Kind macht einen Gurgeltest
APA/Roland Schlager
Gurgeltests an Schulen

Wien setzt auf mobile Teams

Langes Warten auf einen Coronavirus-Test und danach auf das Ergebnis, Unsicherheit und Quarantäne: Zahlreiche Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer haben diese Erfahrung schon in den ersten Schulwochen wegen eines Verdachts- oder positiven Falls in der Klasse gemacht. Wien möchte nun für solche Fälle mobile Teams einsetzen, die direkt in der Schule Gurgeltests durchführen.

Das Pilotprojekt führt die Stadt gemeinsam mit dem Bildungsministerium durch. Es wurde am Dienstag von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann und dem Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) vorgestellt. „Wir wollen, dass Testungen an Schulen und die entsprechenden Rückmeldung binnen 24 Stunden erfolgen“, so Faßmann.

Dazu soll es eine eigene Ansprechstelle geben, damit die Gesundheitshotline 1450 nicht kontaktiert werden muss. Die Schuldirektoren und -direktorinnen seien bereits aufgefordert werden, Einverständniserklärungen von unter 14-Jährigen Schülern für die Gurgeltests einzuholen.

„Fehlalarme reduzieren“

Derzeit können vier mobile Teams zum Einsatz kommen. Bei Bedarf ist eine Erweiterung auf acht Teams möglich. Sollte das in anderen Bundesländern auch gewünscht werden, könne man dort ebenfalls helfen, so Faßmann. Aber die Gesundheitsbehörden müssten von sich aus aktiv werden. Bei Verdachtsfällen kann ein Testteam samt Arzt gerufen werden. Der Vorteil des Gurgeltestverfahrens ist, dass weniger gesundheitlich geschultes Personal als bei PCR-Tests mit Rachenabstrich notwendig ist. Der einminütige Gurgeltest basiert auf einer Kochsalzlösung, mit der die Probe genommen wird. Er soll im Freien oder in großen Räumen erfolgen.

Bildungsminister Heinz Faßmann und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker
APA/Robert Jaeger
Faßmann (l.) und Hacker stellten das Gurgeltestprojekt in Wien vor

Die Proben aus der Schule werden im Labor des Vienna BioCenter bearbeitet, die formelle Befundung und der EMS-Eintrag kommen von der MedUni Wien, die Befundung erfolgt durch die Gesundheitsbehörde, skizzierte Faßmann den geplanten Ablauf. Von negativen Fällen werde die Schulleitung verständigt. Positive Fälle werden von den Gesundheitsbehörden informiert. Es gehe darum, „die vielen Fehlalarme zu reduzieren“ und Verdachtsfälle schnell abzuklären, so der Bildungsminister. Ausfälle von Lehrern sollen dadurch minimiert werden, so Faßmann. Allein in den ersten zwei Schulwochen gab es an Österreichs Schulen 455 Fälle und mit rund 3.600 achtmal so viele Verdachtsfälle.

Infektionsketten unterbrechen

Die Gurgelmethode sei gut, um schnell Proben zu gewinnen, sagte auch die Virologin Monika Redlberger-Fritz. Kinder spielten bei der Ausbreitung von CoV „keine so große Rolle“, aber infizierte Kinder könnten das Virus weitergeben: „Jede Infektionskette muss so gut wie möglich unterbrochen werden. Das funktioniert nur mit einer schnellen Testung.“

Das zeigt sich auch in Wien. Es gebe derzeit in Wien 350 Cluster, so Hacker: „In Wien gab es aber bisher noch nie ein Cluster, in dem eine Schule oder ein Kindergarten Zentrum davon gewesen sind.“ Kinder erkrankten weniger an Covid-19, weil sie dafür weniger empfänglich seien, so Redlberger-Fritz. Das liege einerseits daran, dass sie weniger dieser Rezeptoren haben, an die das Virus andocken könne. Andererseits hätten Kinder ein anderes Immunsystem. Redlberger-Fritz: „Sie haben lokal so eine gute Abwehr, dass die Infektion lokal abläuft und nicht in die Bronchien und die Lunge geht. Daher haben Kinder auch eine geringere Symptomatik.“

Coronavirus-Fälle an Schulen

Immer mehr Coronavirus-Fälle werden aus den Schulen gemeldet, die im Westen seit einer und in Ostösterreich seit zwei Wochen offen sind. Allerdings wird an fast jeder Schule mit Verdachtsfällen anders umgegangen, betroffene Eltern und Lehrpersonen schwanken zwischen Verwirrung, Verärgerung und stellenweise Verzweiflung.

Faßmann vor drei Wochen „noch skeptisch“

Dieses zunächst für drei Wochen angelegte, aber verlängerbare Projekt sei zu Schulbeginn noch nicht möglich gewesen, weil erst jetzt alle notwendigen Zertifizierungen für den Gurgeltest vorlägen, so Hacker. Denn als Grundlage für ein eventuelles Behördenverfahren – sprich die Verhängung einer Quarantäne – müsse ein Testverfahren „niet- und nagelfest“ sein. Der Bildungsminister sagte ebenfalls, dass die Einsatzfähigkeit des Testkonzepts erst jetzt ausgereift genug sei: „Drei Wochen zuvor wäre ich noch skeptisch gewesen.“

Die Gurgelmethode sei auch ein PCR-Test, nur mit einer anderen Form der Probenabnahme, sagte der Virologe Norbert Nowotny gegenüber ORF.at. Er sei aber genauso zuverlässig, wie zahlreiche Studien belegen: „Der Gurgeltest reicht definitiv aus, auch wenn er minimal weniger empfindlich ist als ein Nasen- oder Rachenabstrich.“ Zudem werde immer ein bestimmtes Gen mit der Probe mituntersucht, so Nowotny. Ist davon ausreichend vorhanden, wurde die Probe richtig abgenommen, so der Virologe.

Suche nach neuen Testverfahren

Abseits der mobilen Teams bereite Wien gerade 600.000 Gurgeltestkits vor, die in Schulen und Kindergärten zur Verfügung stehen sollen, kündigte Hacker an. Nach dem grünen Licht der Gesundheitsbehörde könnten an Schulen dann eigenständig Testproben genommen werden. Dann seien die mobilen Teams nur die Übergangsphase. Und es werde an weiteren Testmöglichkeiten gearbeitet, so Hacker. Ab Donnerstag soll ein neues Testverfahren in einem Bus ausprobiert werden.

Hacker: „Mit diesem Gerät können bis zu 48 Tests innerhalb von einer Stunde gleichzeitig analysiert werden. Der Clusterbus soll die mobilen Teams ergänzen.“ Der Kinderarzt Peter Voitl hatte eine eigene CoV-Hotline für Kinder gefordert – mehr dazu in wien.ORF.at.

Empfehlungen noch nicht umgesetzt

Die Absonderung ganzer Klassenverbände und ihrer Lehrer sorgte bereits in den ersten Schulwochen für Chaos und Sorge wegen fehlenden Betreuungspersonals, wenn zu viele Lehrer auf einmal in Quarantäne sind. Das Gesundheitsministeriums empfahl vergangene Woche, dass eine automatische Absonderung der gesamten Klasse bzw. Gruppe bei nur einem positiven Fall bei Kindern unter zehn Jahren für „nicht notwendig erachtet“ wurde. Bei weiteren positiv Getesteten sollte die zuständige Gesundheitsbehörde entscheiden.

Diese Empfehlung sei aber noch von keiner Gesundheitsbehörde umgesetzt, hieß es bei der Pressekonferenz. Die Wiener Gesundheitsbehörde sei derzeit dabei, mit der Bildungsdirektion Richtlinien zu erarbeiten, die „leicht verständlich und für den Alltag tauglich“ seien, so Hacker. „Wir werden den Stand der Wissenschaften einarbeiten, und da gehört auch die Empfehlung des Gesundheitsministeriums dazu.“ Diese Richtlinien sollen in wenigen Tagen vorliegen.

Monitoringprojekt startet Ende September

Ende September soll zudem das bereits angekündigte Monitoringprojekt des Bildungsministeriums in Kooperation mit Universitäten starten. Alle drei, vier Wochen werden 15.000 zufällig ausgewählte Schüler und 1.200 Lehrer an 250 Schulen über ganz Österreich verteilt getestet werden. Faßmann will damit ein Verbreitungsmuster erhalten: „Je mehr Aufklärung wir über das Coronavirus haben, desto rationaler können wir damit umgehen.“

Rendi-Wagner sieht Schlüssel bei Antigen-Tests

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht im Einsatz von Antigen-Tests den Schlüssel für den Umgang mit der Pandemie. Diese seien mittlerweile gut entwickelt und brächten in 30 Minuten Ergebnisse. Dabei wird ein Abstrich aus dem Mund- oder Nasen-Rachen-Raum genommen und auf einen Teststreifen aufgetragen. Das Ergebnis ist nach kurzer Zeit ablesbar. Der PCR-Test sei der „Goldstandard“ unter den Tests, so auch Rendi-Wagner. Er habe aber den Nachteil, dass er aufwendig ist. Die Auswertung könne Tage dauern.

Verärgert über die Ankündigungen Faßmanns zeigte sich SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid. Faßmann habe „den Sommer verschlafen“. Sie habe bereits vor sechs Wochen ein Konzept für einen sicheren Schulbetrieb vorgelegt. Die nun eingeführten Maßnahmen seien „reichlich spät“.

Lob von NEOS, Kritik von FPÖ

Der FPÖ-Parlamentsklub bezeichnete die Teststrategie an Wiener Schulen als „sinnlose Massentests“ und „reinen Aktionismus“. Die FPÖ Wien hingegen meinte, dass mit den präsentierten Gurgeltests Faßmann „zwar einen Teil der FPÖ-Forderungen erfüllt“ habe, aber „nur unzureichend und halbherzig“. NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre zeigte sich „froh“, dass der NEOS-Vorschlag nun zumindest in Wien umgesetzt werde. Sie forderte andere Bundesländer auf, nachzuziehen.