Hauptquartier der brasilianischen Baufirma Odebrecht in Lima (Peru)
Reuters/Guadalupe Pardo
FinCEN-Files

Heimische Banken im Odebrecht-Skandal

Der Korruptionsskandal um den brasilianischen Konzern Odebrecht hat in den vergangenen Jahren ganz Lateinamerika erschüttert, Dutzende Politiker in mehreren Ländern mussten zurücktreten. Als Drehscheibe für gewaltige Schmiergeldzahlungen diente die Meinl Bank Antigua, bis 2011 eine Tochter der Meinl Bank in Wien, danach mehrheitlich de facto in Besitz von Odebrecht. Doch laut den neuen Enthüllungen soll nicht nur die Meinl Bank in Wien, sondern auch die Raiffeisen Bank International verwickelt sein.

Das wurde im Zuge der FinCEN-Files, geleakten Dokumenten aus dem Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN), der Strafverfolgungsbehörde des US-Finanzministeriums, bekannt. Enthüllt wurden 2.100 Verdachtsmeldungen für Geldwäsche oder sonstiges Fehlverhalten an die Behörde. Die Dokumente wurden zu einem großen Teil dem Onlineportal BuzzFeed News zugespielt und dann im Rahmen des weltweiten Netzwerks International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) aufgearbeitet. In Österreich beteiligten sich der ORF und das Nachrichtenmagazin „profil“ an der internationalen Recherche.

Eine dieser Verdachtsmeldungen stammt von der US-Zentrale der britischen Standard Chartered Bank. Dort fiel auf, dass Odebrecht 2011 offenbar eine Mehrheit an der Meinl Bank Antigua erworben hatte und sie dazu nutzte, Bestechungsgelder in Milliardenhöhe „zu waschen, zu verteilen und zu verbergen“. Nun bieten Einvernahmen ehemaliger Odebrecht-Mitarbeiter neue Erkenntnisse. ORF und „profil“ kooperieren hier mit dem peruanischen Onlineportal IDL Reporteros.

Heimische Banken im Odebrecht-Skandal

In den Korruptionsskandal um den brasilianischen Konzern Odebrecht soll nicht nur die Meinl Bank in Wien, sondern auch die Raiffeisen Bank International verwickelt sein.

Über Antigua „alle“ bestochen

Ein geständiger Ex-Odebrecht-Mitarbeiter sagte demnach gegenüber der brasilianischen Staatsanwaltschaft aus, dass die bis dahin für schmutzige Transfers genutzte Antigua Overseas Bank 2010 in Schieflage geraten sei. Und bei der Suche nach Ersatz sei man bei der Karibiktochter der Meinl Bank fündig geworden. Über Antigua seien dann nicht nur Beamte bestochen worden, sondern „alle“.

Dass die Meinl Bank Antigua in den Odebrecht-Skandal verwickelt ist, steht schon seit einigen Jahren fest. Doch Vertreter der Meinl Bank in Wien bestritten immer, Bestechungsgelder wissentlich weitergeleitet zu haben. 2016 hatte die Bank selbst, nachdem der Skandal medial bekanntgeworden war, eine Geldwäscheverdachtsmeldung erstattet, auch wenn sie inhaltlich nicht besonders umfangreich ausgefallen ist.

Größere Bank für internationale Transaktionen gebraucht

Schon 2017 hatten ORF und „profil“ berichtet, dass Meinl Antigua die Wiener Meinl Bank als Korrespondenzbank genutzt und über sie Transaktionen abgewickelt habe, da die Karibik-Bank keinen Zugang zum internationalen Zahlungsverkehr hatte.

Dieser Verdacht wird nun in den FinCEN-Files erhärtet – und auch deswegen dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) ihr im November 2019 per Bescheid die Bankkonzession, allerdings noch nicht rechtskräftig, entzogen haben. Die Meinl Bank nennt sich heute Anglo Austrian Bank (AAB) und ist derzeit in Abwicklung, bis Jahresende solle die Bank endgültig stillgelegt sein. Seit 2017 ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Bestechung und der Geldwäscherei. Die meisten Ermittlungen gegen die Meinl Bank wurden im Mai eingestellt – nicht so jene in Sachen Antigua.

Getrennte Einheiten?

Der frühere Meinl-Bank-CEO Peter Weinzierl bestreitet gegenüber dem „profil“ und dem ORF sämtliche Vorwürfe und betont, dass es sich bei Meinl in Wien und der Meinl Bank Antigua um „völlig getrennte Einheiten“ gehandelt habe. In Wien habe man „keine operative Kontrolle über die Aktivitäten der Meinl Bank Antigua“ gehabt. Bei den Transaktionen, die man für die Karibik-Bank abgewickelt habe, habe man keinen Verdacht gehegt. Allerdings hielt die Meinl Bank laut EZB-Beschluss an der Meinl Bank Antigua bis zum Verkauf der letzten verbliebenen Anteile im Oktober 2015 eine Sperrminorität und sei „effektiv an der Kontrolle über die Meinl Bank Antigua beteiligt“ gewesen.

Millionen via Meinl und Raiffeisen

Odebrecht hatte seine Schmiergeldzahlungen über mehrere Offshore-Firmen abgewickelt. Diese hatten Konten bei der Meinl Bank Antigua. Und die wiederum wickelten ihre Zahlungen über mehrere Korrespondenzbanken ab. Über die Meinl Bank in Wien dürften laut den FinCEN-Files mindestens 64 Millionen Dollar in 134 verdächtigen Transaktionen geflossen sein.

Zentrale der Raiffeisen Bank International
ORF.at/Christian Öser
Auch die RBI war laut den FinCEN-Dokumenten in die Causa Odebrecht verwickelt

Ebenfalls verwickelt war laut den Dokumenten auch die Raiffeisen Bank International. Zwischen Ende 2013 und 2015 sollen es hier mindestens 54 Millionen Dollar in 102 Zahlungen gewesen sein. Insgesamt sind beide Summen aber nur ein kleiner Teil der Odebrecht-Zahlungen, die über die Meinl Bank Antigua gelaufen sind: Einer der drei Direktoren der Bank, der mittlerweile als Kronzeuge geführt wird, behauptet, über Meinl Antigua sollen insgesamt 1,6 Milliarden Dollar bewegt worden sein.

Raiffeisen verweist auf Bankgeheimnis

Ob auch Raiffeisen eine Geldwäschemeldung erstattet hat, ließ die Bank auf Anfrage von ORF und „profil“ offen: Aufgrund des Bankgeheimnisses sei man nicht dazu berechtigt, „Angaben zum Bestand oder Nicht-Bestand einer Geschäftsbeziehung oder zu einzelnen Transaktionen zu machen“, hieß es zunächst von einer Sprecherin. Selbstverständlich würde die Bank „alle gesetzlichen Verpflichtungen einhalten“. Und weiter: „Wir melden Verdachtsfälle und wir beenden auch Beziehungen, wenn entsprechende Verdachtsmomente bestehen.“

Später ergänzte die RBI, dass die Meinl Bank Antigua nicht Inhaberin des Kontos gewesen sei, über das laut Verdachtsmeldung die Transaktionen gelaufen sind. Von der RBI heißt es weiter: „Die von den US-Banken gemeldeten Zahlungen haben auch einen Alarm unserer Geldwäschesysteme ausgelöst. Daraufhin haben wir sofort eine Erstanalyse durchgeführt und in der Folge derartige Zahlungen unterbunden. Nach Durchführung einer Detailanalyse haben wir die Geschäftsbeziehung mit dem betroffenen Kontoinhaber beendet.“

Kramar-Schmid (ORF) über die Aufdeckungen

Die Leiterin des Bereichs Investigative Recherche im ORF, Ulla Kramar-Schmid, sprach im Studio über die Fälle, die sie mit ihrem Team über Monate hinweg aufgedeckt hat.

Files: Mehr als eine Milliarde mit Österreich-Bezug

Odebrecht ist aber nicht der einzige Fall mit Österreich-Bezug, der sich in den FinCEN-Files findet. Insgesamt scheinen österreichische Banken mit 804 Transaktionen in den Geldwäsche-Verdachtsmeldungen auf: Die Dokumente zeigen Überweisungen in der Höhe von mehr als einer Milliarde Dollar, die ihr Ziel oder ihren Ursprung in Österreich hatten. Dokumentiert sind Transaktionen in Höhe von rund 573 Millionen Dollar, die nach Österreich geflossen sind, die Summe der Zahlungen aus Österreich belaufen sich auf rund 581 Millionen Dollar.