Swetlana Tichanowskaja, Präsidentschaftskandidatin in Weißrussland
AP/Sergei Grits
Wahl in Weißrussland

Festnahme in Team der Lukaschenko-Rivalin

Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in Weißrussland ist die Wahlkampfleiterin der Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja vorübergehend festgenommen worden. Offizielle Stellen dementieren eine Festnahme, man habe „zu einem Gespräch eingeladen“. Die Regierung des amtierenden Alexander Lukaschenko geht hart gegen die Opposition vor. Diese sagte kurzfristig eine Großkundgebung ab.

Eine Sprecherin Tichanowskajas sagte, Maria Moros sei nach dem Besuch der litauschen Botschaft in Minsk festgenommen worden. Kurz darauf gab die Sprecherin Moros’ Freilassung bekannt. Das Innenministerium wies die Darstellung des oppositionellen Wahlkampfteams zurück. Eine für den Abend geplante Großkundgebung gegen Lukaschenko sei unterdessen verboten worden, teilte Tichanowskaja Donnerstagnachmittag via Facebook mit. Daraufhin habe man die Veranstaltung abgesagt.

Die Behörden begründeten die Absage der Wahlveranstaltung im Park der Völkerfreundschaft mit einem Fest des Verteidigungsministeriums. Das Innenministerium kündigte an, notfalls mit Gewalt gegen nicht genehmigte Massenveranstaltungen vorzugehen. „Wir werden kein Chaos zulassen“, sagte Vizeinnenminister Alexander Barssukow im Staatsfernsehen.

Dennoch gingen am Donnerstagabend im Minsk wieder Tausende Unterstützer Tichanowskajas auf die Straße. Rund 5.000 Menschen versammelten sich am auf dem Kiew-Platz im Norden von Minsk. Sie klatschten, schwenkten belarussische Flaggen und riefen in Anti-Lukaschenko-Sprechchören „Hau ab“.

Ehemann wurde verhaftet

Tichanowskaja und ihre Mitstreiterinnen Veronika Zepkalo, Frau des von der Wahl ausgeschlossenen Ex-Diplomaten Waleri Zepkalo, und Maria Kolesnikowa, Kampagnenchefin des nicht zugelassenen Oppositionspolitikers Viktor Babaryko, hatten zuvor angekündigt am Abend den Tag der offenen Tür in einem Bildungszentrum zu besuchen. Die Frauen kritisierten, dass ihnen sonst kein Platz für den Wahlkampf zur Verfügung gestellt werde.

Swetlana Tichanowskaja, Präsidentschaftskandidatin in Weißrussland
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Tichanowskaja kämpft anstelle ihres inhaftierten Mannes um Stimmen

Tichanowskaja ist die wichtigste Rivalin des seit 26 Jahren autoritär regierenden Präsidenten Lukaschenko, der sich bei der Wahl am Sonntag um eine sechste Amtszeit bewirbt. Die 37-Jährige tritt anstelle ihres inhaftierten Ehemannes Sergej Tichanowski an, der ein populärer Blogger ist. Der aussichtsreiche Kandidat wurde von der Wahl ausgeschlossen und inhaftiert.

Lukaschenko peilt sechste Amtszeit an

Die vorzeitige Stimmabgabe in den Wahllokalen in Weißrussland begann bereits am Dienstag. Am ersten Tag stimmten nach Angaben der Behörden vom Mittwoch fünf Prozent der Wahlberechtigten ab. Rund 6,8 Millionen Wählerinnen und Wähler können zwischen insgesamt fünf Bewerbern und Bewerberinnen auswählen. Tichanowskaja hatte ihre Anhänger mit Blick auf mögliche Wahlfälschungen zugunsten Lukaschenkos zur Stimmabgabe erst am Hauptwahltag, am Sonntag, aufgerufen.

Weißrussischer Präsident Alexander Lukashenko
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Lukaschenko gilt als „letzter Diktator“ Europas

Lukaschenko will sich am Sonntag für eine sechste Amtszeit wählen lassen. Der 65-Jährige regiert die zwischen Russland und Polen gelegene Ex-Sowjetrepublik seit 26 Jahren mit harter Hand. Die Behörden gehen seit einigen Wochen verstärkt und hart gegen die Opposition vor. Bei Demonstrationen gab es Hunderte Festnahmen. Lukaschenko wird oft als der „letzte Diktator“ Europas bezeichnet.

In einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem ukrainischen Journalisten Dmitri Gordon reagierte Lukaschenko gelassen auf solche Kritik. Selbst der Westen sehe inzwischen vor allem die „Stabilität und Ordnung“ in Weißrussland. Niemand brauche eine Revolution. Im Interview machte Lukaschenko auch deutlich, dass er seine Macht notfalls mit Waffengewalt verteidigen werde. Tichanowskaja werde von der Opposition instrumentalisiert. „Sie tut mir leid“, so der Staatschef.

„Wir wollen faire Wahlen“

Tichanowskaja appellierte noch am Mittwoch an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zur Mithilfe für eine faire Abstimmung. „Frau Merkel, setzen Sie sich mit Lukaschenko in Verbindung. Sagen Sie ihm, dass wir keinen Krieg wollen“, so Tichanowskaja gegenüber der „Bild“-Zeitung (Mittwoch-Ausgabe). „Alles, was wir wollen, sind faire Wahlen.“ Ihr Land habe es satt, von „diesem Diktator“ regiert zu werden, meinte sie. „Wir sind müde.“

In der Vergangenheit hatten internationale Wahlbeobachter die Abstimmungen in Weißrussland stets als undemokratisch kritisiert. Die unabhängige Initiative namens „Ehrliche Leute“ schlug zuletzt vor, Wahllokale mit Videokameras auszustatten, um so Manipulationen aufzudecken. Die Wahlkommission lehnte das Medien zufolge aber ab.

Angst „ständiger Begleiter“

Tichanowskaja räumte ein, sich vor Lukaschenko zu fürchten. „Ich sehe, was er bereit ist zu tun, um an der Macht zu bleiben. Ich habe Angst, wenn ich auf die Straße gehe, wenn ich auf dem Podium stehe“, sagte sie. „Angst ist ein ständiger Begleiter.“ Sie will im Fall eines Sieges alle politischen Gefangenen freilassen und eine Neuwahl ansetzen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Wjasna wurden am Dienstag bei Kundgebungen in zwei Städten des Landes etwa 20 Menschen, die zu einem Auftritt von Tichanowskaja gehen wollten, festgenommen.

Lukaschenko hatte am Dienstag in einer Rede erneut vor Putschversuchen in seinem Land und einem „Massaker mitten in Minsk“ gewarnt. Er drohte mehrfach, jede Revolution zu verhindern. Er rief nach Angaben der Staatsagentur Belta die Sicherheitskräfte auf, bei der Abstimmung für „Recht und Ordnung“ zu sorgen: „Auf Bedrohungen, Beleidigungen und sonstige Gewalt sollte man sofort und hart reagieren.“