Gesundheitsminister Rudolf Anschober
ORF
Anschober

Neue CoV-Maßnahmen demnächst möglich

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) signalisiert eine Verschärfung der bundesweiten Maßnahmen zum Schutz gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Man erarbeite diese zur Zeit, sagte er am Donnerstag in der ZIB2. Gefragt nach dem Zeitpunkt, sagte er: „Ich würde nicht ausschließen, dass das schon in den kommenden Tagen sein könnte.“

Die Situation sei in ganz Europa „besorgniserregend“, auch in Österreich. „Wir setzen unseren Fokus auf regionale Maßnahmen“, so der Minister mit Blick auf Salzburg und Tirol. Diese neuen regionalen Maßnahmen seien „punktgenau“. Bundesweite Maßnahmen seien dann eine „gute zweite Schiene“. Man sei derzeit am Evaluieren.

Die Stärke der CoV-Ampel sei es, regional handeln zu können. Anschober begrüßte, dass von vielen Ländern verstärkt Maßnahmen auf Basis der erhöhten Risikobewertung für einzelne Regionen gesetzt werden, damit würden die neuen Möglichkeiten des Covid-19-Maßnahmengesetzes und der Ampel genützt. Vorarlberg und Niederösterreich hätten es bereits vorgemacht, andere wie Oberösterreich würden am Freitag folgen „und noch einmal regional nachschärfen“.

„Brauchen gemeinsame Teamstimmung“

„Das geht in die richtige Richtung“, sagte Anschober. Dem Appell von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), regional die Maßnahmen zu verschärfen, schließe er sich an. Es gelte, eine Überlastung der Spitäler zu verhindern. Noch stehe Österreich bei einer Gesamtauslastung von unter 20 Prozent aber bundesweit relativ gut da.

„Ziel sind punktgenaue regionale Maßnahmen“

Zum ersten Mal sind in Österreich Bezirke auf der Coronavirus-Ampel auf Rot gestellt worden. Gesundheitsminister Rudolf Anschober erklärt, wie ernst die Lage ist.

Das Entscheidende sei, dass vor allem die Bevölkerung mitmacht, sagte Anschober. Salzburgs Landeshauptmann Wilfrid Haslauer (ÖVP) habe ihm erzählt, dass einzelne wenige in Hallein sich nicht an die Vorgaben halten würden. „Wir brauchen die gemeinsame Teamstimmung, die wir im Frühling hatten“, setzte der Minister dagegen und appellierte, Mindestabstände, Hygienemaßnahmen und Mund-Nasen-Schutz-Vorgaben einzuhalten und keine Partys zu feiern.

„30 Prozent weniger Kontakte heißt 50 Prozent weniger Infektion“, so Anschober. Derzeit hätten regionale Maßnahmen Priorität, „aber ja, wir werden auch zusätzliche Bundesmaßnahmen brauchen, zum Schutz vor der Pandemie – daran arbeiten wir im Augenblick“, so Anschober. Es komme dabei „auf die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt“ an. Und der könnte schon „in den nächsten Tagen“ sein. „Wir erarbeiten jetzt die Maßnahmen, beobachten die Zahlen.“

Sperrstunde und Masken werden geprüft

Zu konkreten Maßnahmen wie einem bundesweiten Vorziehen der Sperrstunde sagte Anschober: „Auch das ist Gegenstand unserer Prüfungen. Die Sperrstunde kann eine legitime Methode sein, wenn es darum geht, einen bestimmten Verursacherbereich zu reduzieren. Wenn es zu verstärkten Alkoholisierungen kommt, gibt es ein erhöhtes Risiko. Ich habe es für sehr vernünftig erachtet, dass einzelne Bundesländer die Sperrstunde vorgezogen haben.“

Auch deutete Anschober ein Aus für die vor allem in der Gastronomie statt eines Mund-Nasen-Schutzes zum Einsatz kommenden Visiere an: Man wisse aus Studien, dass der Schutz dadurch gegenüber Mund-Nasen-Schutz „drastisch reduziert“ sei. Deshalb bereite man jetzt schon Maßnahmen vor, damit die Maske, „die auf der Seite zu ist, dass diese das Mittel unseres Handelns in Zukunft in Österreich sein soll“.

„Lockdown mit allen Mitteln verhindern“

Einen Lockdown gelte es „mit allen Mitteln“ zu verhindern, sagte der Gesundheitsminister einmal mehr: „Da kann ich beruhigen, wir haben gesetzlich verankert, dass es einen Lockdown nur geben könnte, wenn der Hauptausschuss (des Nationalrates, Anm.) zustimmt und ein Zusammenbruch des österreichischen Gesundheitssystems droht. Wir setzen alle Maßnahmen, dass wir einen Lockdown verhindern können.“

Gefragt, ob eine nächtliche Ausgangssperre – wie etwa in Paris – denkbar sei, sagte Anschober: „Auch das wollen wir vermeiden. Ich will mit aller Kraft etwas Ähnliches wie das, was wir im Frühling hatten, vermeiden.“ Aber: „Wir werden stärkere Schutzmaßnahmen brauchen, um keinen Lockdown zu brauchen“, so der Gesundheitsminister.

Kurz verlangt regionale Verschärfungen

Bundeskanzler Kurz hatte zuvor die Bundesländer schriftlich zu verschärften Maßnahmen aufgefordert. In mehreren Bundesländern hätten die Zahlen ein „sehr besorgniserregendes Ausmaß“ erreicht, so Kurz. „Derzeit sehen wir in einigen Städten und Ländern Europas eine massive Ausbreitung des Virus, die es notwendig macht, mit sehr drastischen Maßnahmen dagegen zu kämpfen“, so der Bundeskanzler in dem der APA vorliegenden Text.

„Es muss allen im Land klar sein: Die Lage ist ernst.“ Eine Neuinfektionsrate wie etwa im Nachbarland Tschechien habe fatale Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Unternehmen, bringe das Gesundheitssystem an die Kapazitätsgrenzen und verursache de facto einen zweiten Lockdown.

Appell an Bevölkerung

„Nun geht es darum, dass die besonders betroffenen Bundesländer gezielt in den Regionen Verschärfungen vornehmen, da ab einem gewissen Zeitpunkt weder schnelle Tests noch gezieltes Contact-Tracing für die Behörden in den betroffenen Bundesländern noch möglich sein werden“, so Kurz.

Auch an die Bevölkerung wandte er sich: „Ich appelliere an alle Menschen, im Land die Lage ernst zu nehmen und die Maßnahmen mitzutragen.“ Die kommenden Wochen würden entscheiden, ob man die Ausbreitung des Virus verlangsamen und eindämmen könne oder ob die Pandemie noch viel größere Schäden für das Gesundheitssystem, die Arbeitsplätze und die Unternehmen im Land verursachen werde.

SPÖ: „Panikkanzler“

Die SPÖ warf Kurz Panikmache vor. Kurz liefere lediglich Schlagzeilen, ohne mit den Betroffenen zu sprechen, sagte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung: „Das Corona-Krisenmanagement braucht Besonnenheit, Seriosität und Voraussicht und nicht einen türkisen Kanzler Kurz, der sich als Chefvirologe aufspielt und Angst und Panik verbreitet.“ Kurz liefere Widersprüche am laufenden Band, sehe einmal Licht am Ende des Tunnels und gebe wenig später den „Panikkanzler“, kritisierte Deutsch und forderte die sachliche Beurteilung der Lage durch Experten.