Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden
Reuters/Mike Segar
„NYT“ zu Trumps Steuern

Biden bringt sich für TV-Debatte in Stellung

Die Enthüllungen der „New York Times“ („NYT“) zu den Steuerunterlagen von US-Präsident Donald Trump bringen zusätzlichen Sprengstoff in die mit Spannung erwartete erste TV-Debatte zur US-Präsidentschaftswahl. Am Dienstagabend (Ortszeit) stehen die beiden Kandidaten, Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden, einander gegenüber. Für Biden bringen die „NYT“-Recherchen neue Chancen.

Biden nahm bisher noch nicht direkt Stellung zu dem „NYT“-Bericht. Aber während die Republikaner auffallend ruhig sind zu Trumps Steuerverhalten, brachten sich die Demokraten bereits in Stellung und griffen das Thema für den Wahlkampf auf. Für Biden gibt es die Möglichkeit, nun erneut Fragen nach dem Steuergebaren und potenziellen Interessenkonflikten von Trump zu stellen. In nationalen Umfragen liegt Biden derzeit vor Trump.

Für die demokratische Vorsitzende im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, sind die Berichte über Trumps Steuerumgehung und Schulden eine Beleidigung der arbeitenden Familien Amerikas und eine „Frage der nationalen Sicherheit“. Die Bevölkerung habe ein Recht zu wissen, wem der Präsident Geld schulde.

Die demokratische Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi
APA/AFP/Getty Images/Liz Lynch
Für Pelosi sind die von der „NYT“ angesprochenen Schulden Trumps eine „Frage der nationalen Sicherheit“

Pelosi verwies darauf, dass Kandidaten für Regierungsjobs in den USA auf ihre Verschuldung hin geprüft würden. „Das ist ein wichtiger Faktor, weil das bedeutet, dass jemand auf die Einfluss nehmen könnte“, sagte sie am Montag im TV-Sender MSNBC. Es sei wichtig zu wissen, wer die Gläubiger seien, betonte Pelosi mit Blick auf die Informationen zu Trumps Schulden in dem Bericht. "Sind es verschiedene Länder? Wie weit gehen ihre Einflussmöglichkeiten?

Sticker zu Trumps Steuern

Der Führer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, bat die Amerikaner via Twitter, die Hand zu heben, wenn sie mehr an Bundeseinkommenssteuer bezahlt hätten als Trump. Kate Bedingfield, eine Wahlkampfmanagerin des demokratischen Präsidentschaftskandidaten, sagte dem TV-Sender CNN, der Bericht untermauere den Eindruck, dass Trump auf arbeitende Menschen herabschaue.

Bidens Wahlkampfteam startete auf seiner Seite zudem prompt den Verkauf von Stickern, auf denen steht: „Ich habe mehr Einkommensteuer bezahlt als Donald Trump.“ Der Bericht eröffnet Biden auch eine neue Angriffsfläche in der ersten Präsidentschaftsdebatte. In einem Video verglich Bidens Team die von Trump bezahlten Einkommensteuern von 750 US-Dollar mit den Steuerleistungen anderer Arbeitskräfte in den USA.

Enthüllung kratzt an Trumps Image

Die Unterlagen der „NYT“ geben keine Hinweise auf Verbindungen Trumps zu Russland. Sie bergen aber Hinweise, dass Trumps Geschäfte nicht so rosig dastehen wie angenommen. Darauf spielte auch der demokratische Senator Dick Durbin an. Es sei nun klar, warum Trump seine Steuerunterlagen geheim halte: „Dieses angebliche Geschäftsimperium eines Milliardärs ist ein Kartenhaus.“

Das kratzt am Image Trumps, der sich vor seinen Anhängern und Anhängerinnen gerne als erfolgreicher Geschäftsmann positioniert. Trump hatte im Wahlkampf 2016 stark auf sein Image als angeblicher Selfmade-Milliardär gesetzt, der durch seine frühere Reality-Show „The Apprentice“ weite Bekanntheit erlangt hatte.

Laut den „NYT“-Recherchen haftet Trump persönlich für Kredite in Summe von 421 Mio. Dollar. Davon werden Kredite im Umfang von 300 Mio. Dollar in den nächsten vier Jahren auslaufen, also während seiner zweiten Präsidentschaft, sollte Trump am 3. November wiedergewählt werden. Seine Gläubiger könnten damit in die „noch nie da gewesene Situation kommen, dass sie überlegen müssen, ob sie an einem amtierenden Präsidenten die Zwangsvollstreckung vollziehen“, so die „New York Times“, auch wenn ein solches Szenario nicht sehr wahrscheinlich klingt.

Golfresort bat um Stundung von Kreditraten

Die Unternehmen, für die sich Trump hier am meisten verschuldete – das Doral Golf Resort in Florida und das Trump Hotel in Washington – stehen finanziell nicht gut da, was die Bereitschaft von Gläubigern, den Kredit zu verlängern, mindern könnte.

Politikwissenschaftlerin über Steuerakt Trump und ihre Folgen

Kann die Geschichte um seinen Steuerakt Donald Trump im Wahlkampf gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden schaden? Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmueller (Brookings Institution) antwortete in der ZIB2.

Dazu hänge der seit Jahren laufende Streit mit der Finanzbehörde, in dem Trump die Zahlung von fast 73 Mio. Dollar droht, wie ein Damoklesschwert über dem Präsidenten. Dazu kommen die angesichts der Coronavirus-Pandemie allgemein düsteren Wirtschaftsaussichten – und damit drohende Verluste etwa aus der Vermietung von Geschäftsflächen in Trumps Immobilien. Das Golfresort Doral bat die Deutsche Bank heuer bereits um eine Stundung der Kreditraten.

„NYT“: Legaler Zugang zu Dokumenten

Die „NYT“ veröffentlichte keine Originalunterlagen und erklärte das damit, dass sie ihre Quelle schützen wolle. Sie betonte lediglich, ihre Quelle habe legalen Zugang zu den Dokumenten gehabt. Das Vorgehen der Zeitung ist journalistisch üblich: So können ausgedruckte Unterlagen für das menschliche Auge unsichtbare digitale Wasserzeichen enthalten, die einem bestimmten Drucker zugeordnet werden.

Hatte Trump die Recherchen der Zeitung zunächst als völlige „Fake-News“ bezeichnet, wechselte er später die Argumentation. Er beschuldigte die Zeitung, den Bericht auf illegal erlangte Informationen über seine Finanzen gestützt zu haben. Die „NYT“ dementierte das.

Trump Jr. springt für Vater in die Bresche

Trump weigerte sich bisher stets, seine Steuererklärung zu veröffentlichen. Seit einem Skandal um Richard Nixon entwickelte sich das zur Tradition bei US-Präsidenten. Eine Zeitung hatte 1973 berichtet, dass Nixon 1970 lediglich 792,91 Dollar Einkommensteuer gezahlt hatte – Trumps 750 Dollar sind auch vom Betrag her auf Nixons Niveau.

Trumps Weigerung hatte stets für Spekulationen darüber gesorgt, ob er etwas zu verbergen habe. Eine dieser Spekulationen ging in die Richtung, der Präsident wolle verschleiern, dass er als Geschäftsmann bei Weitem nicht so erfolgreich war wie von ihm behauptet.

TV-Hinweis

ORF2 überträgt die erste TV-Debatte in der Nacht auf Mittwoch ab 2.55 Uhr live.

Trumps Sohn Donald Trump Jr. bestritt am Montag keine Angaben aus dem „NYT“-Artikel, kritisierte aber, dass die Zeitung selektiv Informationen ausgewählt habe. Der Bericht lasse Eigentumssteuern, Sozialabgaben und Immobiliensteuern aus – „so viele Dinge, für die er schon immer Steuern bezahlt hat, während er Tausenden und Tausenden Leuten Arbeitsplätze schafft“.