Lokal 7 beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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„Gute Kinderstube“

Neue Reibereien in „Ibiza“-Ausschuss

Der Ton im „Ibiza“-U-Ausschuss wird rauer: Nach den jüngsten Enthüllungen und Entwicklungen sind die Fronten verhärtet. Die Opposition stellte am Dienstag in den Raum, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) neu zu laden, die ÖVP-Fraktion berichtete von einer anonymen Anzeige gegen Abgeordnete von SPÖ, NEOS und Grünen wegen versuchter Einflussnahme. Auch die erste Einvernahme wurde durchwegs emotional geführt.

Die von ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl vor der Sitzung vorgelegte anonyme Anzeige wirft drei Fraktionsführern im U-Ausschuss – Nina Tomaselli (Grüne), Kai Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) – vor, dass sie versucht hätten, die Aussage von Ex-Novomatic-Geschäftspartner Peter Barthold im Vorfeld des „Ibiza“-U-Ausschusses zu beeinflussen.

Ende Juli soll es im grünen Parlamentsklub zu einem Treffen gekommen sein, das von Krainer und Krisper initiiert worden sein soll. Der Opposition und dem Koalitionspartner würden unter anderem die Bildung einer kriminellen Organisation, falsche Beweisdarstellung und Verleumdung vorgeworfen. Ziel sei es gewesen, „legal in Österreich agierende Glücksspielanbieter“, namentlich die Novomatic, zu schädigen.

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Im U-Ausschuss ging es am Dienstag teilweise sehr emotional zu

NEOS, Grüne und SPÖ wiesen die Vorwürfe umgehend von sich. Krisper sah darin ein „billiges Ablenkungsmanöver“. Sie sei am 30. Juli bei einer Lesung von Sven-Eric Bechtolf gewesen, twitterte sie: „Kollege @wolfganggerstl soll einfach seine #ÖVP-Kollegin Abg. Mitterbauer fragen – sie war auch dort.“ Für Tomaselli sind die Vorwürfe „Schwachsinn“. Offenbar sei die Glücksspielbranche „kein Fan der Grünen“, so Tomaselli: „Wenn es nach uns geht, soll das so bleiben.“ Krainer zeigte sich belustigt: Er sei an dem Tag auf der Rax gewesen.

Kurz könnte nochmals geladen werden

Zuvor hatte Krisper gesagt, nach den zuletzt publik gewordenen Chats und SMS etwa von ÖBAG-Chef Thomas Schmid eine Reihe von Fragen an Kurz rund um die vermutete Verquickung von Spenden und Postenvergabe zu haben, die dieser beantworten müsste: etwa ob es stimme, dass er sich ausgesucht habe, wer in Aufsichtsräte staatsnaher Unternehmen kommen könne.

Stephanie Krisper beim Ibiza-Untersuchungsausschuss
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NEOS und SPÖ könnten Kurz nochmals laden

Auch wolle sie wissen, was ihn so nervös gemacht habe, „dass er nah vor einer Darmentleerung“ gestanden sei, so Krisper unter Bezug auf den SMS-Chat Schmids, in dem es unter anderem heißt: „Kurz scheisst sich voll an. Zu viele Leute.“ Sie sei sich sicher, dass Kurz mehr wisse, als er bei seiner eigenen Aussage im U-Ausschuss angegeben hatte. Sollte er nicht freiwillig antworten, dann müsse man ihn zeitnah neu laden, so Krisper. Ähnlich hatte sich schon Krainer geäußert.

Krisper nahm erneut auch den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) ins Visier. Dass der Nationalratspräsident am aktuellen Befragungstag den Vorsitz nicht führen werde, wertete sie als Zeichen, dass „er selbst sieht, dass es keine gute Optik macht, wenn seine ehemalige Mitarbeiterin und die Großnichte von Graf aussagt“.

Verwandte von Novomatic-Gründer Graf im Ausschuss

Die erste Auskunftsperson am Dienstag, Tina L., laut eigenen Aussagen Nichte zweiten Grades von Novomatic-Gründer Johann Graf und Ehefrau des Novomatic-Aufsichtsratschefs Bernd Oswald, war einst unter anderem Mitglied im Büro Sobotkas. L. hatte Sobotka bei seinem Besuch bei Novomatic begleitet, bei dem Sobotka auch Novomatic-Gründer Johann Graf traf – unter Beisein ihres Mannes. Was dabei besprochen wurde, sei ihr nicht bekannt, gab die Auskunftsperson an.

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Die Auskunftsperson pochte auf den Schutz ihrer Privatsphäre

Sie selbst habe aus privatem Interesse an der Betriebsführung teilgenommen, weil sie das neue Gebäude der Novomatic zu dem Zeitpunkt noch nicht gesehen hatte. Im Rahmen des Termins habe sie Sobotka auch erzählt, dass sie mit Graf verwandt sei. Sie verstecke die Verwandtschaft nicht, so L., sie sei stolz auf Graf, aber sie trage es auch nicht vor sich her.

Entschlagungen und emotionale Debatten

Zur Frage der FPÖ, warum sie ihren Lebenslauf an die Vorstandsassistentin der Novomatic geschickt hat, entschlug sich L., es folgte eine teils emotional geführte Geschäftsordnungsdebatte. Später erinnerte die Auskunftsperson wegen eines Zwischenrufs von Grünen-Mandatar David Stögmüller an die „gute Kinderstube“, auf die man nicht vergessen solle.

Die gesamte Befragung war durchgehend von gegenseitigen Vorwürfen und einem immer wieder angriffigen Unterton auf beiden Seiten geprägt. L. sah mehrfach durch die Fragen der Abgeordneten einen Eingriff in ihre Privatsphäre. Auch über ihre näheren Verwandtschaftsverhältnisse wollte sie keine Auskünfte geben.

Auch bei Nehammer tätig

Novomatic-Chef Harald Neumann kenne sie nur flüchtig, gab die Auskunftsperson weiter an. Sie bestätigte, dass sie 2005 bis 2007 auch in der Rechtsabteilung der mittlerweile nicht mehr existenten Tochtergesellschaft Novomatic Gaming gearbeitet hatte. Auch im Kabinett von Innenminister Karl Nehmammer (ÖVP) war sie geringfügig tätig, mit Nehammer ist sie laut eigenen Aussagen über die Kinder auch seit ein paar Jahren befreundet.

Vorsitzender Andreas Hanger im Ibiza-Untersuchungsausschuss
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ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger führte am Dienstag den Vorsitz

Die Auskunftsperson gab weiters an, dass sie sich nicht erinnern könne, mit Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft über das Verfahren gegen Graf gesprochen zu haben. Sie habe ihren Job im April 2020 wegen der Familie aufgegeben, damals sei ihr Name erstmals in den Medien gestanden. Einen Tag später hatte die „SoKo Ibiza“ die Schenkungliste von Graf im Innenministerium angefordert. Die Auskunftsperson soll von Graf Geldgeschenke in Millionenhöhe erhalten haben.

Damit war sie nicht alleine. Insgesamt gibt es rund 160 Schenkungsverträge – teilweise in Millionenhöhe. Grafs Anwalt betonte im August, dass sämtliche Schenkungen „aus rein privaten Motiven“ ohne Gegenleistung erfolgt und der Finanz gemeldet worden seien. Zu Fragen zu den Schenkungen entschlug sich die Auskunftsperson. Über Graf sagte sie, sie sei stolz auf ihren Großonkel, der einen Weltkonzern aufgebaut habe.

Fragen zur Beschäftigung bei Sobotka

L. führte aus, dass sie als Juristin im Büro von Sobotka für U-Ausschüsse zuständig war – zuerst für den Eurofighter-U-Ausschuss und danach auch für den U-Ausschuss, der die Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in den Blick genommen hat. Krainer fragte, warum sie gerade beim BVT-U-Ausschuss mitarbeitete, obwohl Sobotka hier nicht Vorsitzender war, da er sich als ehemaliger Innenminister als befangen gesehen hatte. L. legte ein Dokument mit ihrer Dienstzuteilung vor.

Grünen-Mandatar Stögmüller fragte, ob ihr Verwandter Novomatic-Eigentümer Graf oder die ÖVP ihr jemals dabei geholfen habe, einen Job zu bekommen. Die ÖVP intervenierte, dass diese Fragen nicht zum Untersuchungsgegenstand gehörten. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl gab der ÖVP recht. L. reagierte trotzdem: „Interessant, dass gerade die Grünen so ein Frauenbild haben, dass eine Frau nur mit Hilfen Jobs bekommt.“ Stögmüller legte daraufhin ein Dokument vor, in dem es um einen Job, Graf, L. und ihren Lebenslauf geht. „Mehr will ich dazu nicht sagen“, so der Abgeordnete.

Beamter schildert Begutachtungsentwurf

Nach Tina L. wurde ein Beamter des Finanzministeriums befragt, der für das Glücksspiel zuständig ist. In seiner fast 40-jährigen Tätigkeit in der Aufsicht des Glücksspiels habe er noch nie einen Rückzieher bei einer Novelle erlebt, sagte er.

Die Novelle 2018 zum Glücksspielgesetz sah ein verschärftes Vorgehen gegen das illegale Glücksspiel vor. So sollte etwa die Möglichkeit von Netzsperren gegen die Anbieter illegaler Onlineglücksspiele (IP-Blocking, Anm.) möglich sein. Der Entwurf wurde Ende Februar 2018 in Begutachtung geschickt, aber kurze Zeit später wieder zurückgezogen. Zuerst hieß es, dass es sich um ein „technisches Versehen“ handelte und eine Überarbeitung „demnächst“ folgen werde. Daraus wurde allerdings nichts.

Strache setzte sich für Privatspital ein

Zum Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) wurde am Abend dann die dritte Auskunftsperson, Julian Hadschieff, befragt. Der PRIKRAF liegt im Fokus des Ausschusses, weil Spender von ÖVP und FPÖ von Gesetzesänderungen unter Türkis-Blau profitiert haben sollen. Beim PRIKRAF handelt es sich um einen Fonds, aus dem Privatspitäler Geld bekommen, sofern sie medizinisch notwendige Leistungen für Pflichtversicherte erbringen.

Hadschieff, Vorstandsvorsitzender der PremiQuaMed des Versicherers Uniqa und Obmann des Fachverbands für Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), soll laut der Aussage von Privatklinikeigentümer Walter Grubmüller im U-Ausschuss jahrelang die Aufnahme von dessen Klinik in den PRIKRAF verhindert und torpediert haben.

Zwei Termine hat es laut Hadschieff mit ihm und dem damaligen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, nunmehr Team Strache (TS), gegeben. Strache soll die Aufnahme der Privatklinik Währing vorangetrieben haben. Es steht der Vorwurf im Raum, dass Grubmüller im Gegenzug für die Aufnahme an die FPÖ 10.000 Euro spendete. Die PremiQuaMed spendete ebenfalls Geld, 50.000 Euro, im Zuge der großen Sammelaktion der ÖVP im Sommer 2017, so Hadschieff.