Bestuhlung in der Wiener Staatsoper
APA/Martin Fichter-Wöss
„Freitesten“

Kultur kritisiert Ungleichbehandlung

Nach der Bekanntgabe von Details zum von der Regierung geplanten „Freitesten“ durch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat es am Donnerstag scharfe Kritik aus dem Kulturbereich gegeben. Beklagt wird eine Ungleichbehandlung gegenüber der Gastronomie – für deren Besuch ein bis zu eine Woche alter negativer Test reichen soll.

Das für Mitte Jänner geplante „Freitesten“ aus dem Lockdown werde in der Gastronomie durch die Gesundheitsbehörden erfolgen, sagte Kurz Mittwochabend in der ZIB2. Im Kultur-, Sport- oder Tourismusbereich dagegen werden die Betreiber für die Überprüfung zuständig sein, so der Kanzler. Die Gastronomie wird man ab 18. Jänner mit einem bis zu eine Woche alten negativen Coronavirus-Test nutzen können, für alle anderen Einrichtungen wird der Test maximal 48 Stunden alt sein dürfen.

Es werde überall, „wo man gewohnt ist, ein Ticket herzuzeigen oder im Tourismus den Meldezettel“, verlangt werden, einen negativen Test vorzuzeigen, sagte Kurz. Für die Kontrolle werde der Betreiber zuständig sein. Für die Stichprobenkontrollen in der Gastronomie werde die Gesundheitsbehörde auch „auf die Hilfe anderer Behörden zurückgreifen können, wie zum Beispiel von der Polizei“, so Kurz.

Jahresrückblick mit Kanzler Sebastian Kurz

Mit einem Rückblick zum Jahreswechsel analysiert Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Interview mit ZIB2-Moderator Martin Thür den Umgang mit der Coronavirus-Pandemie.

„Demokratie- und kulturpolitisch unverträglich“

Als „demokratie- und kulturpolitisch unverträglich“ bezeichnete die IG Autorinnen Autoren die Gesundheitskontrolle bei Kulturveranstaltungen. „Wenn es das Ziel der Regierung war, den Kunst- und Kulturbetrieb stufenweise wieder zuzulassen, so sollte sie sich auf diese Aufgabe konzentrieren und sich damit beschäftigen, wie die nächsten Schritte aussehen können und nicht, welche Spezialrestriktionen sie dem Kunst- und Kulturbetrieb noch auferlegen kann, um ihn möglichst lange, möglichst stark zu behindern“, so Geschäftsführer Gerhard Ruiss.

Drozda: „Schlechterstellung der Kultur“

SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda sieht in den von Kurz angekündigten Test-Regeln „erneut eine massive Schlechterstellung der Kultur gegenüber der Gastronomie“, wie das schon im Frühjahr mit den Quadratmeter-Regeln der Fall gewesen sei. Auch die geplante Beschränkung der Kulturveranstaltungen auf den Nachmittag sei eine Katastrophe für die Kultur, „weil damit fünf von sieben Vorstellungstagen in der Woche de facto wegfallen. Wer kann schon am Mittwoch um 15.00 Uhr ins Theater gehen?“, so Drozda.

All das sei die Konsequenz „fehlenden Verständnisses von Türkis-Grün für die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft und mangelnden Respekts vor den Menschen, die in diesem Bereich tätig sind. Sie haben in dieser Regierung einfach keine Lobby.“ Der SPÖ-Kultursprecher: „Man muss sich doch nur die Prioritäten dieser Regierung anschauen: Wenn Kulturminister Kogler nur ein Zehntel so viel Engagement und Einsatz für die Kultur investieren würde, wie es Kurz und Köstinger für die Seilbahnbetreiber tun, wäre die Situation der Kulturbranche eine andere.“

Dabei habe gerade dieser Bereich in vorbildlicher Weise Präventionskonzepte erarbeitet, die es möglich machen würden, relativ sicher offen zu halten. „Darüber wird aber hinweggefahren. Obwohl niemand erklären kann, was es epidemiologisch für einen Unterschied macht, ob man um 15.00 Uhr oder um 19.00 Uhr eine Theatervorstellung sieht.“

Ruiss: Kein ernstzunehmender Betrieb möglich

„Einen ernstzunehmenden Betrieb erlaubt diese Öffnung von Kultureinrichtungen und Zulassung von Kulturveranstaltungen nach dem derzeitigen Planungsstand nicht“, kritisierte auch Ruiss. „In erster Linie werden die Schließungen durch Zugangsbeschränkungen ersetzt.“ Schließlich könnten aufgrund der nächtlichen Ausgangsbeschränkungen Veranstaltungen nur tagsüber stattfinden, wodurch der übliche Abendbetrieb entfalle.

Daher gebe es „keine Möglichkeit zur Wahrnehmung von Kulturangeboten für ein erwerbstätiges und/oder mit der Kinderbetreuung beschäftigtes Publikum an Wochentagen untertags“, kritisiert Ruiss. „Wenn man unter solchen Voraussetzungen überhaupt von einer Öffnung des Kunst- und Kulturbetriebes sprechen kann, dann nur auf allerniedrigstem Niveau.“

Wien: Kein Einsatz der MA 15 beim Freitesten

Erste Absagen kamen aber auch schon bezüglich der Kontrolle in der Gastronomie. Dass die Gesundheitsbehörden in den Gastronomiebetrieben den Infektionsstatus der Gäste kontrollieren, schließt man bei der Stadt Wien aus. „Sicher nicht“, hieß es dazu aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Zur Eindämmung der Pandemie hätte die MA 15 Wichtigeres zu tun, als „durch die Gasthäuser zu ziehen“ – mehr dazu in wien.ORF.at.