Tel Aviv City Hall beleuchtet mit der Fahne der Vereinigten Arabischen Emirate
AP/Oded Balilty
Israel-Emirate

Viel Lob und scharfe Kritik an Annäherung

„Strategische Dummheit“ und „heuchlerisches Verhalten“, aber auch „historisch“ und „zukunftsweisend“: Die internationalen Reaktionen auf die Annäherung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten reichen von heftiger Kritik bis hin zu viel Lob. Während das Abkommen von den einen als Rückschlag für die Palästinenser gewertet wird, sehen andere darin einen „wichtigen Beitrag für den Frieden“.

Israel und die Emirate hatten sich in einem historischen Schritt überraschend auf ein Abkommen verständigt und damit für viel Aufsehen gesorgt. Die beiden Staaten wollen ihre Beziehungen normalisieren, wie es in einer am Donnerstag von US-Präsident Donald Trump veröffentlichten Erklärung der drei Länder hieß.

Im Gegenzug setzt Israel seine umstrittenen Annexionspläne im besetzten Westjordanland aus. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte zugleich, die Annexionspläne im besetzten Westjordanland seien nicht grundsätzlich vom Tisch. Bisher galt es als Tabu für arabische Staaten, Abkommen mit Israel zu schließen, bevor der Nahost-Konflikt gelöst ist. Israel und die Emirate pflegten Berichten zufolge aber längst heimlich Kontakte.

Palästinenserführung: „Aggression“

Besonders heftige Kritik an der Annäherung kam von der Palästinenserführung, die ihren Botschafter aus den Emiraten abberief. Das Büro des Präsidenten Mahmud Abbas teilte mit, man lehne die „plötzliche Mitteilung“ beider Länder ab und verurteilte die „Aggression“. Es sei ein Schlag für die saudische Friedensinitiative und die Erklärungen der Arabischen Liga sowie ein aggressives Vorgehen gegen das palästinensische Volk. Durch die Einigung hätten die Emirate einen „Verrat an Jerusalem und an der palästinensischen Sache“ begangen, so Abbas und forderte ein Dringlichkeitstreffen der Arabischen Liga.

Ähnlich scharf reagierte die radikalislamische Terrororganisation Hamas, die den unter israelischer Blockade stehenden Gazastreifen regiert. Indem sie diplomatische Beziehungen zu Israel aufnähmen, belohnten die Emirate die „israelische Besatzungspolitik und israelische Verbrechen“, sagte Hamas-Sprecher Hasem Kasem. Die Vereinbarung diene nicht „der palästinensischen Sache“. Aus Protest gingen indes am Freitag auch Hunderte Palästinenser auf die Straßen.

In israelischen Siedlerkreisen hieß es, Netanjahu „driftet nach links ab, vielleicht wegen seiner juristischen Probleme“. Die Organisation warf Netanjahu vor, er habe die israelische „Souveränität in Judäa und Samaria“ (Westjordanland) in ein Druckmittel bei Verhandlungen verwandelt. Er könne nun nicht mehr als Anführer der Rechten in Israel angesehen werden und müsse ausgewechselt werden.

Scharfe Kritik von Iran und Türkei

Auch der Iran und die Türkei verurteilten die Annäherung. Es handle sich um eine „strategische Dummheit“, die die „Achse des Widerstands in der Region“ nur stärken könne, erklärte das Außenministerium in Teheran am Freitag. „Das unterdrückte Volk Palästinas“ und alle „freien Nationen der Welt“ würden die Normalisierung von Beziehungen zum „kriminellen israelischen Besatzerregime“ niemals verzeihen, warnte das Außenministerium.

Mit der Einigung hätten die Emirate die Interessen der Palästinenser verraten, hieß es in einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums. Die Türkei drohte wegen der Vereinbarung damit, ihren Botschafter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten abzuziehen. „Ich habe dem Außenminister eine Anordnung erteilt. Ich sagte, wir könnten die diplomatischen Beziehungen mit der Regierung in Abu Dhabi aussetzen oder unseren Botschafter abziehen“, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor Journalisten.

Donald Trump mit Vertretern Israels und der Vereinigten Arabischen Emirate im Oval Office
APA/AFP/Getty Images
Die Vereinbarung unter Vermittlung der USA sorgt international für viel Kritik

Druck auf Iran verstärkt

Das Abkommen verstärkt den Druck auf den Iran, der von den USA, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten als Hauptbedrohung in der Region angesehen wird. Bei einer Umsetzung würden die Emirate Ägypten und Jordanien folgen, die seit 1979 beziehungsweise 1994 Beziehungen zu Israel unterhalten. Zwischen Israel und der Türkei bestehen zwar diplomatische und wirtschaftliche Verbindungen, aber die Beziehungen beider Länder sind seit Jahren gespannt.

Der Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Guido Steinberg, bezeichnete die Vereinbarung im Ö1-Mittagsjournal als Friedensschluss. Die Zweistaatenlösung sei tot, so der Experte. „Die Palästinenser, das muss man festhalten, sind die großen Verlierer“, sagte Steinberg in der Analyse. In der Region gebe es jetzt eine Neuordnung, der Nahe Osten bleibe aber instabil.

Der Staatsminister der Emirate für Auswärtiges, Anwar Gargasch, erklärte auf Twitter, in der Entscheidung für das Abkommen spiegle sich ein „dringend benötigter Realismus“ wider. Das Gespenst einer Annektierung palästinensischer Gebiete sei durch die Initiative des Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Said, vertrieben worden. Die Chance auf eine Zweistaatenlösung bekäme mehr Zeit.

Maas: „Wichtiger Beitrag für Frieden“

Die Annäherung sorgte unterdessen auch für Lob und Hoffnung. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hoffe, die Einigung werde für israelische und palästinensische Anführer eine Gelegenheit schaffen, „bedeutungsvolle Verhandlungen“ über eine Zweistaatenlösung wiederaufzunehmen, teilte Guterres’ Sprecher am Donnerstag (Ortszeit) mit.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas nannte sie einen wichtigen Beitrag zum Frieden in der Region. Deutschland halte daran fest, dass nur eine verhandelte Zweistaatenlösung für Israel und die Palästinenser dauerhaften Frieden im Nahen Osten bringen könne. Die unter Vermittlung der USA getroffene Vereinbarung sei „zukunftsweisend“, sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert.

„Die Normalisierung wird für beide Seiten von Vorteil sein“, sagte EU-Sprecherin Nabila Massrali. Auch das Außenministerium des Sultanats Oman äußerte in einer Mitteilung Hoffnung, dass die Annäherung zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten führen werde.

Treffen in den nächsten Wochen geplant

Delegationen aus Israel und den Emiraten sollen sich in den nächsten Wochen treffen, um bilaterale Abkommen in Bereichen wie Tourismus, Sicherheit, Technologie, Energie und Gesundheit zu unterzeichnen. Trump zufolge soll die Vereinbarung Israels mit den Emiraten dann in den kommenden Wochen in Washington schriftlich fixiert werden. Trumps Nationaler Sicherheitsberater Robert O’Brien sagte: „Wir sind überzeugt, dass weitere Länder in den Startlöchern stehen.“ Als möglicher Kandidat wird von Experten unter anderem Bahrain genannt.

Israels Regierung hätte nach einer Koalitionsvereinbarung seit Juli mit ersten Annexionsschritten beginnen können, bisher ist das aber nicht geschehen. Als Grundlage für eine Annexion nimmt die Regierung einen vor Monaten vorgestellten „Friedensplan“ Trumps. Dieser sieht vor, dass Israel sich rund 30 Prozent des 1967 im Sechstagekrieg eroberten Westjordanlands einverleiben kann. Die restlichen 70 Prozent sollen Teil eines Palästinenserstaates werden, allerdings unter strengen Auflagen. Die Palästinenser lehnen diesen Plan ab. Auch international ist er höchst umstritten. Die Regierung in Jerusalem rechtfertigen eine Annexion mit einer Mischung aus biblischen, historischen und sicherheitspolitischen Gründen.