Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Georg Hochmuth
„Wichtiges Signal“ vs. „Flop“

Großes Lob und herbe Kritik nach Kanzlerrede

Die Erklärung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zur Coronavirus-Lage hat am Freitag für zahlreiche Reaktionen gesorgt. Die ÖVP-nahe Seite applaudierte dem Kanzler dafür, Zuversicht verbreitet zu haben. Caritas, Hilfswerk und Seniorenbund begrüßten den geplanten „Pakt gegen die Alterseinsamkeit“. Die Opposition vermisste in des Kanzlers Rede hingegen die Substanz.

Es gebe Licht am Ende des Tunnels, eröffnete Kurz seine Erklärung, die er am Freitag im Bundeskanzleramt hielt. Die Pandemie werde in den kommenden Monaten für weitere Herausforderungen sorgen, doch die Krise werde schneller zu Ende gehen als anfangs befürchtet, so Kurz in seiner rund halbstündigen Rede.

In der Opposition waren die Reaktionen auf die Erklärung einhellig: Viel Inszenierung, wenig Substanz, lautete der Tenor. FPÖ-Chef Norbert Hofer bezeichnete die Rede als Flop, sie sei nichts gewesen als eine Aneinanderreihung inhaltsloser Floskeln. Zugleich holte Hofer per Aussendung zum Rundumschlag gegen die gesamte Regierungsmannschaft aus. „Diese Regierung hat alles, was unsere Eltern und Großeltern nach dem Krieg aufgebaut haben, in wenigen Monaten ruiniert“, kritisierte der freiheitliche Bundesparteiobmann die bisherigen Coronavirus-Maßnahmen.

Opposition vermisst klare Antworten

Kritik an der Erklärung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kam von der Opposition. Für die SPÖ war das ganze nur PR, die FPÖ spricht von einem ein Flop, und NEOS fehlt die Substanz.

Speziell der angekündigte „Pakt gegen Alterseinsamkeit“ sei zynisch, so Hofer. „Denn es waren Kurz und Anschober, die mit ihren verfassungswidrigen Verordnungen das Ziel verfolgt haben, ältere Menschen in deren Wohnungen zu isolieren“, kritisierte er.

SPÖ kritisiert „Egotrip“

Die SPÖ hatte Kanzler Kurz bereits im Vorfeld der Rede kritisiert und wiederholte am Freitag die Kritik. Für Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch war die Erklärung „ein von viel PR-Getöse begleiteter Egotrip von Kurz und, was viel schlimmer ist, eine inhaltliche Nullnummer ohne konkrete Lösungen“, teilte er mit. In dieselbe Kerbe schlug SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. „Keinen konkreten Plan gab es vom Kanzler, nur viele Ankündigungen und blumige Worte“, bemängelte er.

Aus NEOS-Sicht blieb Kurz Antworten schuldig. „Viele Ankündigungen, viele Schlagworte, wenig Substanz“, kommentierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger den Auftritt. „Eine Perspektive, wie es jetzt unmittelbar weitergehen soll, konnte Kurz nicht geben“, kritisierte sie – weder für Unternehmer noch für Schulen noch für Menschen auf dem Arbeitsmarkt.

Drängen auf Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit

Konkrete Lösungen für den Arbeitsmarkt vermissten auch Arbeiterkammer (AK) und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB). AK-Präsidentin Renate Anderl fehlte „ein Eingehen auf die Lehrlingsproblematik und die Arbeitslosen, die darf man nicht vergessen“. Gerne nehme die AK „den Ball auf, neue Regeln fürs Homeoffice zu finden. Wir werden uns rasch zusammensetzen“, so Anderl. Klar sei, dass die Arbeit zu Hause freiwillig für beide Seiten sein müsse. „Sollte jemand an der Elfstundennachtruhe sägen, dann kommt von uns auf jeden Fall ein Nein“, so Anderl.

Kurz-Erklärung zur Coronavirus-Lage

Der Sommer 2021 könnte wieder ein normaler werden, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einer Erklärung. Zuvor würden aber noch herausfordernde Monate auf das Land zukommen.

Unzufrieden mit den Ausführungen von Kanzler Kurz zeigte sich auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, der vor allem Hilfe für Arbeitnehmer und Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, vermisste. „Qualifizierungsprogramme für Ältere fehlen völlig, und auch für Lehrlinge sind scheinbar überhaupt keine Maßnahmen geplant.“

Überschwängliches Lob von Wirtschaft und Industrie

Lob für die skizzierten Vorstöße des Bundeskanzlers gab es hingegen von Wirtschaft, Industrie und Bauernbund. Die Spitze der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) sah „zum richtigen Zeitpunkt eine nachhaltige Standortstrategie mit wichtigen Impulsen für aktive rot-weiß-rote Ansiedelungspolitik“, so WKÖ-Präsident Harald Mahrer und Generalsekretär Karlheinz Kopf in einer Aussendung.

Ähnlich positiv die Rückmeldungen der Industriellenvereinigung (IV): „Die heutigen Ausführungen geben Anlass für Zuversicht und klare Perspektiven, wie sie Menschen und Wirtschaftsstandort in diesen schwierigen Zeiten brauchen“, sagte IV-Präsident Georg Knill in einer Aussendung. Standortstärkende Maßnahmen seien ein wichtiges Signal. Der ÖVP-Bauernbund begrüßte am Freitag vor allem den Vorstoß von Kanzler Kurz für mehr regionale Lebensmittelproduktion. Nun gelte es, die gewünschte Regionalisierung umzusetzen.

Analyse von Thomas Langpaul (ORF)

Thomas Langpaul (ORF) spricht über die Inhalte der Rede von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und die Maßnahmen der Regierung im Umgang mit dem Coronavirus.

Caritas-Präsident für Beauftragten gegen Einsamkeit

Freude über die Ankündigung von Kurz, einen „Pakt gegen Einsamkeit“ zu schnüren, gab es bei Caritas, Hilfswerk und dem ÖVP-Seniorenbund. Dass sich die Regierung dieses Themas annehme, sei „wichtig und erfreulich“, teilte Caritas-Präsident Michael Landau mit. Allerdings sei das Thema zu wichtig, um parteipolitisch vereinnahmt zu werden. Er schlug vor, zumindest mittelfristig einen Regierungsbeauftragten gegen Einsamkeit einzusetzen.

Auch das Hilfswerk lobte, dass „die Bundesregierung das Thema nun aktiv aufnehme“. Nicht nur in den stationären Einrichtungen wie Spitälern und Pflegeheimen zeige sich die besondere Herausforderung, auch in der häuslichen Pflege sei man damit konfrontiert, so Othmar Karas, Präsident des Hilfswerks Österreich. Er verwies auf pflegende Angehörige, die gerade jetzt Unterstützung bräuchten. Erfahrungen aus der Praxis werde man gerne einbringen. Begrüßt wurde die Ankündigung der Regierung auch vom ÖVP-Seniorenbund.

Koalitionspartner hält sich knapp

Vergleichsweise knapp äußerte sich der Koalitionspartner nach Kurz’ Rede: Jakob Schwarz, stellvertretender Klubobmann der Grünen, sah positive Signale, die Ökologisierung der Wirtschaft voranzutreiben. Kurz freunde sich dabei mit grünen Positionen im gemeinsamen Regierungsprogramm an, so Schwarz, der auch auf bereits vorliegende Pläne verwies.

Die Schwerpunkte in der Rede des Bundeskanzlers, in der er ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Comeback des Landes ankündigte, lagen in Standort, Digitalisierung, Pflege und Bildung. Für das Homeoffice sollen arbeitsrechtliche Regelungen geschaffen werden und Schulen schneller digitalisiert werden. Das Homeschooling habe gezeigt, dass Schulen schneller digitalisiert werden müssten und „Brennpunktschulen“ mehr Unterstützung brauchen. Zusammen mit der Zivilgesellschaft wolle man zudem dafür sorgen, dass ältere Bürgerinnen und Bürger nicht vereinsamten. Es soll ein Offensive für den Kauf heimischer Produkte und für Unternehmensgründungen geben, so Kanzler Kurz. Darüber hinaus soll es ein Gründerpaket geben mit einer neuen Körperschaftsform, die rasche und unbürokratische Gründung sowie Beteiligung von Mitarbeitern ermöglichen soll. Kurz kündigte zudem die Schaffung einer Technischen Universität in Linz an.