des Ausbruchs einer meldepflichtigen Erkrankung geben. Das ist im Paragraf 24 des Epidemiegesetzes festgehalten, wie Oliver Gumhold vom Gesundheitsministerium zuletzt erklärte.

Im Epidemiegesetz heißt es dazu: „Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde für die Bewohner von Epidemiegebieten Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.“ Bisher kam es Gumhold zufolge noch nie zu so einem Fall.

Wirtschaftskammer richtet Hotline ein

Die Wirtschaftskammer richtet wegen des Coronavirus unterdessen ab Montag eine Hotline (05 90900-4352, Mo–Fr 9.00–17.00 Uhr) für betroffene Unternehmen aus Österreich ein. Ziel sei es, den Firmen beispielsweise beim Kontakt zu chinesischen Behörden zu helfen. Das Ressort organisierte auch eine „Taskforce“ namens „Wirtschaft COVID-19“ zwischen der chinesischen Botschaft, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Rund 1.000 Firmen aus Österreich haben Niederlassungen in China, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner in Asien.