Austragungsort der US-TV-Debatte zur Präsidentschaftswahl an der Belmont University in Nashville (Tennessee)
APA/AFP/Eric Baradat
Biden vs. Trump

Lager rüsten sich für letztes TV-Duell

Eineinhalb Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl treten der republikanische Amtsinhaber Donald Trump und sein demokratischer Herausforderer Joe Biden am Donnerstag (20.00 Uhr Ortszeit; Freitag, 3.00 Uhr MESZ) in ihrem zweiten und letzten Fernsehduell gegeneinander an. Die Lager der beiden Politiker rüsteten sich in den letzten Tagen auf. So sprang etwa der ehemalige Präsident Barack Obama seinem Ex-Vize Biden bei, und das Trump-Lager schoss sich weiter auf Biden ein.

Nach der chaotischen und von Unterbrechungen geprägten ersten TV-Debatte gelten bei dem in Nashville im Südstaat Tennessee ausgetragenen Duell strikte Regeln. So wird das Mikrofon des einen Kandidaten zeitweise stumm geschaltet, während der andere Kandidat spricht. Beim ersten TV-Duell Ende September war Trump seinem Rivalen pausenlos ins Wort gefallen. In der Folge kündigte die für die Organisation der Debatten zuständige Kommission Regelverschärfungen an. Trump wird aus Sicht seiner Nichte und Kritikerin Mary Trump allerdings die Vorgaben der TV-Debatte ignorieren.

„Menschen müssen aufhören, Donald zu behandeln, als ob er normal ist, dass er sich an Regeln halten wird oder sich darum kümmert, sich anständig zu verhalten“, sagte Mary Trump in einem Interview des Senders MSNBC am Mittwoch. In ständigen Unterbrechungen eines Gesprächspartners sieht Mary Trump eine Strategie des Präsidenten: „Er geht in eine Debatte oder ein Townhall (Treffen mit Wählern) speziell mit dieser Taktik, weil er weiß, dass eine substanzielle Diskussion über Politik desaströs für ihn ist. (…) Also muss er unterbrechen, er muss unhöflich sein, er muss über andere Leute reden und er muss das Thema wechseln.“

Bühne der US-Präsidentschafts-TV-Debatte an der Belmont University in Nashville (Tennessee)
APA/AFP/Eric Baradat
Das Studio für die Debatte

Biden in Führung – mit Abstrichen

Eigentlich waren in diesem Jahr wie üblich drei Fernsehduelle zwischen den Präsidentschaftskandidaten geplant. Eine für vergangene Woche angesetzte Debatte wurde aber nach Trumps CoV-Infektion gestrichen. Der Amtsinhaber liegt weniger als zwei Wochen vor der Wahl am 3. November in Umfragen hinter seinem Herausforderer von den oppositionellen Demokraten. Landesweite Befragungen haben wegen des Wahlsystems in den USA nur sehr begrenzte Aussagekraft.

Obama: Sich aus diesem Loch befreien

Schützenhilfe bekommt Biden von seinem ehemaligen Chef Obama. Er kritisierte Trump in drastischen Worten und warf ihm Versagen bei der Eindämmung der Pandemie vor. Trump habe die Pandemie ignoriert und dann mit „Inkompetenz“, „Falschinformationen“ und Planlosigkeit alles noch schlimmer gemacht, sagte der Demokrat am Mittwoch (Ortszeit) bei einer Wahlkampfveranstaltung zur Unterstützung Bidens. Viele Menschen in den USA hätten nicht sterben müssen, wenn die Regierung auch nur „grundlegende“ Maßnahmen ergriffen hätte, sagte Obama.

Der amerikanische Ex-Präsident Barack Obama
AP/Matt Slocum
Obama unterstützt Biden bei einem Wahlkampfauftritt mit geharnischter Kritik an Trump

Trump habe „kein Interesse gezeigt“, den Menschen in Amerika zu helfen, und das Präsidentenamt nur als „Reality Show“ genutzt, kritisierte Obama. Der Republikaner sei nicht fähig, „den Job ernst zu nehmen“, sagte der Ex-Präsident. „Und der Rest von uns muss mit den Konsequenzen leben.“ Obamas Fazit: „Wenn er die ganze Zeit seinen Job gemacht hätte, dann wäre es nie so schlimm geworden.“ Obama warb mit Nachdruck dafür, Trump abzuwählen. Falls dieser die Wahl erneut gewinnen sollte, würde das Land in den nächsten vier Jahren so weit zurückgeworfen, dass es „wirklich schwierig“ würde, „sich aus diesem Loch wieder zu befreien“, sagte Obama. „Wir befinden uns in einem tiefen Loch.“

Biden: Korruptionsvorwürfe „Müll“

Biden wies indes Korruptionsvorwürfe der Republikaner gegen sich und seine Angehörigen zurück. „Es ist der letzte Versuch in dieser verzweifelten Kampagne, mich und meine Familie zu verleumden“, sagte Biden dem Sender WISN in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin am Dienstag (Ortszeit). Bei den Vorwürfen, die keinerlei Grundlage hätten, handle es sich um „Müll“. Knapp zwei Wochen vor der Wahl am wächst der Druck vonseiten der Republikaner auf den Ex-Vizepräsidenten, sich zu früheren Auslandsgeschäften – besonders mit China und der Ukraine – seines Sohnes Hunter Biden und zu seiner möglichen eigenen Rolle dabei zu erklären.

David Kriegleder (ORF) zur letzten US-TV-Debatte

ORF-Korrespondent David Kriegleder berichtet, was von der letzten TV-Debatte vor der US-Präsidentschaftswahl zu erwarten ist.

Trump hatte am Dienstag Justizminister Bill Barr zu Ermittlungen gegen die Biden-Familie aufgerufen. „Es handelt sich um erhebliche Korruption, und das muss vor der Wahl bekannt sein“, sagte Trump dem Sender Fox News. Trump erhebt seit Langem und ohne Beweise Korruptionsvorwürfe gegen Joe und Hunter Biden.

TV-Hinweis

Eine ZIB Spezial überträgt ab 2.55 Uhr in ORF2 die Debatte Trump gegen Biden – mehr dazu in tv.ORF.at.

Trump veröffentlicht abgebrochenes Interview

Trump sorgte am Donnerstag noch für Wirbel, weil er ein von ihm abgebrochenes TV-Interview vor Ausstrahlungstermin veröffentlichte und sich gleichzeitig über die kritischen Fragen der Interviewerin echauffierte. Auf Twitter forderte Trump dazu auf, sich „die Voreingenommenheit, den Hass und die Unhöflichkeit“ in dem knapp 38-minütigen Gespräch mit der renommierten CBS-Journalistin Lesley Stahl anzuschauen. Trump schrieb zudem, die Moderatorin des TV-Duells, NBC-Journalistin Kristin Welker, sei noch „weitaus schlimmer“.

Trump hatte bereits zuvor mit der Veröffentlichung vor dem Sendetermin gedroht. Das CBS-Interview für eine Wahlsonderausgabe der Sendung „60 Minutes“ an diesem Sonntag sollte eigentlich mit Trump und Pence fortgesetzt werden. Trump sagt am Ende der Aufzeichnung aber: „Ich denke, wir hatten genug.“ Davor beschwerte er sich bei Stahl darüber, dass sie zu Beginn des Interviews sagte: „Sind Sie bereit für ein paar harte Fragen?“

Trump sagte: „So spricht man nicht.“ Trump beklagte sich erneut darüber, dass Biden von den US-Medien keine harten Fragen gestellt würden. „Ich habe alle seine Interviews gesehen. Ihm ist nie eine Frage gestellt worden, die schwierig war.“ Während des Interviews für „60 Minutes“ kam es zu einer Reihe von hitzigen Momenten. So beschwerte Trump sich wiederholt, dass Stahl Äußerungen von ihm aus dem Kontext reiße. Auch ärgerte er sich, als die Interviewerin sagte, er habe in der Vergangenheit Wahlkampfauftritte mit mehr Zuschauern gehabt. „Das sind die größten Auftritte, die wir jemals hatten. Sie kommen hier einfach mit dieser negativen Einstellung hin“, sagte der Präsident. Journalistin Stahl sprach Trump auch darauf an, warum er sich ständig im Angriffsmodus befinde. Der Präsident entgegnete, dass er sich vielmehr so fühle, als würde er sich und sein Amt verteidigen. Darauf antwortete Stahl: „Sie sind sehr aggressiv.“

US-Präsident Donald Trump vor Anhängern
AP/Nell Redmond
Donald Trump bei einem seiner Wahlkampfauftritte

Bei einem Wahlkampfauftritt am Dienstagabend in Erie im US-Bundesstaat Pennsylvania schien Trump CBS zu drohen. "Ihr müsst Euch anschauen, was wir mit „60 Minutes" machen. Ihr werdet einen solchen Kick daraus bekommen“, sagte der Präsident vor jubelnden Anhängern. „Lesley Stahl wird nicht glücklich darüber sein.“

CBS verteidigte seine Sendung am Donnerstag. „60 Minutes“ werde für seine Fairness, seine Tiefgründigkeit und Informationsfülle geschätzt. Die „beispiellose Missachtung“ der Abmachung zwischen dem Sender und dem Weißen Haus werde CBS nicht davon abhalten, das Interview wie geplant auszustrahlen.

Streit über Maske

Bereits zuvor hatte Trump ein kurzes Video auf Twitter veröffentlicht, zu dem er schrieb: „Lesley Stahl von ‚60 Minutes‘ ohne Maske im Weißen Haus nach ihrem Interview mit mir. Da kommt noch viel mehr.“ Stahl trug laut CBS eine Maske, als sie das Weiße Haus betreten und den Präsidenten begrüßt habe. Sie habe die Maske vor dem Interview abgenommen, als sie genug Abstand gehabt habe. Zu dem von Trump veröffentlichten Clip, auf dem die Journalistin ohne Maske zu sehen ist, gab CBS an, Stahl habe mit Mitarbeitern ihrer Crew gesprochen, alle seien am Dienstag negativ auf das Coronavirus getestet worden.

Trump, der zu Monatsbeginn selbst an Covid-19 erkrankte, trägt fast nie einen Mund-Nasen-Schutz. Zudem hat er wiederholt nachweislich falsche Aussagen über Gesichtsmasken und das Coronavirus verbreitet. Medien, die kritisch über ihn berichten, bezeichnet der US-Präsident als „Volksfeinde“ und ihre Berichte als „Fake News“. Regelmäßig wirft er US-Medien vor, diese würden Biden nicht annähernd so hart angehen wie ihn. In dem ihm nahestehenden Sender Fox News darf Trump aber nahezu unwidersprochen seine Sicht der Dinge von sich geben.