„Stopp Corona“-App des Rotes Kreuz
ORF.at/Viviane Koth
„Stopp Corona“-App

„Zwang ist ein schlechter Motivator“

Derzeit ist die Nutzung der „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes freiwillig – und so soll es laut Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und der Hilfsorganisation selbst auch bleiben. „Die Hoffnung ist aber, dass es möglichst viele machen“, sagte Kogler am Samstag. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) dagegen plädierte für eine verpflichtende Anwendung. Experten hielten das grundsätzlich für zulässig.

„Wir haben als Bundesregierung auch intensiven Kontakt mit dem Roten Kreuz. Das war immer davon getragen, dass es freiwillig genutzt wird“, sagte Kogler bei einer Pressekonferenz. Es habe auch keinen Sinn, die Verwendung zwangsweise zu verordnen, „wenn ich nicht sicherstellen kann, dass alle mitmachen“. Es werde gemeinsame Aufgabe sein, eine maximale Nutzung zu erreichen, sagte der Vizekanzler.

Das Rote Kreuz selbst sieht das ähnlich: „Wir glauben an die Freiwilligkeit. Zwang ist immer ein schlechter Motivator“, sagte Bundesrettungskommandant Gerry Foitik. Alle Nutzer seien wie auch das Rote Kreuz selbst davon überzeugt, dass sie mit der Nutzung der App Familie und Arbeitskollegen vor einer Ansteckung schützen können. „Ich bin mir sicher, dass jeder seine Familie schützen möchte“, so Foitik, „deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass sich weiterhin viele Menschen die App installieren werden und der Staat ohne eine Verpflichtung auskommen wird.“ Innerhalb von nur einer Woche hätten 180.000 Menschen die App heruntergeladen.

„Safe Tracking zum Schutz der Bürger“

Auch Koglers Parteikollegin Sigrid Maurer verteidigte die App. „Es werden keine Daten zentral gespeichert, sondern nur lokal anonymisiert“, sagte die grüne Klubchefin am Samstag in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ – Audio dazu in oe1.ORF.at . Es gebe dabei keine Sammlung von Bewegungsdaten, vielmehr handle es sich um ein „Safe Tracking zum Schutz der Bürger“. „Selbstverständlich“ sei das eine sehr sinnvolle Maßnahme. Maurer geht davon aus, dass diese nach Ostern „voll einsatzfähig“ sein werde.

ÖVP-Politiker Wolfgang Sobotka
APA/Georg Hochmuth
Mit seinem Vorschlag ist Sobotka derzeit eher allein auf weiter Flur

Nationalratspräsident Sobotka dagegen sagte gegenüber dem „profil“ über eine etwaige Verpflichtung zur Nutzung der App: „Wenn evident ist, dass wir die Menschen schützen können und jeder Kontakt festgehalten wird, dann sage ich dazu Ja.“ Verfassungsrechtlich geprüft werde derzeit, ob für Menschen, welche die App nicht installieren, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt bleiben soll. Wenn man die Verpflichtung zur App zeitlich befristet, dann sei das mit der EU-Datenschutzverordnung und der Verfassung vereinbar, so Sobotka.

Apps als Alternative?

Apps könnten eine Alternative zu Ausgangsbeschränkungen sein – wenn sie richtig eingesetzt werden, sagt der deutsche Virologe Christian Drosten im Podcast von „NDR Info“.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wollte sich am Samstag zwar nicht auf einen verpflichtenden Einsatz der Software festlegen, bestätigte aber, auf Tracking und „Containment“ setzen zu wollen. „Wir haben alle ein Ziel, nämlich möglichst schnell wieder unsere Freiheit zurückzubekommen“, sagte Kurz. „Dazu wird es Begleitmaßnahmen brauchen.“ Tracking werde eine „wichtige Basis“ sein. Weil zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher kein Smartphone besitzen, wird laut Kurz an Schlüsselanhängern mit derselben Funktionalität gearbeitet.

Zulässigkeit laut Experten gegeben

Experten der Johannes Kepler Universität (JKU) halten eine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung der App oder vergleichbaren Instrumenten jedenfalls europa- und verfassungsrechtlich für zulässig. Wenn nur risikoreiche Kontakte ohne Ortsdaten, anonymisiert, möglichst dezentral und zeitlich befristet gespeichert werden, sei diese auch sicher. „Je weniger und je dezentraler Daten anonymisiert gespeichert werden, desto mehr Datenschutz ist gewährleistet“, hieß es in einer Aussendung. Je weniger Personen die App benutzen, desto ineffektiver sei zugleich das System. „Will man daher die Nutzung der App gesetzlich anordnen, stehen Grundrechte auf dem Spiel“, warnten die Experten aber zugleich.

Einhellige Kritik der Opposition

„Irritiert“ zeigte sich hingegen der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried über Sobotka: „Überschießende und unverhältnismäßige Verfassungsänderungen, die in den Hinterzimmern der Regierung formuliert werden und vom Parlamentspräsidenten verkündet werden, wird es mit der SPÖ nicht geben.“ Kommt es zu Eingriffen bei Grundrechten, müssten für Leichtfried nicht nur die selbstverständlichen parlamentarischen Prozesse eingeleitet werden, sondern auch so früh wie möglich unabhängige Verfassungs- und Datenschutzexperten eingebunden werden.

Scharfe Kritik kam auch von der FPÖ. „Unter dem Deckmantel des Coronavirus“ nutze die ÖVP die Ängste der Menschen, „um Österreich zu einem totalitären Bespitzelungs- und Überwachungsstaat umzubauen“, hielt FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl fest. Was Sobotka gefordert hatte, sei „ein weiterer massiver Schritt in Richtung der Ausschaltung demokratischer Grund- und Freiheitsrechte“.

Von NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak hieß es dazu am Samstag: „Wir haben immer gesagt, solange die App freiwillig ist, haben wir kein Problem damit. Auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit sind in einigen Bereichen derzeit notwendig, deshalb haben wir am Anfang die harten Maßnahmen der Regierung auch mitgetragen." Ein verpflichtendes Handytracking gehe aber „entschieden zu weit“.