Gesperrte Grenze bei Saarbrücken
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Coronavirus

Deutschland gegen vorschnelle Reisepläne

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich gegen eine vorschnelle Wiederaufnahme des Reisebetriebes zwischen Deutschland und Österreich ausgesprochen. „Der Infektionsschutz gibt da den Zeitplan vor“, so Seehofer zur „Bild am Sonntag“. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) warb unterdessen für Besonnenheit bei der Aufhebung der weltweiten Reisewarnungen.

„Solange das Virus keinen Urlaub macht, müssen auch wir uns mit unseren Reiseplänen beschränken – so verständlich der Wunsch für die Menschen und die Tourismusbranche auch ist“, so Seehofer. Ob und wann wieder Urlaub gemacht werden könne, hänge vom Infektionsgeschehen ab. „Niemand will die Bewegungsfreiheit der Bürger länger einschränken als unbedingt nötig. Aber leichtsinnige Öffnungen, die später in Gestalt erhöhter Ansteckungszahlen zurückschlagen, helfen niemandem.“

In Österreich drängt die Tourismusindustrie auf eine Grenzöffnung. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat eine entsprechende bilaterale Vereinbarung mit Deutschland für die Sommersaison ins Spiel gebracht, aber von der Entwicklung der Infektionszahlen abhängig gemacht. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nannte Deutschland und Tschechien als Länder für eine solche Vereinbarung, betonte aber, dass bei der Grenzöffnung „behutsam“ vorgegangen werden müsse. Neben den Inlandstouristen sind – im Sommer wie im Winter – die Deutschen die wichtigste Gästegruppe in Österreich.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit verlängert werden laut deutschem Innenministerium auch die derzeit durchgeführten Kontrollen an deutschen Grenzen zu Österreich, Frankreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz. Sie wurden Mitte März eingeführt und würden am Montag auslaufen.

Tschechien erwägt Öffnung der Grenzen im Juli

Die tschechische Regierung erwog unterdessen, die Grenzen des Landes im Juli wieder zu öffnen. Die Gespräche darüber mit Österreich und der Slowakei seien weit fortgeschritten, die mit Polen allerdings kompliziert, sagte Außenminister Tomas Petricek laut Nachrichtenagentur CTK. „Ich würde im Juli gerne die Grenzen zu Deutschland, Österreich, Polen und der Slowakei öffnen.“ Wenn sich die Situation bei der Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie gut entwickle, könne die Grenzöffnung auch früher erfolgen.

Der tschechische Außenminister Tomas Petricek
AP/Michal Krumphanzl
Tschechiens Außenminister Petricek hofft auf Grenzöffnung im Juli

Maas gegen übereilte Aufhebung von Reisewarnungen

Außenminister Maas sprach sich unterdessen gegen übereilte Aufhebungen von weltweiten Reisewarnungen aus. „Wenn Leute nicht nur wieder ins Ausland fliegen können, sondern auch mit hinreichender Sicherheit zurückkommen, dann können wir die Reisewarnung schrittweise zurückfahren“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Es darf dabei aber keine Schnellschüsse geben. Wir können und werden im Sommer nicht noch einmal eine Viertelmillion Menschen aus dem Urlaub zurückholen.“

Maas betonte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Grenzen in Europa dürften „keinen Tag länger als nötig“ geschlossen bleiben. Aber auch bei den Grenzöffnungen müsse die Regierung „kontrolliert und koordiniert vorgehen, um nicht die Fortschritte im Kampf gegen das Virus aufs Spiel zu setzen, für die wir alle in den letzten Wochen einen Teil unseres normalen Lebens geopfert haben“.

Deutsche gegen Grenzöffnung für Sommerurlaub

Fast jeder zweite Deutsche lehnt eine Öffnung der Grenzen für den Sommerurlaub im europäischen Ausland aber ohnehin ab. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa sind 48 Prozent dafür, die wegen der Coronavirus-Pandemie erlassene Ausreisesperre für Touristen und Touristinnen auch im Sommer aufrechtzuerhalten. 20 Prozent sind für eine Öffnung der Grenzen zu einzelnen Ländern. Nur 13 Prozent plädieren dafür, schon im Sommer den Reiseverkehr innerhalb der Europäischen Union wieder vollständig zu erlauben.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder hatten wegen der Pandemie im März umfassende Einschränkungen beschlossen, unter anderem der Bewegungsfreiheit. Einige davon wurden inzwischen aufgehoben, Kontaktbeschränkungen gelten aber noch immer. Auch eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gilt weiterhin, sie war am Mittwoch bis Mitte Juni verlängert worden. Schon Ende Juni beginnen in einigen deutschen Bundesländern die Sommerferien.

Diskussion für Steinmeier wichtig

Zuletzt waren in Deutschland Rufe nach einer Aufhebung der Maßnahmen oder zumindest einen konkreten Fahrplan dafür immer lauter geworden, insbesondere aus der Wirtschaft, die schwere Schäden befürchtet. In Berlin zogen am Samstag mehrere hundert Menschen auf die Straße, um gegen die Auflagen zu protestieren. Bei einer ähnlichen Kundgebung in Stuttgart waren es nach Veranstalterangaben sogar 5.000, die Polizei äußerte sich zur Teilnehmerzahl nicht. Bundesweit fanden zuletzt ähnliche Demos statt. Kritiker befürchten deren Vereinnahmung durch Verschwörungstheoretiker und Rechte.

Demonstration der „Querdenken“-Initiative in Baden-Württemberg
APA/dpa/Christoph Schmidt
Demo mit Tausenden in Stuttgart

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Diskussionen über das Ausmaß der Beschränkungen als wichtig. „Das erzeugt der Politik gegenüber den heilsamen Zwang, täglich zu begründen, wie lange solche Maßnahmen verantwortbar sind“, sagte Steinmeier der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Maßnahmen sieht er in Deutschland nicht als Gefahr für die Demokratie. Die Demokratie nehme Schaden, wo die Krise missbraucht werde, um autoritäre Strukturen zu verstärken. Dafür gebe es Beispiele in Europa. „Ich sehe aber nicht, dass diese Sorge bei uns gerechtfertigt ist.“

Seehofer sieht Grundrechte nicht in Gefahr

Seehofer sieht die Grundrechte ebenfalls nicht in Gefahr. Die Einschränkungen seien zwar die tiefsten in der Geschichte der Bundesrepublik, schrieb er in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Sie unterlägen aber gerichtlicher Kontrolle, einige Maßnahmen seien auch aufgehoben worden – „ein Beleg dafür, dass die Gewaltenteilung auch in der Krise funktioniert“.

Bundespräsident Steinmeier warnte davor, dass der Höhepunkt der Pandemie vermutlich erst bevorstehe. Der komme, wenn in den ärmeren Regionen der Welt, wo die Gesundheitssysteme schwach seien, die Infektionsraten zunähmen. „Das betrifft uns alle“, sagte Steinmeier. „Es gibt keinen Exit aus der Weltgemeinschaft.“