Minsker Behörden wollen Nobelpreisträgerin vernehmen

Die weißrussischen Ermittlungsbehörden haben die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch zur Vernehmung einbestellt. Hintergrund sei ein Strafverfahren gegen den oppositionellen Koordinationsrat, teilte die Gruppe heute mit. Alexijewitsch gehört dem Koordinationsrat an, der nach der umstrittenen Wiederwahl des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko eingesetzt wurde. Alexijewitsch erhielt 2015 den Literaturnobelpreis. Sie gilt als Chronistin der Zeitgeschichte und dokumentiert Kriege, Umbrüche und die neu gewonnene Freiheit.

Die weißrussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch
APA/AFP/Sergei Gapon

Oppositionelle festgenommen

Wenige Stunde zuvor waren dem Koordinationsrat zufolge mit Olga Kowalkowa und Sergej Dilewsky zwei prominente Oppositionelle festgenommen worden. Der Rat hatte sich vergangene Woche gegründet, um nach der Präsidentenwahl einen Machtwechsel zu erreichen. Die Regierung wirft dem Gremium vor, es wolle widerrechtlich die Macht ergreifen, und hat Ermittlungen eingeleitet.

Lesen Sie mehr …

Österreicher distanziert sich nach TV-Auftritt

Nach dem Auftritt von David Kainrath, eines Mitglieds der Österreichisch-Weißrussischen Gesellschaft (ÖWG), im weißrussischen Staatsfernsehen meldete sich dieser zu Wort. Er möchte „festhalten, dass ich die Polizeigewalt und die Verletzung von Menschenrechten in Belarus verurteile“, so Kainrath.

Die vom Fernsehsender Belarus 1 ausgestrahlten Ausschnitte eines längeren Interviews würden zwar seinen Antworten entsprechen, „sind aber in jeglicher Hinsicht aus dem Zusammenhang gerissen“, so Kainrath. „Ich verurteile die unverhältnismäßige und nicht hinnehmbare Gewalt gegen friedliche DemonstrantInnen. Nur durch ein Ende der Gewalt und einen nationalen Dialog zwischen Regierung und Opposition kann es einen Weg zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geben.“

„Einseitig dargestellt“

Belarus 1 hatte Kainrath am Samstag mit folgenden Worten zitiert: „In unseren deutschsprachigen Medien werden alle Ereignisse sehr einseitig dargestellt. Der Grund dafür ist, dass unsere Medien keine Sympathien für Ihren Staatschef und Ihre Regierung empfinden“, sagte der englisch sprechende Kainrath laut der ausgestrahlten russischen Übersetzung. Berichterstattung über Weißrussland fehle entweder oder erfolge auf eine negative Weise, beklagte der als Politologe vorgestellte Österreicher, der dem Vorstand der ÖWG angehört.

Vor Kainrath hatte bereits am 15. August der niederösterreichische SPÖ-Politiker David Stockinger im weißrussischen Staatssender ONT Soziale Netzwerke und Kanäle im Messagerdienst Telegram als „eine der größten Bedrohungen für die Jugend“ bezeichnet und damit eine zentrale Botschaft von Lukaschenko nahestehenden Propagandisten wiederholt.