Schutzmasken auf einem Verkaufsständer
APA/Barbara Gindl
Opposition

Scharfe Kritik an neuer CoV-Verordnung

Ab Sonntag gelten in Österreich neue Regeln im Umgang mit der Pandemie. Zusätzlich gibt es lokale Maßnahmen in einzelnen Bundesländern. Die Opposition findet sowohl die Maßnahmen als auch das Vorgehen der Regierung diskutabel. Da ist von „Verantwortungslosigkeit“ die Rede und von „Showpolitik“.

Die Verordnung, die Donnerstagabend öffentlich wurde, beinhaltet bereits Bekanntes, wie Regeln für die Gastronomie. Aber sie bringt auch Neues, wie ein Verbot der Gesichtsvisiere. Und anders als angekündigt gelten die neuen Maßnahmen erst mit Sonntag, 00.00 Uhr. Im Vorfeld der Veröffentlichung gab es große Verärgerung, dass die Verordnung nicht eher kundgetan wurde.

Durch das spätere Inkrafttreten und die Übergangsfristen bei manchen Maßnahmen gibt es nun aber mehr Zeit für die Umsetzung, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag bei einer Pressekonferenz. Für ihn sei es wichtig, dass die Maßnahmen wirken, „nicht, wann sie publiziert werden“. Ob ein Tag früher oder später sei „nicht entscheidend“.

Anschober: „Parteipolitik gleichgültig“

Am Montag sei der erste Entwurf fertig gewesen. Dieser wurde per Mail an die ÖVP-Bundesländer geschickt. Es habe sich gezeigt, dass einige Fragen offen sind, so Anschober, deshalb habe man auch den Verfassungsdienst sowie „externe Juristen“ einbezogen. Denn von den Verordnungen seien „Millionen von Menschen betroffen“, deshalb müsse man präzise arbeiten. Dass nur die sechs ÖVP-Bundesländer den Entwurf erhalten haben, hatte für Unmut gesorgt. Anschober konstatierte am Freitag, dass die Bundesländer in der Pandemie so intensiv eingebunden seien wie nie zuvor.

Dazu gebe es den Koordinationsprozess in der Koalition. Wer hier beigezogen wird, das bleibe dem Koalitionspartner überlassen. Für Anschober ist es nachvollziehbar, dass die ÖVP fachliche Justierungen nicht mit SPÖ-Politikern abstimmt. Ihm selbst sei „Parteipolitik gleichgültig“, sagte Anschober, im Gesundheitsministerium werde nicht auf die Parteifarbe geachtet.

Scharfe Kritik an Verordnung und Regierung

Die Opposition konnte am Freitag nichts Gutes an der neuen Verordnung finden. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner warf der Regierung angesichts des langen Wartens auf die Verordnung „Showpolitik“ vor. Das nächste Mal solle die Regierung zeitgleich mit ihrer Pressekonferenz auch den entsprechenden Verordnungstext auf den Tisch legen. Man habe vergangenen Montag „völlig unvorbereitet“ neue Maßnahmen vorgestellt und dann vier Tage gebraucht, bis man eine rechtliche Basis dafür vorlegt, so Rendi-Wagner. Das „Chaos“ der letzten Wochen setze sich fort.

CoV-Verordnung: Was ab Sonntag gilt

Unabhängig von der Ampelschaltung gelten ab Sonntag bundesweit strengere Regeln. Denn mittlerweile müssten wieder mehr Coronavirus-Patienten im Krankenhaus behandelt werden, und auch die Zahl der Intensivpatienten steige, so der Gesundheitsminister.

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried kritisierte auch erneut, dass Bundesländer mit ÖVP-geführter Landesregierung schon vorab Informationen bekamen. „Während die ÖVP-regierten Bundesländer schon Tage vor Veröffentlichung einer Verordnung den entsprechenden Entwurf bekommen und ihre politischen Wünsche dazu deponieren können, bekommt die Corona-Kommission unseren Informationen nach die Verordnung vor Erlassung gar nicht zu sehen – obwohl das ausdrücklich im Gesetz so vorgesehen ist“, so Leichtfried.

„Nicht nur, dass die Verordnung wenige Stunden vor dem ursprünglich angekündigten Inkrafttreten immer noch nicht da war, dann der Zeitpunkt der Geltung wieder verschoben wurde – wurden offenbar auch zentrale Inhalte vergessen. In der ersten Verordnung von Donnerstagabend war nichts vom angekündigten Verbot der Gesichtsvisiere zu finden." Es handle sich um eine Kombination „aus politischer Überheblichkeit“ und „mangelnder Krisentauglichkeit“.

FPÖ bangt um Weihnachten

Auch die FPÖ reagierte empört auf ein „Verordnungs- und Ampelchaos“, wie Klubobmann Herbert Kickl via Aussendung attestierte. Man habe einen Staatsnotstand provoziert, Kickl sprach von „Verantwortungslosigkeit in Reinkultur“. Die Menschen würden durch „ein Normenwirrwarr verunsichert“, ärgerte sich Kickl: „Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass die Regierung den Österreichern auch Weihnachten verbieten wird – das gabs nicht einmal in Kriegszeiten.“

Bei NEOS ortete Gesundheitssprecher Gerald Loacker nach der „Blamage um die Corona-Verordnung“ vom Donnerstag nun weitere Fragezeichen nach der Pressekonferenz Anschobers. Auch die diese Woche präsentierte Teststrategie hielt Loacker für mangelhaft. Antigen-Schnelltests ausschließlich in Arztordinationen seien völlig unpraktikabel und gingen am Ziel einer sinnvollen Containmentstrategie vorbei.

Anwalt sieht keine Rechtsgrundlage für Personenanzahl

Auch der Wiener Rechtsanwalt Florian Horn kritisierte die Verordnung am Freitag. Bei dieser bestünden aus seiner Sicht „immer noch Probleme“, sagte er im Ö1-Mittagsjournal. Etwa fehle der Regelung zu Personenobergrenzen bei Treffen und kleinen Events abseits der eigenen vier Wände die Rechtsgrundlage. Die Bestimmung, wonach die Anzahl auf sechs Personen in Innenräumen und zwölf Personen im Freien beschränkt ist, stütze sich nämlich nicht auf das Covid-Maßnahmengesetz, sondern auf das Epidemiegesetz. Und dort sei in den Bestimmungen zu den Veranstaltungen bloß zu finden, dass „nur das Zusammenströmen größerer Menschenmenge“ reguliert werden können, so Horn: „Und zehn Personen oder zwölf Personen oder sechs Personen sind ganz sicher keine größere Menschenmenge.“

Es „räche“ sich, dass es nicht wirklich eine Begutachtung gegeben habe. Hätte man sich dazu entschieden, den Entwurf vorab zu veröffentlichen und zur Diskussion zu stellen, dann wäre die „Qualität der Verordnung besser“, argumentierte der Rechtsanwalt und beklagte die „mangelnde Transparenz“.

Seniorenbund freut sich

Für gut hingegen befand die Verordnung Ingrid Korosec (ÖVP) vom Seniorenbund. Man habe aus Erfahrungen des Frühjahres wichtige Lehren gezogen. Der Seniorenbund habe gedrängt, „dass alte Menschen nicht mehr einfach weggesperrt werden dürfen. Mit der neuen Verordnung wurden überschießende Maßnahmen verboten. Damit ist sichergestellt, dass alte und schwerkranke Menschen in Heimen nicht mehr vereinsamen oder alleine sterben müssen“, so Korosec. Sie bezog sich in ihrer Aussendung auf bestimmte Punkte der Verordnung, etwa dass Besuche im Rahmen der Palliativ- und Hospizbegleitung „jedenfalls zu ermöglichen“ sei.