Durch Trockenheit aufgerissener Boden in Südafrika
Reuters/Mike Hutchings
Fünf Jahre nach Einigung

Dunkle Wolken über Pariser Klimavertrag

Im Klimaabkommen von Paris haben sich vor fünf Jahren fast alle Länder verpflichtet, ihren Ausstoß an Treibhausgasen deutlich zu verringern. Ziel war und ist es, die Erderwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Doch trotz pandemiebedingten Rückgangs der Emissionen ist man davon weit entfernt – am Samstag wird bei einem UNO-Klimagipfel Bilanz gezogen.

Es ist wie ein Menetekel kurz vor dem Jubiläum: Während sich die Einigung auf das Übereinkommen von Paris, die erste umfassende und rechtsverbindliche weltweite Klimaschutzvereinbarung, am 12. Dezember 2015 zum fünften Mal jährt, treibt ein riesiger Eisberg im Südatlantik immer weiter auf das britische Überseegebiet Südgeorgien zu. Mitte der Woche befand sich der Eiskoloss laut BBC nur noch rund 150 Kilometer vor der Inselgruppe. Auf Bildern eines Aufklärungsfluges der britischen Luftwaffe ist auch der zunehmend zerklüftete Zustand des auf den Namen „A68a“ getauften Berges zu sehen – er weist Risse und Spalten auf, unzählige heruntergefallene Eisbrocken umgeben ihn.

Laut der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) geht von „A68a“ eine reelle Gefahr aus: Würde er vor Südgeorgien, das mit rund 3.500 Quadratkilometern Fläche etwa gleich groß ist wie der Eisberg selbst, auf Grund laufen, würde das die Nahrungssuche von Millionen Pinguinen und Robben erschweren. Ein großes Hindernis, das sich direkt vor der Küste befindet, könnte es für die Tiere schwieriger machen, nach Fischen und Krill zu suchen. Schon 2004 war vor der Insel ein Eisberg steckengeblieben – damals wurden laut ESA viele tote Pinguin- und Robbenjunge entlang der Küste gefunden.

Drohender Anstieg des Meeresspiegels

Der Eisberg „A68a“ hatte sich im Juli 2017 vom Larsen-C-Schelf an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel gelöst. Ursprünglich war er mit einer Fläche von 5.800 Quadratkilometern einer der größten bekannten Eisberge der Geschichte. Der Abbruch von Eisbergen gilt als Zeichen für die zunehmende Destabilisierung des antarktischen Eises und den damit einhergehenden Anstieg des Meeresspiegels. Das komplette Abschmelzen der Antarktischen Halbinsel, auf der sich Larsen C befindet, hätte theoretisch einen globalen Meeresspiegelanstieg von bis zu 20 Zentimetern zur Folge. In den gesamten antarktischen Gletschern ist Wasser für einen möglichen globalen Meeresspiegelanstieg von rund 58 Metern gespeichert.

Die Anstieg des Meeresspiegels wird als eine der größten Gefahren des Klimawandels angesehen – und der Kampf gegen diesen, erinnerte das UNO-Umweltprogramm UNEP in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht, erfordere deutlich mehr Anstrengungen. Trotz des Rückgangs der Treibhausgasemissionen durch die Coronavirus-Pandemie und die internationalen Klimazusagen steuere die globale Erwärmung auf mehr als drei Grad zum Ende des Jahrhunderts zu, erklärte die UNEP.

Satellitenbild vom Eisberg (A68a)
Reuters/NASA/NOAA Suomi NPP satellite image
Der Eisberg (links im Bild) nähert sich dem etwa gleich großen Südgeorgien

Das Pariser Abkommen vom 12. Dezember 2015 sieht vor, die Erderwärmung auf unter zwei Grad, möglichst aber auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Mittlerweile sind die Durchschnittstemperaturen auf der Erde laut UNO aber bereits um rund 1,2 Grad gestiegen. Ziel des New Yorker Gipfels zum fünften Jahrestag des Abkommens am Samstag ist es, die Staaten zu weiteren Anstrengungen zu verpflichten.

Auswirkungen der Pandemie „vernachlässigbar“

Um das Ziel von 1,5 Grad zu erreichen, müssten die Emissionen nach Angaben der UNEP bis 2030 jährlich um 7,6 Prozent sinken. In diesem Jahr wird aufgrund der Pandemie voraussichtlich ein siebenprozentiger Rückgang der CO2-Emissionen erreicht. Ohne eine schnelle und umfassende Abkehr von fossilen Brennstoffen seien die Auswirkungen dieses Rückgangs jedoch „vernachlässigbar“, warnte die UNEP. Damit lasse sich die Erderwärmung bis 2050 nur um 0,01 Grad begrenzen.

Die fünf Jahre seit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens waren nach UNEP-Angaben die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Heuer führten riesige Waldbrände etwa in Sibirien, Kalifornien und Australien, Dürren sowie eine heftige Hurrikansaison der Menschheit vor Augen, was eine außer Kontrolle geratende Erderwärmung anrichten kann. UNEP-Chefin Inger Andersen rief die Staaten zu einem ökologisch nachhaltigen Wiederaufbau nach der Krise auf. Das könnte „einen großen Teil der Treibhausgasemissionen eindämmen und dazu beitragen, den Klimawandel zu verlangsamen“, erklärte sie. Demnach könnten die für 2030 erwarteten Emissionen auf diese Weise um bis zu 25 Prozent reduziert werden.

Rauchende Schlote einer Fabrik
APA/AFP/Ina Fassbender
Die Treibhausgasemissionen stiegen 2019 auf ein Rekordhoch von 59,1 Gigatonnen CO2-Äquivalente

Vermeintlicher Meilenstein

Das Pariser Klimaschutzabkommen wurde nach zähem Ringen am 12. Dezember 2015 beschlossen. Erstmals verpflichten sich darin nicht nur Industrieländer zum Klimaschutz, sondern alle Länder. Ziel ist es, die Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß von „deutlich unter zwei Grad“ im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, möglichst auf unter 1,5 Grad. Dem Abkommen sind fast alle Länder der Erde beigetreten. Die USA traten unter Präsident Donald Trump als einziger Staat aus. Sein Nachfolger Joe Biden will das aber wieder rückgängig machen.

Dafür müssten die Staaten jedoch stärker auf erneuerbare Energien umsteigen, emissionsfreie Technologien und Infrastrukturen unterstützen, Subventionen für fossile Brennstoffe zurückfahren, keine neuen Kohlekraftwerke genehmigen und Wälder wieder aufforsten, heißt es in dem Bericht. Experten halten einen Wiederanstieg der Kohlendioxidemissionen im Jahr 2021 jedoch für unvermeidlich.

„Die Pandemie ist eine Warnung, dass wir dringend von unserem zerstörerischen Wachstumspfad abkommen müssen, der die drei globalen Krisen Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung vorantreibt“, sagte Anders. „Sie ist aber auch eine klare Chance, unser Klima und die Natur auf Jahrzehnte hinaus zu schützen.“

2019 wurden laut dem UNEP-Bericht durch Emissionen 59,1 Gigatonnen CO2-Äquivalente freigesetzt – 2,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anstieg sei größtenteils auf eine Zunahme von Waldbränden zurückzuführen. In der Pflicht stehen aber auch private Verbraucher: Rund zwei Drittel der globalen Emissionen gehen auf den Konsum von Privatleuten zurück. Dabei produziert das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als doppelt so viele Treibhausgase wie die ärmsten 50 Prozent – und trägt damit besondere Verantwortung.

EU „unter Druck“

Unter Zugzwang sieht sich auch die EU: 2020 sollten alle Staaten ihre Ziele fürs Einsparen von Treibhausgasen erhöhen, „und die Europäische Union steht hier unter Druck“, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Vorfeld des letzten Gipfels der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag. „Unser Ziel ist, mindestens 55 Prozent hier zu vereinbaren.“ Die EU-Kommission gab das Ziel vor, in zehn Jahren 30 Millionen emissionsfreie Autos auf die Straße zu bringen – mehr dazu in EU will „Alternativen bieten“.

Jennifer Morgan, Leiterin der Umweltschutzorganisation Greenpeace International, sagte, der Abstand zwischen dem, was passiere, und dem, was sein müsse, scheine in diesem Jahr zwar kleiner zu werden. „Aber man würde sich trotzdem noch schämen, diesen Bericht seinen Kindern zu zeigen.“ Der virtuelle eintägige Klimagipfel am Samstag soll nun alle noch einmal wachrütteln. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat für den Vortag zu weltweiten Klimaprotesten aufgerufen, denn seit dem Paris-Abkommen sei „zu wenig passiert“.

Etwas optimistischer zeigte sich Patricia Espinosa Cantellano, Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC): Keiner wisse, wann es für die Rettung des Weltklimas zu spät sei. „Was wir wissen ist, dass wir heute noch Zeit haben.“ Die notwendigen Veränderungen hätten bereits begonnen und seien nun unaufhaltsam.