Senatoren im Plenarsaal des US-Senats
AP/Senate Television
Gegen Trump

Zweites Impeachment-Verfahren eingeleitet

Wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ wollen die US-Demokraten den baldigen Ex-Präsidenten Donald Trump seines Amtes entheben. Am Montag wurde die Resolution im Repräsentantenhaus eingereicht. Die Demokraten riefen zugleich Vizepräsident Mike Pence auf, Trump abzusetzen. Doch noch blockieren die Republikaner ein von den Demokraten angestrebtes Ultimatum an Pence.

In dem am Montag eingebrachten Resolutionsentwurf wird Trump als „eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung“ bezeichnet. Der Versuch des demokratischen Abgeordneten Steny Hoyer, eine entsprechende Resolution einstimmig zu verabschieden, scheiterte am Montag am Widerstand des republikanischen Abgeordneten Alex Mooney. Pence soll mit der Resolution aufgefordert werden, infolge der Erstürmung des US-Kapitols durch Anhänger Trumps unverzüglich Schritte zur Absetzung des amtierenden Präsidenten auf Basis eines Zusatzartikels der US-Verfassung einzuleiten. In der Resolution ist vorgesehen, dass Pence binnen 24 Stunden auf das Gesuch reagiert.

Das Repräsentantenhaus wird wieder Dienstagfrüh (Ortszeit) zusammenkommen und voraussichtlich über die Resolution entscheiden. Da die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, dürfte die Resolution dann verabschiedet werden. Anschließend müsste sich der Senat damit befassen. Dort gilt eine Entscheidung vor dem 20. Jänner, dem Tag der Angelobung des designierten US-Präsidenten Joe Biden, aber als quasi ausgeschlossen.

Kopie der Resolution des US-Senats zur Absetzung des US-Präsidenten Donald Trump
AP/Wayne Partlow
Der Impeachment-Text in der am Montag von den US-Demokraten eingebrachten Resolution

Pence reagierte bisher nicht auf Forderungen

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte Pence schon in den vergangenen Tagen aufgefordert, einzuschreiten, um Trump abzusetzen. „Beim Schutz unserer Verfassung und unserer Demokratie werden wir mit Dringlichkeit handeln, weil dieser Präsident eine unmittelbare Bedrohung für beide darstellt. Je mehr Tage vergehen, desto größer wird der Schrecken des anhaltenden Angriffs auf unsere Demokratie durch diesen Präsidenten und desto dringender ist der Handlungsbedarf“, schrieb Pelosi in einem Brief.

Der Vizepräsident kann auf Grundlage des Zusatzartikels 25 der US-Verfassung mit einer Mehrheit wichtiger Kabinettsmitglieder den Präsidenten für unfähig erklären, „die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben“. Pence selbst reagierte bisher nicht auf diese Forderungen. Neben der Amtsenthebung sieht der Resolutionsentwurf auch vor, dass Trump für künftige Regierungsämter gesperrt werden soll. Damit würde ihm eine etwaige Kandidatur 2024 verwehrt. Deswegen wäre das Impeachment-Verfahren mehr als ein symbolischer Schritt für die Geschichtsbücher.

Aus für neuerliche Kandidatur

Kommt es zu einer Amtsenthebung durch Pence und die Regierung oder zu einer Verurteilung im Impeachment-Verfahren, kann Trump für die Zukunft von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden. Trump könnte damit in vier Jahren, also im November 2024, nicht zur Präsidentschaftswahl antreten. Damit hat Trump zuletzt immer wieder geliebäugelt, auch wenn, wie so oft bei Trump, unklar ist, wie ernst das zu nehmen ist.

Das könnte nicht zuletzt auch ein Grund sein, dass auch Republikaner im Senat für eine Verurteilung stimmen könnten, sollte es zur Anklage kommen. Denn es gibt mehrere, die selbst mit einer Kandidatur 2024 liebäugeln und so den gefährlichsten Konkurrenten verhindern könnten. Der republikanische Senator Ben Sasse sagte dem Sender CBS, er würde eine Anklage „definitiv in Betracht ziehen“. Doch auch wenn der Unmut über Trump auch unter den Republikanern wächst – die für eine Verurteilung nötige Zweidrittelmehrheit im Senat ist nicht in Sicht. Mit den künftig 50 Demokraten im Senat müssten 17 Republikaner dafür stimmen. Beim ersten Amtsenthebungsverfahren hatten die Republikaner im Senat Trump im Februar 2020 freigesprochen.

Sturm auf das Capitol
Reuters/Shannon Stapleton
Die Bilder von dem Angriff auf das Kapitol haben die US-Politik nachhaltig erschüttert

Inzwischen mehren sich auch die Stimmen aus der Wirtschaft, die Spenden an Biden-Verweigerer im Kongress stoppen. Nach der Hotelkette Marriott und dem Krankenversicherungsverband Blue Cross Blue Shield Association folgte am Montag auch Amercian Express.

Präzedenzfall 1876

Selbst wenn es keine Entscheidung vor dem 20. Jänner geben sollte, gehen die Demokraten davon aus, dass ein Impeachment-Verfahren auch dann stattfinden kann, wenn die Person nicht mehr in Amt und Würden ist. Das ist bisher bei einem Präsidenten noch nie der Fall gewesen – so wie auch noch nie einer zweimal im Kongress angeklagt wurde. Aber es gibt einen Präzedenzfall: Der Kriegsminister William Belknap wurde erst nach Verlassen des Amtes 1876 in einem Impeachment der Korruption für schuldig befunden. Er hatte Waffen aus den staatlichen Depots an Frankreich verkauft und an dem Deal selbst verdient.

Abschreckung, Strategie und Taktik

Vielen Demokraten geht es nach eigenen Angaben aber auch um einen Läuterungs- und Abschreckungseffekt. So wie derzeit allseits auch die strafrechtliche Verfolgung all jener, die in den Kongress eindrangen, gefordert wird, soll mit einem Impeachment verhindert werden, dass künftig führende Politiker – ob direkt oder indirekt – zum Sturm auf demokratische Institutionen aufrufen. Gleichzeitig stellte der hochrangige demokratische Abgeordnete Thomas Clyburn in Aussicht, dass ein Impeachment wenn, dann erst in mehreren Monaten starten könnte.

Damit soll Joe Biden und seiner neuen Regierung die Möglichkeit gegeben werden, ihre Arbeit so weit als unter den gegebenen Umständen möglich ungestört zu beginnen. Denn die Auseinandersetzung um das Impeachment dürfte die Gräben zwischen Demokraten und Republikanern vertiefen, auch wenn sich einzelne Republikaner gegen Trump stellen sollten. Es könnte auch dazu führen, dass es die Republikanische Partei eher eint. Denn diese steht derzeit vor einer internen Zerreißprobe zwischen radikalen Trump-Anhängern und vergleichsweise Gemäßigten.

Thomas Langpaul (ORF) aus Washington

Am 20. Jänner wird Joe Biden als neuer Präsident der USA angelobt. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump könnte sich in neun Tagen schwer ausgehen, so ORF-Korrespondent Thomas Langpaul aus Washington.

Biden selbst will sich in der Angelegenheit offenbar möglichst heraushalten. In diese Richtung gingen seine Äußerungen in den letzten Tagen, bei denen er auf die Unabhängigkeit des Justizministeriums und des Kongresses verwies. Sein erklärtes Ziel ist es, die tiefe Spaltungen in der US-Gesellschaft zumindest zu lindern. Wie ein Impeachment hier auch langfristig wirken würde, ist völlig offen. Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass Trump nach dem 20. Jänner auch mehrere Prozesse drohen. Auch die Finanzbehörde dürfte die seit Jahren laufende Steuerprüfung wohl irgendwann abschließen.

Pompeo will Täter „schnell“ zur Rechenschaft ziehen

Die Demokraten werfen dem Präsidenten vor, seine Anhänger vor der Erstürmung des Kapitols am Mittwoch bei einer Kundgebung aufgestachelt zu haben. Bei den Unruhen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Mindestens 90 Randalierer wurden wegen unterschiedlicher Vergehen festgenommen.

Suche nach Eindringlingen auf einer Anzeigetafel in Washington
Reuters/Joshua Roberts
Die Angreifer werden behördlich gesucht

US-Außenminister Mike Pompeo forderte am Montag, die Täter „schnell“ zur Rechenschaft zu ziehen. „Amerikas Demokratie wird durch Recht und Ordnung erhalten, nicht durch das Handeln eines Mobs“, schrieb Pompeo am Montag auf seinem privaten Twitter-Konto. Pompeo gilt seit Langem als sehr loyal gegenüber Trump. In seinen bisherigen Tweets hatte er den Angriff auf das Kapitol als „verwerflich“ bezeichnet, jedoch nicht explizit zur strafrechtlichen Verfolgung der Täter aufgerufen.

Melania Trump verurteilt Gewalt

Fünf Tage nach den gewaltsamen Ereignissen beim und im Kapitol brach auch Melania Trump ihr Schweigen und verurteilte das Vorgehen der Randalierer. „Gewalt ist niemals akzeptabel“, schrieb sie in einem Brief, der am Montag veröffentlicht wurde. „Es ist ermutigend zu sehen, dass so viele Menschen sich für eine Wahl begeistern und Leidenschaft zeigen, aber wir können nicht zulassen, dass diese Leidenschaft in Gewalt umschlägt.“ Die First Lady ging aber nicht darauf ein, dass es die Anhänger ihres Mannes gewesen waren, die im Kapitol die Verwüstungen anrichteten.

Die New Yorker Anwaltskammer prüft indes den Rauswurf von Trumps Anwalt Rudy Giuliani. Dieser habe bei Trumps folgenreicher Großkundgebung am 6. Jänner der Menge zugerufen, sie solle für ihr Recht kämpfen.