Grenzpolizisten an der deutsch-österreichischen Grenze hinter einem Schild mit der Aufschrift „Kontrolle“
APA/AFP/Christof Stache
Österreich, Deutschland, Schweiz

Erste Grenzöffnungen, EU noch zögerlich

Die EU-Staaten sollen ihre Grenzen nur schrittweise und untereinander abgestimmt wieder öffnen, empfiehlt die EU-Kommission. So sollen Kontrollen zuerst dort abgeschafft werden, wo es vergleichbar niedrige Infektionszahlen beiderseits der Grenze gebe, so der am Mittwoch veröffentlichte Vorschlag der Kommission. Österreich, Deutschland und die Schweiz kündigten bereits eine erste Lockerung an.

Vorsichtig ist die EU bei ihren Vorschlägen in Sachen Grenzöffnung: Das Vorgehen müsse „flexibel“ sein und die Wiedereinführung von Kontrollmaßnahmen beeinhalten, wenn sich die Lage wieder verschlechtere, heißt es. Ziel sei es, die Bewegungsfreiheit innerhalb der EU vollständig wiederherzustellen. Wegen der Pandemie hatten zahlreiche EU-Staaten eigenmächtig ihre Grenzen geschlossen, um höhere Ansteckungszahlen zu vermeiden.

Die Kommission verweist regelmäßig darauf, dass die Kontrollen nicht nur die Reisefreiheit im Schengen-Raum beeinträchtigen, sondern auch das Funktionieren des EU-Binnenmarkts. Die Kommission kann allerdings nur unverbindliche Empfehlungen aussprechen. Die von den EU-Mitgliedern getroffenen Maßnahmen sollen auch nicht durch die Empfehlungen der EU-Kommission ersetzt werden.

Schon ab Freitag beginnt die schrittweise Öffnung der Grenzen zwischen Österreich, Deutschland und der Schweiz, ab 15. Juni sollen sie komplett offen sein. Ab dem 15. Mai wird es an den Grenzen zwischen Österreich und Deutschland nur noch stichprobenartige Kontrollen geben, kündigten beide Länder an. Voraussetzung sei aber, dass das Infektionsgeschehen weiter zurückgehe, sagte der deutsche Innenminister Horst Seehofer. Seehofer nannte die Abschaffung der Kontrollen ab 15. Juni ein „Ziel“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.

Offene Grenzen ab 15. Juni „Zielsetzung“

Es sei die „klare Zielsetzung“ der deutschen Regierung, dass es ab Mitte Juni wieder einen freien Reiseverkehr in Europa gebe, so Seehofer weiter. Die deutsche Regierung empfehle zudem, dass die deutschen Bundesländer die bestehenden Quarantänevorschriften für EU-Binnenreisen aufheben. Bayern erklärte schon, an der Regelung festhalten zu wollen. Dafür soll es auch über den 15. Mai hinaus keine Einreisen aus Spanien und Italien geben – da sei man sich mit Österreich, Frankreich und der Schweiz einig, sagte Seehofer weiter.

Grafik zu Kontrollen an Österreichs Grenzen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Österreich hatte Mitte März innerhalb weniger Tage seine Grenzen wieder kontrollieren lassen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu hemmen. Eine Einreise nach Österreich ist nur an bestimmten Grenzübergängen erlaubt. Außerdem müssen Einreisende ein Attest über ihren Gesundheitszustand mit sich führen. Mittlerweile wurden die Bestimmungen etwas gelockert, etwa für Familienbesuche und Pendler. Entsprechende Verordnungen treten mit Ende Mai außer Kraft.

EU gegen Diskriminierung

Von „besonderer Bedeutung“ sei, dass bei den Grenzöffnungen nicht nach Nationalität diskriminiert werden dürfe, sagte EU-Vizekommissionspräsidentin Margrethe Vestager bei der Präsentation der EU-Vorschläge in Brüssel. Die Einreise müsse „aus allen Gebieten, Regionen und Ländern in der EU“ erlaubt werden, in denen es ähnlich günstige Entwicklungen gebe.

Sie forderte Offenheit darüber, was über die Verbreitung des Coronavirus bekannt sei und was nicht, damit informierte Entscheidungen getroffen werden könnten. Vestager kündigte die Schaffung einer Website an, die einen Überblick über Situation und Maßnahmen in den verschiedenen Ländern bietet.

Strenge Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen

Die Kommission veröffentlichte auch Richtlinien, wie Konsumenten und Konsumentinnen trotz der Pandemie wieder in Hotels übernachten, in Restaurants essen und Strände nutzen könnten. Strenge Hygiene- und Sicherheitsregeln wie eine Begrenzung der Gästezahl sollen eingeführt werden. Der Besuch des Pools muss womöglich vorab gebucht werden, damit dort nicht zu viele Menschen sind. Voraussetzung sei immer, dass die Infektionsraten niedrig seien, dazu brauche es auch ein robustes Monitoring.

Zudem stehe die Sicherheit der Menschen zu allen Zeiten im Vordergrund. Auch wenn die Grenzen zwischen den europäischen Ländern schrittweise geöffnet werden, müssten die jeweiligen Vorgaben zum Abstand von Personen und zur Hygiene beachtet und eingehalten werden, schreibt die Kommission. Masken seien eine zusätzliche Schutzmaßnahme, sollten aber Hygiene und Abstandhalten nicht ersetzen.

Maske auch im Flugzeug nötig

Auch im Flugzeug soll das Tragen einer Maske Pflicht sein, zudem sollen die Luftfiltersysteme verbessert werden. Detaillierte „Gesundheits- und Sicherheitsprotokolle“ mit weiteren Maßnahmen würden demnächst von der EU-Behörde für Luftfahrtsicherheit (EASA) und der EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde (ECDC) vorgelegt, hieß es. Europas Airlines hatten sich vergangene Woche nochmals gegen eine Pflicht zum Freilassen des Mittelsitzes gewandt. Diese Pflicht entfällt auch.

Grenzen zu Deutschland und Schweiz öffnen mit 15. Juni

Mit 15. Mai soll an den österreichisch-deutschen Grenzen nur noch stichprobenartig kontrolliert werden, ab 15. Juni sollen die Grenzen zu Deutschland und der Schweiz dann wieder komplett offen sein.

Die Kommission wird die Mitgliedsländer auch zum Einsatz von Coronavirus-Apps auffordern – allerdings auf freiwilliger Basis. Als Teil des Maßnahmenpakets sollen die Apps bei der Aufhebung von Grenzkontrollen und der Wiederbelebung der Tourismus- und Reisebranche unterstützend wirken. Dabei müsse aber insbesondere die grenzüberschreitende Funktionsfähigkeit der Apps sichergestellt werden.

Urlaub nur bei ausreichend medizinischer Versorgung

Nach Vorstellung der EU-Kommission soll Urlaub nur in Regionen ermöglicht werden, die gegebenenfalls auch für die medizinische Versorgung, Testung und Isolierung von Gästen und Einheimischen ausreichend Kapazitäten haben. Das sei besonders wichtig für Regionen, die von medizinischen Einrichtungen weiter entfernt sind.

„Wir schlagen einen gemeinsamen europäischen Ansatz für eine schwierige Sommersaison 2020 vor“, fasste der EU-Kommissar für Industrie und Binnenmarkt, Thierry Breton, das „Tourismus- und Transport-Paket 2020“ zusammen. „Gleichzeitig bereiten wir uns auf ein ‚nachhaltigeres und digitales Tourismus-Ökosystem‘ für die Zukunft vor“, sagte er und unterstrich die Bedeutung von Innovationen und Kreativität.

EU-Ratschef für schnelle Grenzöffnung

Die Beschränkungen für Einreisen von außen in die 26 Länder des Schengen-Raums in Europa sollen nach dem Willen der EU-Kommission um einen Monat verlängert werden – und damit bis zum 15. Juni gelten. Das betrifft vor allem Reisende aus Asien und den USA. Hier wurden zuletzt fast alle Flüge gestrichen. Derzeit gelten im Schengen-Raum, in dem in normalen Zeiten die Grenzen nicht kontrolliert werden, in mindestens 17 Ländern Reisebeschränkungen.

EU-Ratschef Charles Michel forderte unterdessen ein schnelles Ende der Grenzkontrollen in Europa. Er rufe dazu auf, die Grenzen so bald wie möglich wieder zu öffnen, sagte Michel am Mittwoch bei einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Brüssel. Der freie Personenverkehr sei auch sozial gesehen wichtig sei, betonte Michel. Er hoffe, dass die EU-Staaten stimmige Entscheidungen treffen werden.