Schulkinder
APA/Ralf Hirschberger
Zurück in die Klasse

Herausforderungen auch auf Schulweg

Am Montag beginnt für rund 700.000 Kinder und Jugendliche in den Pflichtschulen wieder der Unterricht in den Klassenräumen. Hygiene- und Abstandsregeln werden in den Schulen zur großen Aufgabe. Aber die ersten Herausforderungen warten bereits auf dem Schulweg.

Wie kommt mein Kind gut in die Schule und wieder zurück? Diese Frage stellt sich Eltern nicht erst in Zeiten des Coronavirus. Nach über zwei Monaten Unterricht zu Hause gewinnt sie nun aber wieder besonders an Relevanz. Der erste Teil der rund 700.000 Schülerinnen und Schüler ist Montagfrüh in die Schule zurückgekehrt. In Volksschulen, AHS-Unterstufen, Neuen Mittelschulen und Sonderschulen wird wieder in den Klassenräumen unterrichtet, wenn auch mit jeder Menge neuer Hygiene- und Abstandsregeln.

Auch auf dem Weg in die Schule ist dabei vieles anders als noch vor neun Wochen. Für viele Schülerinnen und Schüler reicht es etwa nicht mehr, einfach nur „pünktlich“ zum Unterricht zu erscheinen. Viele Schulen haben für die Wochen vor dem Sommer gestaffelte Einlasszeiten eingeführt – wie sie auch das Hygienehandbuch des Bildungsministeriums empfiehlt. Das soll verhindern, dass zu viele Schülerinnen und Schüler gleichzeitig das Schulgebäude betreten. Es bedeutet aber auch, dass Eltern und Kinder den Morgen noch genauer durchtakten müssen, als das in vielen Familien ohnehin der Fall ist.

Viel Neues auf einmal

Die zahlreichen Vorgaben zerren aber nicht nur am familiären Zeitkorsett. Die Kinder seien durch die neuen Regeln sehr gefordert, stellte vergangene Woche etwa das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) in einer Aussendung fest. Ein Teil der Kinder habe vor Ausbruch der Krise gerade erst gelernt, sich selbstständig durch den Straßenverkehr zu bewegen. „Nun müssen sie mit zusätzlichen Einflüssen umgehen: mit dem Bewegungsdrang nach Wochen der eingeschränkten Möglichkeiten, mit dem Wunsch nach Spaß und Tratschen mit den Freunden – und gleichzeitig sollen sie Abstand halten und in den öffentlichen Verkehrsmitteln Masken tragen“, so Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheitsforschung im KFV.

Kinder am Schulweg
APA/Georg Hochmuth

Wenn Kinder wieder vermehrt zu Fuß oder mit dem Roller unterwegs sind, könnte laut Robatsch vor allem die Abstandsregel zu Problemen führen. So könnten Kinder einfach vom Gehsteig auf die Straße treten, weil sie sich an die Abstandsregel halten wollen und dabei die Gefahr abseits des Gehsteigs vergessen. Eltern sollten mit kleineren Kindern daher den Schulweg unter den neuen Bedingungen noch einmal üben, so Robatsch. Er appellierte überdies an das Verantwortungsgefühl der Erwachsenen: „Wenn alle Verkehrsteilnehmer noch mehr als bisher aufeinander Rücksicht nehmen und füreinander mitdenken, kann auch die aktuelle ungewöhnliche Situation im Straßenverkehr ohne ein Plus bei den Unfällen gemeistert werden“.

Mund-Nasen-Schutz „nur“ in den „Öffis“

In den ersten Mai-Tagen trieb viele Eltern – aber auch manchen Politiker – überdies noch eine andere Frage um: ob Kinder tatsächlich auf dem gesamten Schulweg eine Maske tragen müssen. Einige Schulen hatten diese allgemeine Aufforderung weitergegeben – wohl auch, weil in einem Pressepapier des Bildungsministeriums von einer „Maskenpflicht am Weg in die Schule und am Weg nach Hause“ die Rede war. Das Ministerium stellte inzwischen klar, dass ein Mund-Nasen-Schutz nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragen ist.

Es fällt aber nicht schwer, sich vorzustellen, wie auch diese Regel für manches Kind zur Herausforderung werden kann. „Da das Tragen der Maske für einige Kinder ungewohnt und ablenkend sein kann, sollte die richtige Verwendung vorab geübt und erklärt werden“, sagte etwa Marion Seidenberger, Verkehrspsychologin des ÖAMTC. Sie riet, dass die Kinder die Maske bereits im Bereich der Haltestelle anlegen. Und sie empfahl Eltern, mit ihren Kindern verschiedene Szenarien durchzuspielen: zum Beispiel dass der Mundschutz herunterfällt oder vom Wind davongetragen wird.

„Absolute Ausnahmesituationen“

Neben der Maskenpflicht gilt auch in Bus, Bahn und Bim weiterhin die Abstandsregel von einem Meter. Daran müssen sich auch Schülerinnen und Schüler halten, die gemeinsam in den „Öffis“ zur Schule fahren. Freilich: Ob es zur Stoßzeit in der Früh überhaupt möglich ist, einander einen Meter fernzubleiben, ist noch einmal eine andere Frage.

Straßenbahnen in Wien
APA/Herbert P. Oczeret
Auch Schulkinder müssen in den „Öffis“ einen Mund-Nasen-Schutz tragen – und einen Meter Abstand halten

Darum weiß wohl auch das Gesundheitsministerium. Bereits Ende April hieß es von Ressortchef Rudolf Anschober (Grüne) die Grundnorm bleibe zwar erhalten. Und sie müsse überall dort, wo es genug öffentliche Verkehrsmittel und Intervalle gibt, auch umgesetzt werden. Man könne aber „niemanden dafür strafen, wenn das Angebot nicht vorhanden ist“, so Anschober bei einer Pressekonferenz am 28. April. Vier Tage später sprach der Minister in einer Aussendung zwar von „absoluten Ausnahmesituationen“ – räumte aber erneut ein, dass der Mindestabstand in solchen Fällen „ausnahmsweise unterschritten werden“ könne.

Alternative Elterntaxi?

Manchem Vater und mancher Mutter mag es als die bessere Lösung erscheinen, den Nachwuchs per Auto zur Schule zu bringen. Allerdings: Bereits vor der Coronavirus-Krise legte laut Zahlen des Infrastrukturministeriums jedes fünfte Kind den Schulweg mit dem „Elterntaxi“ zurück. Zwar fanden viele dieser Fahrten in ländlichen Regionen statt. Aber blockierte Straßen und Gehwege waren gerade vor innerstädtischen Schulen in der Früh ein gewohntes Bild. Vor vielen Schulen gilt mittlerweile ein Parkverbot vor manchen werden die Straßen vor Schulbeginn und -ende sogar gesperrt.

Der Schichtbetrieb an den Schulen wird in den kommenden Wochen dafür sorgen, dass pro Tag weniger Kinder und Jugendliche in die Schule kommen als vor den Schließungen. Sollten aber deutlich mehr Eltern auf den familiären Taxidienst setzen, könnte das die Verkehrssituation vor den Schulen dennoch verschärfen – und auch für mehr gefährliche Situationen sorgen. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hat darüber hinaus noch ein Argument gegen die Eltern als Privatchauffeure: In Anbetracht entfallender Turnstunden biete der Schulweg zumindest die Chance auf etwas Bewegung.