Polizist in Minneapolis
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Proteste in USA

Die „Kriegermentalität“ der Polizei

Die anhaltenden Proteste in den USA nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd durch einen Polizisten haben zwei Stoßrichtungen: einerseits den in weiten Teilen der Gesellschaft weiter vorherrschenden Rassismus gegenüber der afroamerikanischen Bevölkerung. Andererseits fordern die Hunderttausenden Demonstrantinnen und Demonstranten Maßnahmen gegen die systemimmanente Polizeigewalt. Im Zentrum steht hierbei die starke Militarisierung der Polizei und deren „Kriegermentalität“.

Die Ankündigung einer großen Mehrheit des Stadtrats von Minneapolis, die lokale Polizei aufzulösen und auf völlig neue Beine zu stellen, ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Erfolg für all jene, die sich seit vielen Jahren für ein anderes Verständnis von Polizeiarbeit und Sicherheit einsetzen. Freilich wird die Neuaufstellung länger dauern, und die Umstellung auf ein neues Modell – etwa mehr Sozialarbeit und weniger Polizei – könnte angesichts der eingefahrenen Wege schwierig werden.

Nicht erst jetzt, sondern bereits seit Jahrzehnten gilt die Militarisierung der Polizei als eine der größten Hürden, die unterschiedlichen Sicherheitsprobleme vor allem in den US-Städten zu lindern oder in den Griff zu bekommen. Die lokale Polizei – nicht Spezialeinheiten – wurde seit Mitte der 1960er Jahre zunehmend mit schwereren Waffen ausgestattet, die für das Militär entwickelt wurden. Polizeieinsätze bei Demonstrationen ähneln gerade auch aktuell daher eher bürgerkriegsartigen Szenarien, selbst wenn die Proteste friedlich sind.

Polizisten während eines Tränengaseinsatzes in Minneapolis
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Teils gehen Straßenpolizisten in den USA mit Tränengaswerfern und Gummigeschoßen gegen Demonstranten vor

Polizeikurs „Über das Töten“

Dazu kommt eine entsprechende Ausbildung der lokalen Polizei, der in Kursen eine „Kriegermentalität“, wie es in einem Artikel für die „Harvard Law Review“ bereits 2015 hieß, angelernt werde. Wie beim Militär würden etwa Teilnehmer des Kurses „On Killing“ („Über das Töten“) darauf trainiert, dass „jeder Stopp bei einer Ampel der letzte Stopp, den du in deinem Leben machst“, sein könnte, so der Regisseur Craig Atkinson zuletzt gegenüber der linksliberalen Zeitschrift „New Republic“. Atkinson drehte die Dokumentation „Do Not Resist“ über die Aufrüstung der Polizei.

Vor allem in den 1980er und 1990er Jahren war die öffentliche Meinung angesichts des eskalierenden Krieges gegen Drogen für einen verschärften Law-and-Order-Kurs. Weiße Demokraten setzten dabei ebenso auf die Aufstockung von Polizeibudgets und höhere Gefängnisstrafen, unter ihnen auch der nunmehrige Präsidentschaftskandidat Joe Biden, der ein entsprechendes Gesetz führend durch den Senat brachte.

Auch begonnen hatte es unter einem Demokraten – dem Nachfolger des ermordeten John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson. Mitten in den Bürgerrechtsprotesten startete dieser eine Kampagne gegen Kriminalität und widmete im US-Budget erstmals der Aufrüstung der lokalen Polizei Geld. Wenige Jahre später verabschiedete der Kongress
den „Omnibus Crime Control and Safe Streets Act“. Das Gesetz machte aus den befristeten Geldflüssen permanente Zuwendungen. Bereits unter dem republikanischen Präsidenten Richard Nixon wurde laut „Washington Post“ die bis heute wirksame Interpretation festgelegt: Polizisten als Frontsoldaten gegen Kriminelle, insbesondere Drogenhändler.

Polizisten in Minneapolis
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Polizisten in Minneapolis

1.098 Tote durch Polizei

1.098 Menschen wurden im Vorjahr von Polizisten in den USA getötet. Schwarze waren deutlich öfter betroffen als Weiße, so die Datenlage laut Mappingpoliceviolence.org.

Obama stoppte Aufrüstung

Der damalige US-Präsident Barack Obama vollzog dann zumindest eine teilweise Kehrtwende und stoppte die Aufrüstung der lokalen Polizei mit Hilfe von Geldern der US-Regierung, wie das ab Mitte der 1960er immer stärker der Fall war. Obama sagte 2015, die militärische Ausrüstung der Polizei vermittle den Menschen statt eines Sicherheitsgefühls oft das Gefühl, einer „Besatzungsmacht“ gegenüberzustehen. Damals hatte die Tötung des unbewaffneten 18-jährigen Schwarzen Michael Brown durch die Polizei zu Protesten geführt. Diesen war die Polizei mit Einsätzen mit Militärausrüstung entgegengetreten und hatte damit die Empörung noch angefacht. Die militärische Aufmachung und Ausrüstung lokaler Polizeikräfte war laut dem TV-Sender NBC spätestens seit 1999 ein Thema: Damals eskalierten Proteste in Seattle gegen die Welthandelsorganisation zu Unruhen.

Bei den Polizisten, insbesondere den einflussreichen Polizeigewerkschaften, ist die Aufrüstung dagegen seit jeher beliebt und wird in der Regel als Sicherheitsmaßnahme für die Polizisten verteidigt.

Eine Polizisten in Minneapolis sprüht einem Mann einen Spray auf den Kopf
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Trotz erhobener Hände wird ein Demonstrant mit Pfefferspray „außer Gefecht“ gesetzt

Trump hob Einschränkung wieder auf

Nur zwei Jahre später machte Präsident Donald Trump diese Abkehr von der Aufrüstung auch schon wieder rückgängig. Granatwerfer, gepanzerte Fahrzeuge und Bajonette wurden vom damaligen Justizminister wieder als „lebensrettende Ausrüstung“ definiert.

Selbst im republikanischen Lager wird diese Tendenz freilich mittlerweile teils auch skeptisch und kritisch gesehen. Die für freie Marktwirtschaft kämpfende Foundation for Economic Education (FEE) sprach bereits im Vorjahr davon, dass die Aufrüstung der Polizei deren Fokus verschiebe: vom Bemühen um Sicherheit und Frieden hin zur Kontrolle der Einhaltung von Gesetzen.