Schild mit der Aufschrift „Auskunftsperson“
ORF.at/Carina Kainz
„Ibiza“-U-Ausschuss

Spannung vor Kurz-Befragung

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stellt sich am Mittwochvormittag den Fragen des „Ibiza“-U-Ausschusses. Wie er zuvor mehrmals betont hat, will er in „allen Bereichen, wo ich einen Beitrag leisten kann, Auskunft geben“. Vorrangig wird es wohl um mögliche Postenschacher in der Glücksspielindustrie unter der ÖVP-FPÖ-Regierung gehen. Es warten aber auch andere Themen.

In der Causa Casinos geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dem Verdacht nach, ob es um die Bestellung des Wiener FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum CASAG-Finanzvorstand Absprachen zwischen der ÖVP-FPÖ-Regierung und dem damaligen Casinos-Miteigentümer Novomatic gab. Kurz sagte, er könne wohl „wenig beitragen zum ‚Ibiza-Video‘ selbst und auch zu gewissen Vorwürfen gegen die Freiheitliche Partei“. Aber wenn es Fragen zur Regierungsarbeit, insbesondere zu Personalentscheidungen, gebe, könne er gerne Auskunft erteilen.

Er habe das im Vorfeld immer schon gemacht. Es sei selbstverständlich, dass man sich zu Personalentscheidungen auf verschiedenen Wegen, „im direkten Gespräch am Telefon, per SMS oder E-Mail“, austausche. Geladen sind neben Kurz noch der frühere Finanzminister Hartwig Löger und ÖBAG-Alleinvorstand Thomas Schmid, der zuvor als Generalsekretär im Finanzministerium tätig war.

ORF.at-Berichterstattung

ORF.at berichtet über den U-Ausschuss direkt aus dem Sitzungslokal in der Hofburg.

Sidlo gegen Schmid?

Zuletzt war der Name von Kurz auf einer handschriftlichen Notiz von Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner aufgetaucht, wonach Josef Pröll, Vizepräsident des CASAG-Aufsichtsrats und früherer ÖVP-Finanzminister, mit dem Bundeskanzler am 2. Oktober 2018 reden sollte. Aus der Aktennotiz geht weiters hervor, dass der CASAG-Vorstand eine Holdinglösung präsentierte – ein Zweiervorstand sei in dem Fall „eine gute Lösung“. Außerdem hielt Rothensteiner auf dem Zettel fest, dass er mit dem Personalberater Egon Zehnder vorab reden werde. „Keine öffentliche Ausschreibung“, das stand damals offenbar bereits fest.

Am Dienstag präsentierte NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper ein Einvernahmeprotokoll des Ex-Casinos-Generaldirektors Alexander Labak. Aus diesem gehe hervor, dass die Bestellung von Sidlo zum Finanzvorstand mit der Bestellung Thomas Schmids zum Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG verschränkt gewesen sei. Das Dokument zeige, dass es einen „Deal“ zwischen der ÖVP und der FPÖ gegeben habe. Die ÖVP ortete wiederum darin einen Skandalisierungsversuch von NEOS, schließlich sei das vorgelegte Vernehmungsprotokoll bereits seit Jänner medial bekannt. Damals berichtete das „profil“ darüber.

Krisper (NEOS) zu neuen Vorwürfen im U-Ausschuss

Vor der Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss ist ein Auszug seiner Chatnachrichten mit dem früheren Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) veröffentlicht worden. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper äußerte sich dazu im Studio.

ÖBAG, Finanzministerium und die Novomatic

Im Protokoll schilderte Labak die damals zeitlich parallel ablaufenden Bestellungen. Schmid habe den Umbau der ÖBIB zur ÖBAG als „sein Projekt betrieben“, und Teil dieses Projekts sei die Einsetzung eines Alleinvorstands gewesen, so Labak laut Protokoll: „Weiters ist mir bekannt, dass Schmid mit dem damaligen Bundeskanzler (Kurz, Anm.) eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit pflegt und in diesem Zusammenhang für mich erklärbar ist, wieso sich Rothensteiner und Pröll im Aufsichtsrat ‚verbogen‘ haben, um einen wenig qualifizierten FPÖ-Kandidaten durchzusetzen, und warum Löger die Bestellung von Sidlo intensiv betrieben hat.“

Für Mittwoch wurde auch Ex-Finanzminister Löger bestellt. Ihm werden sichergestellte WhatsApp-Nachrichten unter anderem mit Strache zu vermuteten Postenschachern zur Last gelegt. Der Ex-FPÖ-Chef hatte sich kurz vor der offiziellen Bestellung Sidlos beim damaligen Finanzminister für die Unterstützung Lögers bei der CASAG bedankt. "Lieber Hartwig, Herzlichen Dank für deine Unterstützung bezüglich CASAG! Liebe Grüße HC“, schrieb er am 11. Februar 2019. Löger antwortete mit einem „Daumen Hoch“-Symbol. Später begründete er seine Antwort damit, dass er sich über Straches Nachricht „spontan geärgert“, aber aus Zeitmangel das „Daumen hoch“ nach dem Motto „Gib a Ruh“ schickte.

Der Ex-Finanzminister bestreitet – wie alle Beteiligten, die als Beschuldigte geführt werden – die Vorwürfe. „Das war eine Sache dreier Aktionäre innerhalb der Casinos AG“, sagte er im vergangenen November. Sidlo sei Vorschlag der Novomatic gewesen, „da hat man einfach eine gemeinsame Linie gesucht“. Seine Aufgabe als Vertreter der Republik sei es gewesen, für eine stabile sichere Zukunftsbasis der Casinos zu sorgen. „Darüber hinaus lagen mir keine Informationen vor, die seine (Sidlos, Anm.) Qualifikation infrage stellen.“

„Schredderaffäre“ schwebt über U-Ausschuss

Thema im U-Ausschuss wird wohl auch die von der Staatsanwaltschaft schon beigelegte „Schredderaffäre“ werden. Bekannt ist, dass der mittlerweile beförderte Kabinettsmitarbeiter von Kurz Arno M. wenige Tage nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ fünf Festplatten außer Haus vernichten ließ. Die WKStA vermutete einen Zusammenhang mit der „Ibiza-Affäre“. Doch die Ermittlungen wurden bereits im Sommer 2019 wieder eingestellt. ’Der offizielle Grund lautete: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen „Schredderaffäre“ und „Ibiza-Affäre“.

Journalisten vor dem U-Ausschuss-Lokal
ORF.at/Lukas Krummholz
Im U-Ausschuss war es zuletzt eher ruhig geworden. Am Mittwoch werden zahlreiche Medienvertreter anwesend sein.

Neben dem Vorwurf, die ermittelnde „SoKo Ibiza“ sei befangen, weil ein Beamter weder das Handy des Kabinettsmitarbeiters beschlagnahmt noch eine freiwillige Nachschau in der ÖVP-Zentrale durchgeführt hat, berichtete das Onlineportal Zackzack.at, dass der WKStA der Fall per Weisung aus dem Justizministerium entzogen wurde. Die Staatsanwaltschaft habe weiter ermitteln wollen, doch die Oberstaatsanwaltschaft Wien hätte angewiesen, das Verfahren abzutreten, wenn die vom Bundeskanzleramt eingeholten Informationen keinen Zusammenhang erkennen lassen.

„Falter“-Chefredakteur Florian Klenk, der über die „Schredderaffäre“ berichtet hatte, hat bei seiner Befragung im U-Ausschuss mehrmals darauf hingewiesen, dass es Widersprüche gebe. So sei etwa vereinbart worden, zitierte Klenk aus einem Vermerk, das zuvor die ÖVP thematisiert hatte, dass die Festplatten kabinettsintern im Zentralen Ausweichsystem (ZAS) des Bundes in St. Johann im Pongau vernichtet werden sollen. „Aber was da nicht drinnen steht, ist, dass Herr M. mit falschem Namen zur Firma Reisswolf fährt und dort die Festplatten auf eigene Faust vernichtet“, sagte Klenk.