Der designierte Arbeitsminister Martin Kocher
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Aschbacher-Nachfolge

Kocher wird als Arbeitsminister angelobt

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird am Montag den neuen ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher angeloben. Der 47-jährige Wirtschaftsforscher tritt die Nachfolge von Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) an, die am Samstag wegen einer Plagiatsaffäre zurückgetreten ist. Die Zuständigkeit für Familie und Jugend übernimmt in weiterer Folge Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Für die Neubestellung gab es viel Lob – aber auch Kritik.

Der gebürtige Salzburger Kocher ist parteifrei, zieht aber auf einem ÖVP-Mandat in die Regierung ein. Kocher sagte, er komme als unabhängiger Experte in die Regierung. Die Anfrage, Minister zu werden, sei für ihn überraschend gekommen. In diesen Zeiten wolle er aber Verantwortung übernehmen.

Es handle sich um die tiefste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, so Kocher. Jeder geschaffene Arbeitsplatz werde helfen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Laut aktueller IHS-Prognose werde die Arbeitslosigkeit noch 2024 über dem Niveau von 2019 sein. „Das Ziel muss sein, das besser hinzubekommen“, sagte Kocher. Er wolle rascher zurückkehren auf den Wachstumspfad sowie den Standort stärken.

Martin Kocher und Sebastian Kurz
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Kurz stellte Kocher am Sonntag als neues Regierungsmitglied vor

„Werden voll losstarten“

Dass die Arbeiterkammer (AK) bereits angekündigt hat, dem neuen Arbeitsminister angesichts der hohen Arbeitslosigkeit keine Schonfrist zu gönnen, nahm Kocher am Sonntag gelassen: „Es gibt keine Einarbeitungszeit. Wir werden voll mit heute Nachmittag losstarten und die Herausforderungen angehen.“

Martin Kocher im Porträt

Seit 2016 ist Martin Kocher Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien. 2020 wurde Kocher als Nachfolger von Gottfried Haber zum Präsidenten des Fiskalrats bestellt. Er ist außerdem einer der aktivsten Forscher auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung in Deutschland.

Kocher übernimmt vorerst noch alle Funktionen Aschbachers. Nach einer entsprechenden Änderung des Bundesministeriengesetzes wandert die Zuständigkeit für Familie und Jugend dann zu Raab ins Kanzleramt, was formal eine weitere Angelobung erfordert.

Kurz freut sich über „Topexperten“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte entgegen ersten Plänen die Vorstellung des neuen Ressortchefs im Bundeskanzleramt um einen Tag auf Sonntag vorgezogen. Kurz dankte zuerst Aschbacher erneut, die während der Pandemie gute Arbeit geleistet habe. Sie wolle mit ihrem Rücktritt ihre Familie schützen, das sei zu respektieren.

Auch Aschbacher habe Anspruch auf eine faire Behandlung. Während und nach der Pandemie sei es notwendig, Österreich „zu alter Stärke“ zu führen, so Kurz. Das wolle er mit einem starken Team angehen. „Ich freue mich, dass ich mit Martin Kocher zusätzlich einen Topexperten gewinnen konnte“, so Kurz.

Leiter des IHS und Präsident des Fiskalrats

Der gebürtige Salzburger leitete seit September 2016 das IHS und ist seit Juni 2020 auch Präsident des Fiskalrats. Kocher ist kein ÖVP-Mitglied, die ÖVP bediente sich aber mehrfach seiner Expertise. Auch bei einer Regierungsklausur trat er schon auf.

Neben der Leitung des IHS und des Fiskalrats, womit er quasi Wächter über Österreichs Staatsschulden ist, lehrt Kocher auch an der Universität Wien. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit zahlreichen Themen aus dem Gebiet der experimentellen Verhaltensökonomie, die sich mit den psychologischen Grundlagen des ökonomischen Verhaltens befasst.

Dazu hat er auch zahlreiche Bücher und Artikel verfasst. So veröffentlichte er beispielsweise Arbeiten zum Einfluss von Zeitdruck auf individuelle Entscheidungen und über die Entwicklung von Präferenzen bei Kindern und Heranwachsenden.

Politologe Filzmaier zur Bestellung von Kocher

Welche Herausforderungen den designierten Arbeitsminister Martin Kocher in seinem Ressort erwarten, analysiert Politologe Peter Filzmaier.

Lob und Kritik für Bestellung

Dem neuen Minister wurde nach seiner Vorstellung ein überwiegend freundlicher Empfang zuteil. Lob gab es vom Koalitionspartner, den Grünen, sowie von SPÖ und NEOS und auch vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). „Herzlich willkommen“, sagte Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler. Kocher sei „ein kluger Ökonom und vorausschauender Experte“. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried meinte, dass Kocher in der Öffentlichkeit als Experte gelte. „Es wird jetzt seine Aufgabe sein, dieses Wissen einzubringen, um den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit mit aller Kraft aktiv zu führen.“

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker lobte Kocher als Experten, dem er alles Gute wünsche. Er bedauerte, dass die Regierungsumbildung nicht für einen großen Wurf genutzt wurde, um auch die Gesundheits- und Sozialressorts neu zu organisieren. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian begrüßte die rasche Entscheidung und gratulierte Kocher ebenso wie die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung.

Kritik kam aus der FPÖ. Während für FPÖ-Obmann Norbert Hofer die Qualifikation Kochers „ohne Zweifel“ feststehe und er dem neuen Minister alles Gute wünsche, kritisierte Klubobmann Herbert Kickl den neuen Minister als „beinharten wirtschaftsliberalen Theoretiker“.

Steirische ÖVP nimmt Personalie „zur Kenntnis“

Dass die Familien- und Jugendagenden nun zu Raab ins Frauenressort wandern, stieß bei der SPÖ auf Kritik: SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek kritisierte die Vermischung von Frauen- und Familienpolitik und warf Raab vor, schon als Frauenministerin untätig zu sein. Auch NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter hielt die Vermischung der beiden Themen für problematisch: „Frauenpolitik ist kein Beiwagerl der Familienpolitik.“

Die steirische ÖVP ist mit Aschbachers Abgang im Regierungsteam nicht mehr vertreten. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hatte darauf gedrängt, dass die Nachfolge auch aus der Steiermark kommen soll. Am Sonntag sagte er der APA: „Das Regierungsteam der ÖVP ist Sache von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Wir tragen seine sicher gute Entscheidung mit und nehmen sie zur Kenntnis.“