Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Hans Punz
Wenn die Wien-Wahl vorüber ist

Anschober hofft auf „Teamstimmung“

Bei der Pressekonferenz der Ampelkommission am Freitag hat sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zum Coronavirus-Geplänkel vor der Wien-Wahl geäußert. Anschober sagte, er arbeite bestens mit der Stadt Wien zusammen, und hoffe „ab Montag wieder auf gemeinsame Teamstimmung“. Der am Donnerstag durch Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) angekündigte Ausstieg Wiens aus dem Coronavirus-Krisenstab blieb doch aus.

Er rechne mit „keinen Überraschungen nach der Wien-Wahl“, was die Anzahl der Treffen und Inhalte der Ampelkommission anbelange, so Anschober. Ein normaler Rhythmus der Treffen dieser Expertenkommission solle eingehalten werden. Eine Sondersitzung nach der Wien-Wahl soll es nicht geben. Zuvor hatte es einen Konflikt zwischen dem unter der Ägide des ÖVP-geführten Innenministeriums organisierten Krisenstab SKKM und Wiens SPÖ-Gesundheitsstadtrat Hacker gegeben. Hacker wollte erst nicht mehr am Krisenstab teilnehmen, ruderte dann aber zurück und nahm am Freitag doch teil, „um die Missverständnisse in den Aussendungen des Innenministeriums aufzuklären“.

„Uns betrifft das überhaupt nicht“, sagte Anschober am Freitag und betonte erneut, dass der Krisenstab des Innenministeriums und die Ampelkommission zwei unterschiedliche Gruppen seien. „Ich stehe mit Wien in guter Kooperation“, sagte der Gesundheitsminister. „Das Verhalten der Stadt Wien in der Kommission ist ein sehr engagiertes.“ „Begleitgeräusche“, die es am Donnerstag gegeben hatte, würden wieder einfacher werden nach der Wien-Wahl, kündigte Anschober zuversichtlich an: „Einfachere Botschaften, die besser aufeinander abgestimmt sind.“

Gesundheitsminister Anschober: „Lage weiter angespannt“

Man habe verschiedene Pläne für weiter Coronavirus-Maßnahmen in den Schubladen, sollte sich die Situation weiter zuspitzen, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Welche Pläne das seien, wollte er aber nicht sagen.

Der Gesundheitsminister appellierte an die Bevölkerung, sich wieder strenger an die Maßnahmen gegen das Coronavirus zu halten – allen voran, Kontakte eigenverantwortlich wieder mehr einzuschränken und aufeinander zu achten. Jene „Teamstimmung“, die er sich in der Bevölkerung wünsche, erwarte er jedenfalls auch von der politischen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, so Anschober.

„Von keiner politischen Intervention gehört“

Anschober ging auf den Unterschied zwischen SKKM und Kommission ein: Das SKKM sei eine „gewachsene Krisenstruktur“, die geschaffen worden sei, damit sich die unterschiedlichen Ministerien koordinieren und Informationen zusammentragen könnten – eine Art „Drehscheibe“ also, so der Gesundheitsminister. Die Ampelkommission hingegen ist ein Expertengremium mit Ulrich Herzog an der Spitze, tätig im Gesundheitsministerium. Zuletzt hatte es zwei prominente Abgänge in der Ampelkommission gegeben. Die Wiener Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl und der Tiroler Infektiologe Günter Weiss haben das Expertengremium verlassen. Die neuen Mitglieder sind die Virologen Franz X. Heinz und Marton Szell.

Kommissionsvorsitzender Herzog versicherte indes, dass es trotz diverser Medienberichte darüber keinerlei politische Einflussnahme auf die Ampelkommission gebe, die entscheidet, welche Bezirke welche Farbe bzw. Warnstufe in der Pandemie bekommen. Hierbei hatte es am Donnerstag einige zusätzliche Orangeschaltungen gegeben. „Da kann ich sie beruhigen, das kann ich voll und ganz ausschließen. Ich habe von keiner politischen Intervention gehört“, so Herzog. „Da würde sich niemand etwas Gutes damit tun.“

Hacker: „Überinterpretation“

Nach der Sitzung des SKKM sagte Hacker unterdessen zur APA, es habe „nie Zweifel gegeben“, dass Wien nicht austreten werde. Das sei eine „Überinterpretation“ seiner Aussagen am Donnerstag gewesen, so der Gesundheitsstadtrat aktuell. „Die Frage, ob wir überhaupt in dieser Kooperation bleiben oder nicht, darüber hat es ja nie einen Zweifel gegeben. Ich habe nur aufgejault, dass unter dem Titel dieses Stabes Zahlen an die Öffentlichkeit gekommen sind, die grottenfalsch waren“, wiederholte Hacker seine Kritik von Donnerstag. Das sei der Auslöser des Ärgernisses gewesen: „Deswegen habe ich gesagt, hier wird offensichtlich mehr Wahlkampf betrieben als tatsächlich an der Bekämpfung der Pandemie gearbeitet.“

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker
APA/Hans Punz
Hacker ließ Donnerstagabend aufhorchen

Die mediale Darstellung, dass Wien aus dem Krisenstab aussteige, blieb am Donnerstag jedenfalls seitens des Rathauses unwidersprochen und zog harsche Kritik seitens Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sowie der Oppositionsparteien nach sich. Am Abend äußerte sich auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) insofern dazu, als er ankündigte, Hacker werde an der Gremiensitzung am Freitag teilnehmen – mehr dazu in wien.ORF.at. Ob der Stadtrat von seinem Chef nicht vielmehr zurückgepfiffen wurde? „Wir sind ein Team, das die Dinge miteinander bespricht und Entscheidungen trifft. Das hat nichts mit Hinpfeifen, Herpfeifen, Vorpfeifen, Zurückpfeifen zu tun. Es wurde überinterpretiert, was ich gesagt habe. Ich habe gesagt, es braucht eine Abkühlphase. Dass die Abkühlphase nur bis heute gedauert hat, freut mich natürlich.“

Ludwig in der ORF-„Elefantenrunde“

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte Donnerstagabend an, Wien werde im Krisenstab bleiben.

Hacker und Nehammer kalmieren

Er fühle sich nach dem Treffen des Stabes, an dem auch Nehammer selbst teilnahm, jedenfalls bestärkt, dass hier nachjustiert gehöre, um das Berichtswesen „wieder auf eine ordentliche und effiziente Schiene zu bringen“. Insofern sei er froh, dass es dazu mit den Landesräten und dem Gesundheitsminister spätestens am Montag ein Treffen geben werde. Hacker bezeichnete die Aufregung über das Fernbleiben Wiens am Donnerstag als „skurril“. „Wir haben Landeshauptleutesitzungen gehabt, da saßen genau zwei Landeshauptleute drinnen – nämlich aus Wien und Kärnten. Da hat sich keiner aufgeregt.“

Im Innenministerium zeigte man sich offenbar erfreut darüber, dass Wien dem Gremium weiterhin beiwohnen wird. „Eine Pandemie kann nur durch gemeinsame und abgestimmte Maßnahmen zwischen den Ländern, den Einsatzorganisationen und den Bundesministerien eingedämmt werden. Dieses gemeinsame Ziel verfolgen wir im gesamtstaatlichen Koordinationsstab“, so Nehammer in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. Wien sei als Bundeshauptstadt und einwohnerstärkstes Bundesland „ein wesentlicher Akteur“ in der gesamtstaatlichen Krisenkoordination.

„Personalressourcen in Sitzungen vergeudet“

Am Donnerstag hatte Hacker die Entscheidung, keine Vertreter mehr in den Krisenstab zu schicken, unter anderem mit den neuen Zeitabläufen begründet. So hat die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ihr Berichtswesen zu den Infektionszahlen umgestellt. Die Statistik (Dashboard) wird nunmehr täglich um 14.00 Uhr aktualisiert.

Die Sitzung des im Innenministerium angesiedelten Krisenstabs finde um 9.00 Uhr statt – für Hacker mitten im Tagesablauf, „wo wir die Vorbereitungen machen müssen, damit um 14.00 Uhr ordentliche Daten zur Verfügung stehen. Ich halte nichts davon, unsere Personalressourcen in Sitzungen zu vergeuden, statt in die Analyse zu investieren.“

Darüber hinaus bezeichnete Hacker das Innenministerium als „Propagandaministerium“: „Es kommen jetzt jeden Tag irgendwelche Falschmeldungen, irgendwelche Falschstatistiken raus. Das ist wirklich mühsam. Und ich möchte, dass sich meine Mitarbeiter nicht den ganzen Tag beschäftigen mit der Falsifizierung von Falschmeldungen, sondern ihren Job machen.“

Kritik an dem Schritt Wiens war postwendend von Nehammer gekommen. Mehrere Mitglieder des Einsatzstabes hätten im Krisenstab Informationen mit der Stadt Wien austauschen wollen und hätten nicht die Gelegenheit dazu gehabt: „Das hemmt die gemeinsame Arbeit im Kampf gegen das Virus vor allem im Bereich des Contact-Tracing.“

Keine einheitliche Datenkommunikation

Seit Monaten werden von der Bundesregierung täglich unterschiedliche Zahlen und Daten zur Entwicklung der Pandemie veröffentlicht. Am Dienstag gab es mit dem Wechsel des Dashboards zur AGES den Versuch einer Vereinheitlichung der Datenlage – das Gros der Daten wird nur noch einmal und zum gleichen Zeitpunkt – 14.00 Uhr – publiziert. Das soll die Daten leichter und besser vergleichbar machen und eine klare Zeitreihe entstehen lassen.

Die Zeitreihe – etwa über sieben Tage – gilt unter Fachleuten ohnehin als viel aussagekräftiger als Tageswerte. Einzelne Mängel, etwa der 24-Stunden-Vergleich „laborbestätigter Fälle“, will die AGES demnächst beheben. Aber trotz des neuen Dashboards werden weiterhin vom Krisenstab am Vormittag – nicht maschinenlesbar – andere Zahlen, die freilich zu diesem Zeitpunkt aktueller sind, publiziert. Viele andere Staaten haben seit Monaten eine zentrale Stelle, die die Coronavirus-Zahlen bekanntgibt bzw. das Datenset zur Verfügung stellt.