Soldat vor dem Tönnies Werk
APA/AFP/Ina Fassbender
CoV in Schlachthof

Quarantäne bei Tönnies verschärft

Nach dem Coronavirus-Ausbruch beim deutschen Fleischproduzenten Tönnies müssen sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück in Quarantäne. Das betreffe auch die Verwaltung, das Management und die Konzernspitze, teilte die Verwaltung des Kreises Gütersloh am Freitagabend mit. Zuvor waren die Auflagen offenbar gebrochen worden. Mittlerweile ist auch die Bundeswehr im Einsatz.

Auch sämtliche „Haushaltsangehörige“ der Beschäftigten seien unter Quarantäne. Einige Mitarbeiter können den Angaben nach in „Arbeitsquarantäne“. Das heißt, dass sie sich nur zwischen Arbeits- und Wohnort bewegen dürfen. Das gilt auch für Christian Tönnies, Gesellschafter von Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies, wie ein Konzernsprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte.

„Wir werden alles unternehmen, um einen weitreichenden ‚Lock-down‘ im Kreis Gütersloh zu verhindern. Leider müssen wir feststellen, dass die für das Personal in den Produktionsbereichen am 16. Juni erlassenen Quarantänen nicht von allen eingehalten wurden“, sagte Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) laut Mitteilung.

Schärfere Überwachung angeordnet

Die Überprüfung der Quarantäne werde mit den örtlichen Ordnungsbehörden und mit weiteren auswärtigen Kräften deutlich verstärkt. Wie viele Menschen nun konkret betroffen sind, blieb zunächst offen. Landrat Adenauer hatte bereits zuvor Quarantäne für rund 7.000 Menschen verfügt. Das wurde nun ausgeweitet.

Nach Angaben des Kreises wurden mittlerweile 3.500 Tests bei der Firma Tönnies vorgenommen. Am Freitag seien allein 1.450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getestet worden, berichtete der Kreis am späten Nachmittag. Bisher wurden insgesamt 803 Infizierte registriert. 463 Testergebnisse waren negativ. Die restlichen Befunde stehen noch aus.

Türen mit Plomben verschlossen

Der Tönnies-Betrieb in Rheda-Wiedenbrück steht wegen des Ausbruchs seit Mittwoch weitgehend still. Laut Kreisangaben wurden am Freitag der Lebensmittelbetrieb und der Werksverkauf für die Öffentlichkeit geschlossen. Die Zerlegebetriebe und der Versand würden am Samstagabend geschlossen, so der Kreis. Die Maßnahmen sollen laut Kreis überwacht werden, Tore seien verplombt worden. „Die Schließungen umfassen einen Zeitraum von 14 Tagen“, hieß es.

Arbeiter vor dem Tönnies Werk
AP/Martin Meissner
Der Schlachthof ist weitgehend abgeschlossen. Türen wurden plombiert, um ein Übertreten der Auflagen zu verhindern

Der Kreis teilte zudem mit, dass der Krisenstab weitere externe Unterstützung angefordert habe: So sollten 20 Scouts der Bundeswehr dem Kreis beim „Kontaktmanagement“ helfen. Auch das Land sei um Hilfe gebeten worden. Mit einer großen Zahl an mobilen Teams sollten Unterkünfte aufgesucht werden, um dort Abstriche zu machen und medizinisch zu beraten.

Zudem sei ein Hilfeersuchen an die Polizei ergangen, die bereits zugesagt habe: Die Beamten sollen den Ordnungsbehörden der Kommunen im Kreis bei der Quarantäneüberprüfung helfen. Seit Freitag sind im Kreis bereits 25 Bundeswehrsoldaten im Einsatz. Sie helfen den Angaben zufolge bei den großangelegten Reihentestungen bei Tönnies.

Regionaler „Lock-down“ nicht mehr ausgeschlossen

Nach dem Auftreten des Hotspots im Schlachthof droht dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet zufolge der gesamten Region ein „Lock-down“. „Wir nehmen ein Infektionsgeschehen wahr, das in dieser Größenordnung neu ist“, sagte Laschet am Freitagabend in Düsseldorf.

„Noch können wir das Infektionsgeschehen lokalisieren“, sagte Laschet. Sollte sich das ändern, könne auch „ein flächendeckender Lock-down in der Region“ notwendig werden. „Der Ausbruch bei Tönnies birgt ein enormes Pandemierisiko“, sagte der CDU-Politiker. Es werde nun alles getan, um den Ausbruch einzudämmen.

Heil fordert schärfere Kontrollen

Der deutsche Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach sich unterdessen für schnellere Schritte zum Schutz der Fleischarbeiter aus. „Wir wollen die Kontrollen weiter verschärfen, noch bevor das neue Gesetz zur Arbeitssicherheit in der Fleischindustrie da ist“, sagte Heil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Samstag-Ausgaben). Er wolle mit dem „Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der Fleischindustrie auf jeden Fall ernst“ machen.

„Wir arbeiten mit mehreren Ministerien daran, das Verbot rechtssicher zu machen“, sagte der SPD-Politiker. Er sei auch in „sehr produktiven Gesprächen mit den Ländern“. Im Sommer solle der Gesetzentwurf vorliegen. Spätestens im kommenden Jahr sei „mit dem Missbrauch von Werkverträgen in der Fleischindustrie endgültig Schluss“, versprach der Minister.

„Die Versorgung mit Lebensmitteln ist ein hohes Gut, und ich möchte, dass das Vertrauen an Lebensmitteln und an Fleisch „made in Germany“ erhalten bleibt“, sagte der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Deutschlandfunk. Das bedeute, „dass wir auch dafür sorgen, dass Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden und dass die Missstände abgestellt werden, indem man entsprechende Veränderungen trifft“.