Joe Biden beim telefonieren.
AP/Sue Ogrocki
„Amerika ist wieder da“

Bidens Botschaft an Johnson, Merkel und Macron

Unbeeindruckt von den Wahlanfechtungen durch US-Präsident Donald Trump bereitet sich sein gewählter Nachfolger Joe Biden auf internationale Aufgaben vor. In seiner ersten Botschaft an Verbündete grenzte sich Biden mit Worten „Amerika ist wieder da“ deutlich von Trumps „Amerika zuerst“-Slogan ab.

Biden sagte in einer ersten Runde von Auslandstelefonaten eine Wiederbelebung der angeschlagenen transatlantischen Beziehungen zu. Nach den Gesprächen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem irischen Ministerpräsidenten Micheal Martin sagte er am Dienstag (Ortszeit): „Zunächst einmal lasse ich sie wissen, dass Amerika zurück ist. Wir werden wieder im Spiel sein. Es geht nicht nur um Amerika.“

Damit grenzte er sich in aller Klarheit vom außenpolitischen Grundsatz „Amerika zuerst“ ab, den der amtierende republikanische Präsident geprägt hatte. Dieser hatte unter anderem mit einem Rückzug der USA aus der NATO gedroht, internationale Verträge wie das Pariser Klimaschutzabkommen gekündigt und enge Verbündete immer wieder scharf angegriffen. Biden sagte am Dienstag, die Reaktionen, die er auf der ganzen Welt von Verbündeten und Freunden bekommen habe, seien positiv gewesen. Er sei zuversichtlich, dass es gelingen werde, die USA wieder zu einem respektierten Partner zu machen.

Gemeinsame Agenda mit EU

Der 77-Jährige äußerte sich in seinem Heimatort Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Er war am Samstag aufgrund von Erhebungen und Prognosen von US-Medien zum Sieger erklärt worden. Trump weigert sich bisher, seine Niederlage einzugestehen. Er spricht – ohne Beweise vorzulegen – von Wahlbetrug und ließ in mehreren US-Bundesstaaten Klagen einreichen.

80 Prozent sehen Wahlsieg

Der designierte US-Präsident Joe Biden wird einer Umfrage zufolge von knapp 80 Prozent der Amerikaner als künftiger Präsident der USA anerkannt. Das ergab eine am Dienstag veröffentlichte Reuters/Ipsos-Meinungsumfrage.

Biden lässt sich davon nicht irritieren und bereitet sich auf internationale Aufgaben vor. Zuerst telefonierte der Demokrat am Montag mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau, am Dienstag dann mit den europäischen Verbündeten. Zu den gemeinsamen Herausforderungen gehörten die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie, der Klimaschutz und die Wiederbelebung der globalen Wirtschaft. „Er hat auch die Möglichkeit begrüßt, mit der EU an einer gemeinsamen Agenda zu arbeiten“, hieß es in der Erklärung des Biden-Teams.

25-minütiges Gespräch mit Johnson

Die ersten vier Gesprächspartner in Europa dürfte Biden mit Bedacht gewählt haben. Mit Deutschland und Frankreich wandte er sich an die beiden bevölkerungsreichsten und wohl auch einflussreichsten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Trump hatte mit den Führungen beider Länder große Probleme, pflegte dafür sehr enge Beziehungen zur rechtskonservativen Regierung in Polen.

Mit Großbritannien wandte sich Biden an einen traditionell sehr engen Verbündeten der USA, der aber gerade erst aus der EU ausgetreten ist. Premier Johnson teilte auf Twitter mit, er habe 25 Minuten mit Biden telefoniert: „Ich freue mich darauf, die Partnerschaft zwischen unseren Ländern zu vertiefen und an gemeinsamen Zielen zu arbeiten – etwa den Klimawandel zu bekämpfen, die Demokratie zu stärken und besser aus der Pandemie herauszukommen.“

Knackpunkt Nordirland

Den Brexit und seine Pläne, mit einem Gesetz das geltende Abkommen darüber mit der EU auszuhebeln, ließ Johnson in seinem Statement unerwähnt. Es wird noch gerätselt, welche Auswirkung die US-Wahl auf die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien haben könnte, die in der entscheidenden Phase sind.

Ein Knackpunkt dabei ist die Nordirland-Frage. Biden hatte im Herbst verlauten lassen, der Frieden dort dürfe nicht zum „Opfer des Brexits“ werden. Dass auch der irische Ministerpräsident zu den vier Europäern zählte, die er zuerst anrief, könnte ein Zeichen in diesem Sinne sein. Nach Angaben seines Teams thematisierte Biden, der selbst irische Wurzeln hat, in den Gesprächen mit Johnson und Martin das Friedensabkommen für Nordirland von 1998.

Mit den Auslandstelefonaten nur wenige Tage nach seinem Wahlsieg löste Biden ein Versprechen aus dem Wahlkampf ein. Da hatte er gesagt: „Das Erste, was ich tun muss, und ich scherze nicht: Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und sagen, dass Amerika zurück ist. Sie können auf uns zählen.“