Präsident Donald Trump in einem Auto sitzend mit Makse und Daumen hoch
AP/TonyPeltier
„Das ist Irrsinn“

Trump entsetzt mit Kurztrip aus Spital

Seit Tagen wird US-Präsident Donald Trump wegen seiner Covid-19-Erkrankung stationär behandelt. Am Sonntag (Ortszeit, Montagfrüh MESZ) sorgte er für Kopfschütteln: Trump verließ das Militärspital Walter Reed in Washington, um sich Anhängerinnen und Anhängern zu zeigen – er ließ sich in einem schwarzen SUV herumfahren und winkte seinen Fans zu. Ärzte und Demokraten zeigten sich schockiert.

Trump trug im Inneren des Autos, in dem mindestens zwei weitere Personen saßen, eine Maske. In einem zuvor aufgenommenen Video, das Trump später auf Twitter veröffentlichte, kündigte er den „kleinen Überraschungsbesuch“ bereits an. Er lobte die „großartigen Patrioten“ außerhalb des Spitals. Nach der kurzen Fahrt kehrte Trump in die Klinik zurück. In dem Video sagte Trump, „viel“ über die Krankheit gelernt zu haben. Was er durchmache, sei „die wahre Schule“ und eine „sehr interessante Sache“.

Mediziner zeigten sich unterdessen entsetzt über Trumps Auftritt. Das Risiko einer CoV-Ansteckung in dem Auto sei hoch, sagte James Phillips, Arzt im Walter-Reed-Militärspital, in dem Trump stationär aufgenommen ist. „Jede einzelne Person im Fahrzeug muss nach diesem völlig unnötigen Vorbeifahren des Präsidenten für 14 Tage unter Quarantäne gestellt werden“, sagte Phillips.

„Von Trump befohlen, Leben zu riskieren“

Der Arzt zeichnete mögliche Szenarien: „Sie (die anderen Personen im Fahrzeug, Anm.) könnten krank werden. Sie könnten sterben. Wegen politischen Theaters. Von Trump dazu befohlen, ihr Leben für ein Schauspiel zu riskieren. Das ist Irrsinn.“ Judd Deere, der Sprecher des Weißen Hauses, sagte, vor der Fahrt seien „angemessene Vorkehrungen getroffen worden“, um den Präsidenten und die ihn unterstützenden Personen zu schützen. „Die Fahrt wurde vom medizinischen Team als sicher bewertet“, sagte er.

Ärzteerlaubnis für Fahrt „absurd“

Der demokratische Senator Brian Schatz beschuldigte Trump, seine eigenen Sicherheitsleute zu gefährden: „Sie sind sich des mit dem Job verbundenen Risikos bewusst, aber das Risiko sollte nicht von der zu schützenden Person ausgehen.“

„Eine wirkliche Demonstration der Stärke ist es, ein wahres Verständnis für die Schwere der Pandemie zu zeigen“, schrieb der US-Historiker Julian Zelizer auf Twitter und warf Trump vor, Menschen für seinen eigenen Vorteil unnötig in Gefahr gebracht zu haben. Der Arzt und Wissenschaftler Eric Topol nannte es „absurd“, dass die Ärzte die Fahrt erlaubt hätten. Trotz des Optimismus der Mediziner habe man beim Coronavirus oft einen steilen Absturz des Zustands des Patienten sieben bis zehn Tage nach den ersten Symptomen erlebt. Der Optimismus könnte verfrüht sein.

Bisher keine neuen Infos zu Gesundheitszustand

Mit dem wenige Minuten dauernden Auftritt wollte Trump offenbar auch Gerüchte zerstreuen, dass sein Gesundheitszustand zwischenzeitlich deutlich schlechter war als vom Weißen Haus dargestellt. Bisher gibt es keine neuen Informationen zu Trumps Gesundheitszustand und dazu, ob eine Entlassung aus dem Krankenhaus bevorstehen könnte.

16 Tweets binnen 30 Minuten

Trump setzte in der Früh innerhalb von 30 Minuten 16 Tweets ab, in denen er für seine Wiederwahl am 3. November warb. Trumps Leibarzt Sean Conley sagte am Sonntag, der Zustand des Präsidenten habe sich „weiter verbessert“. Womöglich könne der 74-Jährige bereits am Montag aus dem Krankenhaus entlassen werden.

Die Behandlung könnte dann im Weißen Haus fortgesetzt werden, sagte Brian Garibaldi, einer der Mediziner, die Trump derzeit behandeln. Leibarzt Conley hatte vor Garibaldis Statement gesagt, der Gesundheitszustand des Präsidenten habe sich am Sonntag weiter verbessert. Wie bei jeder Krankheit gebe es aber Höhen und Tiefen, sagte Conley vor dem Walter-Reed-Krankenhaus.

Trump werde nun mit Dexamethason behandelt, einem entzündungshemmenden Steroidmedikament, das zur Behandlung schwerer CoV-Fälle verwendet werde, sagte Conley. Außerdem erhalte der Präsident weiterhin das Mittel Remdesivir, das die Vermehrung des neuartigen Coronavirus verhindern soll.

Probleme mit der Sauerstoffsättigung

Nach zuletzt widersprüchlichen Informationen über Trumps Zustand der vergangenen Tage erklärten die Ärzte am Sonntag, Trump habe am Donnerstag und am Freitag Sauerstoff zugeführt und auch das Mittel Dexamethason verabreicht bekommen. Dieses erhöht Studien zufolge die Überlebensrate von klinischen Covid-19-Patienten, die Sauerstoff benötigen. Bei milden Verläufen soll es hingegen nicht verabreicht werden.

Trump hatte in der Nacht auf Freitag mitgeteilt, dass er und seine Frau Melania positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Freitagabend wurde Trump ins Krankenhaus gebracht. Am Samstag hatten Conley und sein Team bei einer Pressekonferenz ein positives Bild vom Zustand Trumps gezeichnet. Kurz nach Ende der Pressekonferenz erfuhren Reporter von Trumps Stabschef Mark Meadows, dass die Werte des Präsidenten in den vergangenen 24 Stunden „sehr besorgniserregend“ gewesen seien und die nächsten 48 Stunden entscheidend sein würden.

Weißes Haus verspricht Transparenz

Das Weiße Haus versprach am Sonntag Transparenz. „Das ist eine dynamische Lage, wie Sie wissen. Wir bemühen uns, so transparent wie möglich für die amerikanische Öffentlichkeit zu sein“, sagte Sprecherin Alyssa Farah dem Sender Fox News. Das Weiße Haus habe die Informationen der Ärzte ergänzen wollen, damit die Öffentlichkeit alle Fakten kenne.

Conley habe am Samstag ein „akkurates Update“ zu Trumps Zustand gegeben. Meadows’ Aussagen hätten widergespiegelt, dass die Lage am Freitag „etwas besorgniserregender“ gewesen sei, sagte Farah. „Wir wissen, dass er noch nicht über den Berg ist, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass sich sein Zustand verbessert.“

Pelosi: Werde nicht über Trumps Zustand gebrieft

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, gab unterdessen bekannt, bisher nicht direkt über Trumps Gesundheitszustand unterrichtet worden zu sein. „Wir bekommen unsere Informationen genau wie alle anderen auch, über die Medien“, sagte sie am Sonntag (Ortszeit) dem Fernsehsender CBS.

Pelosi steht in der US-Hierarchie an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten. „Wir beten für seine gute Gesundheit, für seine schnelle Genesung. Aber ich hoffe, es wird ein Signal sein, dass wir wirklich mehr tun müssen, die Ausbreitung des Virus zu verhindern“, sagte sie zu Trumps Erkrankung.

Bericht: Trump zögerte vor Einlieferung in Spital

Nach Informationen des Senders CNN habe Trump am Freitag zunächst gezögert, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen. Unter Berufung auf informierte Kreise berichtete CNN in der Nacht zum Sonntag, Trumps Berater hätten ihn im Weißen Haus erst davon überzeugen müssen, an Bord des Hubschraubers Marine One zu steigen.

Als politischer Führer der USA müsse er „an vorderster Front“ sein: „Ich kann nicht in einem Raum im obersten Stock eingeschlossen und total in Sicherheit sein“, sagte der US-Präsident. „Als ein Anführer muss man Problemen die Stirn bieten. Es gab noch nie einen großen Anführer, der das getan hätte.“ Trumps Äußerung war von Beobachtern zunächst so interpretiert worden, dass er damit sein Verhalten im Umgang mit dem Coronavirus rechtfertigte, zu dem Wahlkampf-Großveranstaltungen und ein weitgehender Verzicht auf das Tragen von Schutzmasken gehörten.

Donald Trump im Walter-Reed-Krankenhaus
Reuters/The White House/Joyce N. Boghosia
Das Weiße Haus hat Fotos veröffentlicht, die Trump im Krankenhaus bei der Arbeit zeigen sollen

Das Weiße Haus veröffentlichte indes zwei Fotos von Trump, die ihn bei der Arbeit vom Krankenhaus aus zeigen. Auf den Bildern ist Trump beim Bearbeiten von Unterlagen zu sehen: Einmal im Anzug ohne Krawatte sitzend an einem runden Schreibtisch, auf dem auch Akten zu sehen sind, einmal im weißen Hemd am Kopf eines langen Konferenztisches, in Dokumenten blätternd. Auf einem der beiden Fotos scheint der Präsident am gleichen Schreibtisch zu sitzen, von dem aus er zuvor auch eine Videobotschaft veröffentlicht hatte.

Trump bereits am Mittwoch positiv?

Auf Twitter wurde auch über die Frage spekuliert, seit wann Trump von seiner Infektion wusste. Denn laut Conleys Aussagen von Samstagvormittag (Ortszeit), seien mittlerweile 72 Stunden vergangen, berichtete die „New York Times“-Journalistin Maggie Haberman. Öffentlich gemacht worden sei die Infektion aber erst vor 36 Stunden. Stimmt die Angabe von 72 Stunden, so wusste Trump bereits Mittwochfrüh von seiner Infektion – also bevor er am Mittwochabend und Donnerstagnachmittag in Minnesota und New Jersey Spender traf.

Da Trump nach seiner Infektion vorerst als Wahlkämpfer ausfällt, sollen seine Kinder und Vizepräsident Mike Pence für ihn einspringen. Trumps Wahlkampfteam rief dafür am Wochenende die „Operation MAGA“ aus – in Anlehnung an das Motto „Make America Great Again“, mit dem es Trump vor vier Jahren ins Weiße Haus geschafft hatte.

Donald Trump im Rose Garden vor Publikum
APA/AFP/Getty Images/Chip Somodevilla
Trump bei einer Veranstaltung im Rosengarten des Weißen Hauses am 26. September: Zahlreiche Zuhörer sitzen ohne Maske da

Senatssitzungen von Cluster um Trump betroffen

Mittlerweile werden auch in Trumps Umfeld immer mehr CoV-Infektionen bekannt. In den Tagen vor seinem positiven CoV-Test ist Trump viel gereist, er hielt sich in der Nähe Dutzender Menschen auf. Insbesondere die Präsentation der Höchstrichterkandidatin Amy Coney Barrett im Rosengarten des Weißen Hauses vor einer Woche rückt ins Zentrum der Suche nach einem offensichtlichen Covid-19-Cluster im Weißen Haus. Bei mehreren Anwesenden fiel der Test positiv aus.

Der Mehrheitsführer im Senat, der Republikaner Mitch McConnell, kündigte am Montag eine Tagungspause bis zum 19. Oktober an. Das droht nun unter anderem auch die Verabschiedung neuer Hilfen für die Pandemie zu verzögern.