Blick ins Lokal 7 beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Rückzieher bei Novelle „noch nie erlebt“

Der stellvertretende Leiter der Abteilung, die sich im Finanzministerium um das Glücksspiel kümmert, ist am Dienstag im „Ibiza“-U-Ausschuss befragt worden. Er schilderte etwa, wie die Novellen zum Glücksspielgesetz zustande gekommen sind. Dass der Entwurf des Jahres 2018 zurückgezogen wurde, habe er in seiner fast 40-jährigen Tätigkeit „noch nie erlebt“.

Die Novelle 2018 zum Glücksspielgesetz sah ein verschärftes Vorgehen gegen das illegale Glücksspiel vor. So sollte etwa die Möglichkeit von Netzsperren gegen die Anbieter illegaler Onlineglücksspiele (IP-Blocking, Anm.) möglich sein. Der Entwurf wurde Ende Februar 2018 in Begutachtung geschickt, aber kurze Zeit später wieder zurückgezogen. Zuerst hieß es, dass es sich um ein „technisches Versehen“ handelte und eine Überarbeitung „demnächst“ folgen werde. Daraus wurde allerdings nichts.

Das Zurückziehen der Novelle aus der Begutachtung sorgte im U-Ausschuss schon mehrmals für Debatten. Bekannt wurde, dass der Entwurf aus dem ÖVP-geführten Finanzministerium mit dem Koalitionspartner nicht „gespiegelt“ wurde, also nicht abgestimmt. Medienberichten zufolge soll der damalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache interveniert haben. Sein Anwalt bestreitet das. Auch der Beamte aus dem Finanzressort habe davon nichts gehört, sagte er am Dienstag den Abgeordneten.

Kein Kontakt zu Fuchs

Der Beamte sagte weiter, dass er betreffend den Entwurf eine E-Mail erhalten habe, wonach noch eine Spiegelung notwendig sei. „Wenn ich so ein Schreiben erhalte, dann bedeutet das für mich, dass es einer politischen Abstimmung bedarf“, betonte die Auskunftsperson, die eigenen Angaben zufolge nicht am politischen Prozess beteiligt war. In seiner fast 40-jährigen Tätigkeit in der Glücksspielfachaufsicht sei es ihm aber noch nie untergekommen, dass ein Gesetzesvorhaben in der Begutachtung gelandet und dann wieder zurückgezogen worden sei. „Aus meiner Sicht sehr erstaunlich, aber es war so.“

Susanne Fürst beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst stellt für die Freiheitlichen die Fragen – insbesondere in Bezug auf die Novelle 2018

Die Auskunftsperson gab an, schon im Jänner 2018 sei der Auftrag aus dem Kabinett von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) gekommen, dass nur das IP-Blocking im Entwurf enthalten sein soll. Der Beamte habe anschließend dem Kabinett einen Gesetzesentwurf übersandt und mitgeteilt, dass die Novelle auch „in Brüssel“ zu notifizieren sei. Wenig später kam erneut ein Auftrag aus dem Kabinett, dass auch die Auslagerung der Gücksspielaufsicht aus dem Finanzressort in das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel beinhaltet sein solle. Am 26. Februar sei „der Elak (elektronische Akt, Anm.) auf die Reise geschickt worden“, und wenig später wieder zurückgezogen.

Mit dem damals für das Glücksspiel zuständigen Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) habe man nicht kommunizieren dürfen, sagte die Auskunftsperson. Er habe mit Fuchs auch tatsächlich nie Kontakt gehabt. Einen „Maulkorberlass“, wie der Beamte sagte, habe er bisher noch nie erlebt. Alles sei über das Kabinett von Löger gelaufen, man habe auch nicht erfahren, dass der Erlass im Dezember 2018 wieder aufgehoben wurde. Fuchs hatte sich in seiner Befragung im U-Ausschuss über den „Maulkorb“ geärgert. Seit 12. Jänner 2018 gab es ein „Kontaktverbot“, wonach Beamten und Beamtinnen im Ressort untersagt wurde, direkt mit dem Büro von Fuchs zu kommunizieren.

„Nach Rücksprache mit Schmid“

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper legte zwei E-Mails vor. In der ersten E-Mail sei es um den Rückzug der Novelle gegangen. Eine Kabinettsmitarbeiterin von Löger teilte einem Beamten des Ressorts mit, dass man nach „Rücksprache mit GS Schmid“ (Thomas Schmid, Anm.) den Entwurf zur Glücksspiel-Novelle zurückziehen wolle. Der Beamte konnte das offenbar zunächst nicht glauben, weil der Minister die Begutachtung bereits bestätigt habe. Aber „selbstverständlich“ könne dem Auftrag entsprochen werden, hieß es in der Antwort weiter.

Allerdings: Eine E-Mail betreffend ein Zurückziehen des Entwurfs sollten auch die Ministerien, der Nationalratspräsident und andere Stellen erhalten. Der Beamte schickte auch einen Textentwurf mit. Die Auskunftsperson im U-Ausschuss zeigte sich über den E-Mail-Verkehr verwundert. Er habe das Schreiben, in dem der nunmehrige ÖBAG-Alleinvorstand Schmid vorkommt, vorher nie gesehen. Schmid sagte in seiner Befragung, dass es „öfters passiert“ sei, „dass Dinge in Begutachtung geschickt wurden, die wir dann zurückziehen mussten“.

Die zweite E-Mail betrifft laut Krisper ein Treffen von ÖVP-Klubmitgliedern – darunter auch WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf – im Finanzministerium, bei dem auch der Beamte dabei gewesen sein sollte. Die Auskunftsperson kann sich daran nicht erinnern, aber: „In dieser Zusammensetzung hat das sicher nicht stattgefunden.“

Kai Jan Krainer beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer wollte mehr über die Bestellung von Sidlo wissen

Bis zur Bestellung keine Bedenken zu Sidlo

Zum Thema Vorstandsbestellung in den Casinos Austria AG sagte die Auskunftsperson, dass man den „ausführlichen Lebenslauf“ von Peter Sidlo (FPÖ) erhalten habe. Bis zur Bestellung habe es seiner Meinung nach keine Punkte gegeben, die gegen eine Bestellung gesprochen hätten. „Später wurde einiges bekannt, aber bis dahin gab es keine Bedenken“, sagte der Beamte. Das Finanzministerium, das über die ÖBAG Anteile an den Casinos hält, habe nur die Möglichkeit, die Bestellung zu untersagen. Dafür habe es aber keinen Grund gegeben.

Die Bedenken seien erst aufgekommen, als ein Ermittlungsverfahren im Finanzministerium vorbereitet worden sei. Man habe die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft um Amtshilfe ersuchen wollen. Das habe sich allerdings erübrigt, weil die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen schneller gewesen seien und die Glücksspielabteilung im Finanzministerium um Amtshilfe ersucht hätten. SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer merkte an, dass nicht alle Unterlagen, die etwa das Beteiligungsmanagement (ÖBAG) des Finanzressorts betreffen, übermittelt wurden.