Samples eines Coronavirus-Tests
Reuters/Axel Schmidt
Coronavirus

Das „Nadelöhr“ bei den Testungen

Die Ausweitung der Testungen gilt unter Fachleuten als eine der zentralen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Auch die Regierung hat angekündigt, die Anzahl der Tests in Österreich in die Höhe zu schrauben. Die Kapazitäten der heimischen Labors sind zwar ausreichend – es gibt jedoch ein „Nadelöhr“.

15.000 CoV-Tests pro Tag in Österreich – dieses Ziel gab Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vergangene Woche aus. Theoretisch könnte dieser Wert bereits erreicht werden. „Wir haben eine Kapazität von mittlerweile 15.000 Testungen, die täglich auf Basis der Laborgrößen durchgeführt werden könnten“, teilte das Gesundheitsministerium gegenüber ORF.at mit. Landesweit werde derzeit in 40 Labors auf SARS-CoV-2 getestet, hieß es aus dem Ressort von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Die Gesamtzahl der durchgeführten Tests liegt mit Stand Samstag bei rund 43.000.

Bei der weiteren Ausweitung der Tests gebe es im Moment aber eine „natürliche Begrenzung“, erklärte das Gesundheitsministerium gegenüber ORF.at: „Es fehlen am Weltmarkt derzeit für den großen Ausbau der Tests aber die Reagenzien.“ Gemeint sind jene Substanzen, die man für die Durchführung der Tests im Labor braucht. Die Reagenzien seien das „Nadelöhr“, sagte auch Gesundheitsminister Anschober am Freitag. Die Industrie fahre gerade die Produktion der benötigten Materialien hoch.

Internationaler Run auf Reagenzien

Auch die Bundesländer beklagen derzeit einen Mangel an Reagenzien und Testkits. Für den Ausbau der Tests brauche man die Unterstützung des Bundes, sagte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Aus dem Wiener Rathaus hieß es, die Ausweitung der Untersuchungen sei nur machbar, wenn man entsprechende Testkits vom Gesundheitsministerium erhalte. Engpässe verzeichnet auch das Burgenland. Auf Basis einer Anleitung aus dem Gesundheitsministerium stellt das Land nun seine eigenen Testkits zusammen – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

„Bedarf und Verfügbarkeit von Testutensilien sind in den Bundesländern unterschiedlich verteilt“, erklärte das Gesundheitsministerium dazu. „Durch die Erhebung von Kapazitäten und Bedarf versuchen wir hier, vorausschauendes Handeln, aber auch kurzfristige gegenseitige Unterstützungsleistungen zu ermöglichen.“ Die Situation ändere sich auch von Tag zu Tag.

Österreich ist nicht das einzige Land, das mit der starken Nachfrage nach Reagenzien auf dem Weltmarkt zu kämpfen hat. In Deutschland, wo die Regierung das Ziel von 200.000 täglichen Tests ausgegeben hat, fehlt es einem Bericht des Onlineportals Buzzfeed News zufolge an Testkits und den benötigten Chemikalien. Und selbst in Island, das international als Vorreiter in Sachen großflächiger Tests gilt, sorgen knappe Ressourcen für Verzögerungen. Derzeit gebe es in Island kaum noch Abstrichkits, um das Genmaterial einzusammeln, berichtete die Rechercheplattform Addendum unter Berufung auf Kari Stefansson von deCODE. Das private Forschungsunternehmen hat bereits Tausende Isländerinnen und Isländer auf CoV getestet.

Bund trägt Kosten für private Labors

In Österreich setzt man ebenfalls auf die Hilfe privater Labors. Rekrutiert werden sie nach Angaben des Gesundheitsministeriums von den Bundesländern. Unterstützung und Hilfe bei der Koordination bekommen die Länder vom Ministerium und der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie (ÖGLMKC). Die Kosten für die Beauftragung privater Labors trage der Bund, so das Gesundheitsministerium gegenüber ORF.at.

Zur Frühdiagnostik des Coronavirus kommt in Österreich – wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen – die PCR-Methode (Polymerase-Kettenreaktion) zum Einsatz. Dabei wird das Virus selbst nachgewiesen. Die PCR an sich „braucht wirklich vonseiten der Analytik nicht lange“, sagte Georg Mustafa, Geschäftsführer des Salzburger Labors Medilab und Präsident der ÖGLMKC, im Gespräch mit ORF.at. Im Prozess sei das aber nur ein Schritt von vielen. „Es geht auch um die gesamte Infrastruktur rundherum“, sagte Mustafa – von der Abnahme der Abstriche über den Transport ins Labor und deren Administration bis hin zur eigentlichen Analytik.

Im Hochdurchsatz könne sein Labor mit den vorhandenen Systemen „theoretisch, wenn denn alles verfügbar wäre, was es derzeit nicht ist, 1.000 Tests pro Tag machen“, so Mustafa. Zudem habe man Geräte, die sonst für andere Analysen genutzt würden, umfunktioniert, was zusätzliche 400 bis 500 Tests pro Tag ermögliche. Doch auch hier fehlt es an den nötigen Substanzen. Eine Lieferung mit den entsprechenden Reagenzien sei „offen“, sagte der Labormediziner.

Regierung setzt auf Antikörpertests

Die Regierung will zudem auf Schnelltests setzen, um in Österreich möglichst rasch Hunderttausende Menschen zu testen. Sie sind laut dem Virologen Herwig Kollaritsch sinnvoll, wenn man ein Kollektiv untersuchen und schauen wolle, wie viele Personen unbewusst Kontakt mit dem Virus gehabt hätten.

Infektiologe: „Haben mehr Tests zur Verfügung“

Infektiologe Herwig Kollaritsch informiert darüber, warum man im Falle des Coronavirus nicht auf die Herdenimmunität setzen sollte und weshalb die Isolation in Italien nicht funktioniert. Österreich habe frühzeitig Maßnahmen gesetzt, um das Virus einzudämmen, so Kollaritsch. Er erklärt außerdem, weshalb man in Österreich nun mehr Tests durchführen kann als bisher und wie derartige Testungen aussehen.

Die erwähnten Schnelltests weisen Antikörper im Blut nach. Diese körpereigene Abwehr ist erst einige Tage nach Infektionsbeginn nachweisbar. Für die Frühdiagnostik sind diese Tests daher ungeeignet. „Wenn diese Tests ausreichend für den Routineeinsatz geprüft sind, können sie jedoch andere wertvolle Hinweise zum Erkrankungsgeschehen in der Bevölkerung liefern“, erklärte dazu das Gesundheitsministerium. Aktuell erarbeite eine Gruppe von Fachleuten entsprechende Optionen.

Oppositionskritik wegen Testungen

Die Opposition übte indes im Zusammenhang mit den Testungen scharfe Kritik an der türkis-grünen Regierung. ÖVP und Grüne hätten eine deutliche Ausweitung der Tests angekündigt – tatsächlich sei die Anzahl der Testungen in der vergangenen Woche kontinuierlich gesunken, kritisierte NEOS unter Verweis auf eigene Berechnungen. SPÖ und FPÖ schlossen sich der Kritik an.

Das Gesundheitsministerium wies den Vorwurf zurück. Die Behauptung, dass die Anzahl der Tests zurückgegangen sei, stimme nicht. „Viele neue kleine Labors, die seit Kurzem neu Testungen durchführen, sind noch nicht per Schnittstelle mit dem elektronischen Erfassungssystem verbunden“, hieß es aus dem Ministerium. Positive Tests würden natürlich sofort gemeldet. Aber die Gesamtmenge der Tests sei oft höher als in der Statistik sichtbar, so das Ministerium.