Frau mit Mund-Nasen-Schutz im Supermarkt
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Nach Lockerung

Maske als Joker gegen Ansteckung

Seit einigen Tagen sind die Vorgaben für das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes deutlich gelockert. Es war wohl ein Mix aus Druck der Wirtschaft, den bevorstehenden Sommertemperaturen und der aktuell geringen Verbreitung des Coronavirus in Österreich, der zu dieser Entscheidung führte. Nicht wenige tragen aber weiter, etwa auch im Supermarkt, die Maske. Mehrere Fachleute halten das – aus mehreren Gründen – für wichtig.

Viele sind froh darüber, den Mund-Nasen-Schutz (MNS) seit Mitte des Monats deutlich weniger oft tragen zu müssen als zuvor. Insbesondere an heißen Sommertagen ist es nicht gerade angenehm, mit Maske herumzugehen. Von mühsamerem Atmen bis zu anlaufenden Brillen – die Unannehmlichkeiten sind aus den Wochen des „Lock-down“ bekannt.

Vonseiten der Regierung war wiederholt zu hören, nun sei man im Kampf gegen die Pandemie in der Phase der Eigenverantwortung angelangt. Das Wesen einer Pandemie ist freilich, dass das eigene Handeln nicht nur Auswirkungen auf die persönliche Gesundheit hat. Vielmehr soll eigenverantwortliches Handeln – anders als das Wort auf den ersten Blick impliziert – vor allem andere schützen und die Verbreitung des Virus möglichst hintanhalten. Es geht also vor allem um permanentes solidarisches Verhalten. Und das, ohne zu wissen, ob man überhaupt ansteckend ist.

Zwei ältere Personen mit Mund-Nasen-Schutz stehen gegenüber von drei Teenagern mit Mund-Nasen-Schutz in einem Park
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Für viele, etwa kranke Kinder, ist es eine Erleichterung, dass das Maskentragen nichts Außergewöhnliches mehr ist

„Toll, dass das jetzt alle merken“

Kinder mit der Stoffwechselerkrankung Cystische Fibrose (CF) hätten das „toll gefunden, dass alle anderen jetzt mal merken, wie es ist, eine Maske tragen zu müssen“, so die Leiterin der CF-Ambulanz am Wiener AKH, Sabine Renner, gegenüber ORF.at. Bis zu 25 Babys jährlich werden in Österreich mit der Krankheit geboren. Sie sind unter anderem besonders anfällig für Bronchitis und Lungenentzündungen, müssen täglich inhalieren und besonders aufpassen, sich nicht zu infizieren.

„Schutz für ‚Ich‘ und ‚Wir‘“

Auch in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ Sonntagabend sprachen sich mehrere Fachleute dafür aus, auch ohne gesetzliche Pflicht die Maske weiterhin zu tragen. Sie sei „ein wirksames Mittel der Eindämmung“, werde aber genauso unterschätzt wie Händewaschen, sagte der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Das Tragen der Maske schütze nicht nur das „Ich“, sondern in selbem Maße das „Wir“, betonte der Sonderbeauftragte im Gesundheitsministerium, Clemens Auer. Für die Expertin für Internationale Öffentliche Gesundheit, Erika Wichro, ist das Maskentragen schlicht „achtsame Verantwortlichkeit“.

„Im Zentrum“ über Umgang mit Lockerungen

Die Bevölkerung nimmt die Lockerungen zwiegespalten auf. Sichtbar wird das vor allem am Tragen des Mund-Nasen-Schutzes. Angst, Verunsicherung und Sorglosigkeit lassen sich beobachten.

„Nicht gut, einfach zum Alltag überzugehen“

Der Obmann des Vereins für Chronisch Kranke, Jürgen Holzinger, betonte gegenüber ORF.at, dass es nach der Lockerung generell bei Betroffenen eine „ziemliche Verunsicherung“ gebe. Der Verein empfehle daher Menschen, die eine Chemotherapie durchlaufen, und Organtransplantierten, weiter eine Maske zu tragen. Man sei da lieber auf der „eher vorsichtigen Seite“. Derzeit würden auch Verhandlungen über die Verlängerung der Freistellung besonders Vulnerabler von der Arbeit laufen.

Holzinger sprach sich auch gegen eine weitere Lockerung im Sommer aus. Es sei „nicht gut, einfach zum Alltag überzugehen“. So wie Renner betonte auch Holzinger, dass Betroffene dank der Maskenpflicht nun „nicht mehr auffallen“ würden.

Maske als Fremd- und Eigenschutz

Die CF-Expertin Renner sagte, die allgemeine Maskenpflicht sei für die von ihr betreuten Kinder und Jugendlichen „auf alle Fälle“ sehr hilfreich gewesen, das Maskentragen zu akzeptieren. Zuvor hätten sie sich oft schwergetan, nun sei das „etwas Normales“. CF-Kindern wird in normalen Zeiten geraten, im Bereich der Ambulanz und in öffentlichen Verkehrsmitteln Masken zu tragen.

Der Mund-Nasen-Schutz dient laut Renner dem Fremd- und auch dem Eigenschutz. Viren würden natürlich durchdringen, vor Tröpfchen aus Mund oder Nase könnten die Masken aber schon schützen. Und die Tröpfcheninfektion sei soweit bisher bekannt der Hauptübertragungsweg.

Lockerung „zu früh“

Renner glaubt, dass Vulnerable wie Ältere die Maske beibehalten werden – auch dort, wo sie nicht mehr verpflichtend ist. „Zu Recht“, wie Renner betont, denn der Mindestabstand sei oft schlicht nicht einhaltbar. In Supermärkten etwa kam der Wegfall der Tragepflicht für Renner „zu früh“. Sie ist damit einer Meinung mit anderen Fachleuten so auch Hutter.

Vulnerable und deren Angehörige stellt die Lockerung der Maskenpflicht teils vor schwierige Entscheidungen. Für die Familien mit CF-Kindern sei vor allem der Wegfall der Maskenpflicht in Kindergarten und Schule eine „schwierige Frage“. Manche Kinder seien noch gar nicht in die Schule zurückgekehrt, andere hätten nach einem Verdachtsfall in der Schule wieder ganz auf Homeschooling umgestellt, so Renner.

Hoffen auf zwei positive Folgen

Die AKH-Ärztin hofft aber zumindest auf zwei positive Folgen aus der Pandemie, die langfristig erhalten bleiben werden: dass jetzt alle wissen, „wie Händewaschen geht“, und wie wichtig dieses sei. Außerdem hofft Renner, dass Kinder nicht mehr in Schule oder Kindergarten geschickt werden, wenn sie Krankheitsanzeichen haben.