Die demokratische US-Senatorin Kamala Harris
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Biden sucht Vize

Harris hat die besten Karten

In den ersten August-Tagen will der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden die Kandidatin für das Vizepräsidentenamt präsentieren. Fix ist nur, dass es eine Frau werden soll. Deren jeweilige Unterstützerteams lobbyieren bei Biden. Als Favoritin für die Nummer zwei im Land gilt derzeit die kalifornische Senatorin Kamala Harris. Sie gälte als „sichere“ Option für Biden. Ein fixes Ticket ist das allerdings noch nicht.

Welche Kandidatin kann Bidens Kampagne den entscheidenden Auftrieb bringen? Diese Frage beantworten Demokraten und ihnen nahestehende Beobachter unterschiedlich. Fest steht jedenfalls, dass die Suche nach der Vizekandidatin diesmal einen größeren Stellenwert einnimmt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Biden im Fall seiner Vereidigung im Jänner 2021 bereits 78 Jahre und damit der älteste Präsident bisher wäre. Sein „Running Mate“ sollte von Tag eins die Geschäfte übernehmen können. Zudem gilt diese Person als frühe Spitzenkandidatin für die Präsidentschaftswahlen 2024.

Das spricht für Harris. Sie bewarb sich selbst für die demokratische Präsidentschaftskandidatur, stieg aber wenige Wochen vor der Vorwahl in Iowa aufgrund niedriger Umfragewerte aus dem Rennen aus. Mit ihrem Antreten erreichte die Senatorin und frühere Attorney General in Kalifornien aber nationale Bekanntheit. Auch die Fundraising-Unterstützung konnte sich sehen lassen.

Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden und die demokratische Senatorin Kamala Harris
Reuters/Lucas Jackson
Als demokratische Präsidentschaftsbewerberin traf Harris (re.) vergangenen Sommer in einer TV-Debatte auch auf Biden

„Sichere, konservativere Wahl“

Harris sei jedenfalls die „beste Wahl“ für Biden, sagte ein Vertrauter des demokratischen Präsidentschaftsanwärters gegenüber der US-Zeitung „The Hill“: „Ihre politische Einstellung ist sehr ähnlich. Ich wäre überrascht, wenn es nicht sie (Anm. Harris) würde.“ Auch der demokratische Stratege Joel Payne sieht Harris gegenüber der Zeitung als die Nichtüberraschungskandidatin: „Es ist die sichere, konservativere Wahl.“

Niemand würde schockiert sein, sollte die Wahl auf Harris fallen. Das spricht dafür, dass sich Biden für Harris entscheiden könnte. Denn bisher ließ der demokratische Präsidentschaftskandidat in seiner Kampagne Überraschungen aus. Payne erwartet auch bei der Entscheidung für den „Running Mate“ keine Überraschung.

Die Umfragen sprechen ebenfalls für die sichere Variante. Denn derzeit führt Biden vor Trump selbst in den umkämpften Bundesstaaten wie Florida. Historisch gesehen waren die Präsidentschaftskandidaten eher zu mehr Risiko bei ihren Entscheidungen für Vizekandidaten bereit, die in Umfragen schlechter dastanden, so der Historiker Julian Zelizer von der Princeton University. Allerdings sei die Kampagne für die aktuelle Präsidentschaftswahl nicht zuletzt auch wegen der Pandemie schwer vorherzusagen.

Entscheidung noch nicht gefallen

Im Zuge der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt wurden die Stimmen für eine schwarze Vizekandidatin lauter. Einige Zeit war daher auch die ehemalige Gouverneurskandidatin im US-Bundesstaat Georgia, die Afroamerikanerin Stacey Abrams, hoch im Kurs für dieses Amt. Auch Harris wäre die erste schwarze und indisch-amerikanische Frau, die von einer der großen Parteien nominiert würde. Sie ist Tochter von Einwanderern aus Indien und Jamaica. Allerdings würde ihre Nominierung Biden keinen neuen – nicht demokratischen Bundesstaat – in Bidens Kampagne einbringen. Denn ihr Heimatstaat Kalifornien gilt als fix in demokratischer Hand.

Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, sagte Harry Reid, ehemaliger demokratischer Mehrheitsführer des Senats und Freund von Biden, erst kürzlich. Aber die Liste sei kleiner geworden. Neben Harris seien auch die demokratische Senatorin Elizabeth Warren, die ehemalige nationale Sicherheitsberaterin und enge Biden-Vertraute Susan Rice und die Senatorin Tammy Duckworth in einer engeren Auswahl.

Kein schlechtes Gewissen

Zuletzt gab es auch verstärkt Stimmen für die afroamerikanische Abgeordnete Karen Bass aus Kalifornien. Diese würde progressive Wähler und Wählerinnen bei den Demokraten anziehen, die sich zwar gegen US-Präsident Donald Trump aussprechen, zugleich aber auch zu Biden keinen Zugang finden, analysierte „The Hill“. Bass wäre zudem eine loyalere Kandidatin für die Nummer zwei, heißt es bei einigen in der demokratischen Partei.

Die demokratische US-Kongressabgeordnete Karen Bass
AP/CQ Roll Call/Tom Williams
Die demokratische Abgeordnete Karen Bass wird von ihren Unterstützern als „loyale“ Alternative zu Harris ins Feld geführt

Das Vertrauen in Harris’ Loyalität ist spätestens seit der TV-Debatte vergangenen Sommer etwas angekratzt. Als Präsidentschaftskandidatin war Harris in einer TV-Debatte auf Biden getroffen und lieferte sich dort mit ihm eine Konfrontation. Verärgert zeigte man sich in Bidens Komitee für die Suche nach einer Vizekandidatin über die Reaktion darauf nun ein Jahr später. Angesprochen auf diesen Angriff habe sie gelacht und gesagt: „Das ist Politik“, berichtete das Magazin „Politico“ unter Berufung auf Vertraute des Biden-Teams. Sie habe kein schlechtes Gewissen gehabt.

Raus aus der Komfortzone

„Politico“ befragte mehr als vier Dutzend gewählte Repräsentanten, Strategen, Geldgeber und ehemalige Berater von Biden: Der Großteil von ihnen sieht Harris trotz allem als die Option, die „keinen Schaden“ anrichtet. Es gebe aber einige Demokraten, die offen oder privat gegen Harris lobbyieren, berichtet das Magazin. „Ich glaube nicht, dass es Kamala Harris fix in der Tasche hat“, sagte auch Reid.

Einige demokratische Vertreter gehen sogar noch weiter und fordern Biden auf, eine Kandidatin außerhalb seiner Komfortzone zu wählen. Es sei der falsche Antrieb, jemanden vom „‚sicheren‘ moderaten Flügel der demokratischen Partei“ für das Vizepräsidentenamt zu wählen, so der demokratische Stratege Christy Setzer: „Unsere Basis ist nicht gemäßigt. Sie ist progressiv. Und er (Anm. Biden) muss jemanden wählen, der die Basis stimuliert.“ Die Demokraten seien meist zu vorsichtig, bei der Auswahl ihrer Vizekandidaten – „zu unserem Schaden“.