Mike Pence und Donald Trump
Reuters/Carlos Barria
Gegen Absetzung

Pence stellt sich demonstrativ hinter Trump

Angesichts der Bestrebungen zur vorzeitigen Entmachtung von Donald Trump haben der abgewählte US-Präsident und sein Stellvertreter Mike Pence ein Signal des Zusammenhalts ausgesendet. Trump und Pence seien am Montag im Weißen Haus zusammengetroffen und hätten „ein gutes Gespräch“ geführt, teilte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter mit. Beide wollten bis zum Ende von Trumps Amtszeit am Mittwoch kommender Woche „ihre Arbeit zugunsten des Landes“ fortsetzen.

Der Regierungsmitarbeiter sagte, dass Trump nicht die Absicht habe, als Konsequenz aus dem Aufruhr von Mittwoch am Sitz des US-Kongresses vorzeitig zurückzutreten. Pence wiederum habe nicht vor, den 25. Verfassungszusatz anzuwenden, der die Absetzung des Präsidenten durch den Vizepräsidenten und das Kabinett ermöglicht, wenn das Staatsoberhaupt für amtsunfähig befunden wird.

Die US-Demokraten üben seit der Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhänger Druck auf Pence aus, diesen Verfassungszusatz anzuwenden. Einen entsprechenden Resolutionsentwurf brachten sie am Montag in das Repräsentantenhaus ein. Am Dienstagabend (Ortszeit, Mittwoch MEZ) soll das Repräsentantenhaus über die Resolution abstimmen, in der Pence aufgerufen ist, auf das Gesuch zu reagieren. Durch die Resolution wurde Pence eine Frist von 24 Stunden gesetzt, der Forderung nach Absetzung Trumps nachzukommen.

Trump Anhänger stürmen das Kapitol
Reuters/Leah Millis
Randalierer auf dem Kapitol

Pence rückte in vergangenen Tagen von Trump ab

Tut der Vizepräsident das nicht, wollen die Demokraten das Repräsentantenhaus über eine Anklageerhebung gegen Trump wegen der Randale abstimmen lassen. Dieses Impeachment zieht laut der Verfassung ein Amtsenthebungsverfahren im Senat – der anderen Kongresskammer – nach sich.

Pence hatte sich in den vergangenen vier Jahren stets loyal zu Trump verhalten, war aber in den vergangenen Tagen auf Distanz zum Präsidenten gegangen. So verweigerte er sich Trumps Forderung, sein Vize solle in seiner gleichzeitigen Funktion als Vorsitzender des Senats die formelle Bestätigung des Sieges des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentenwahl blockieren. Diese Zertifizierung durch den Kongress war in der Nacht auf Donnerstag erfolgt, nachdem die diesbezügliche Sitzung zuvor mehrere Stunden lang wegen der Randale der Trump-Anhänger hatte unterbrochen werden müssen.

Trump distanziert sich von Aufrührern

Nach der Zertifizierung kündigte Pence zudem an, dass er an der für den 20. Jänner vorgesehenen Vereidigung Bidens teilnehmen werde. Trump sagte hingegen, er werde nicht teilnehmen. Das jetzige Treffen zwischen Trump und Pence war das erste seit der Erstürmung des Kapitols. Beide hätten dabei ihre Ansicht bekräftigt, „dass jene, die das Gesetz gebrochen und vergangene Woche das Kapitol gestürmt haben, nicht für die ‚Amerika first‘-Bewegung stehen“. „Amerika zuerst“ war das Leitmotto der vierjährigen Trump-Präsidentschaft.

Mit dieser Mitteilung distanzierte sich Trump erneut von den Aufrührern. Der Präsident war allerdings kurz vor den Ausschreitungen vor Tausenden Anhängern in Washington aufgetreten und hatte diese mit seiner völlig unbelegten Behauptung aufgepeitscht, bei der Präsidentschaftswahl am 3. November habe es schwere Betrügereien gegeben. Auch forderte er sie zum Marsch auf das Kapitol auf. Der Zorn der Randalierer am Kongresssitz richtete sich auch gegen Pence – weil sich dieser geweigert hatte, die Bestätigung von Bidens Wahlsieg weiter zu blockieren. Wie die Parlamentarier musste auch Pence in Sicherheit gebracht werden.

Donald Trump
AP/Jacquelyn Martin
Donald Trump hat nur noch wenige Tage als US-Präsident vor sich

Verschärfte Sicherheit bei Biden-Amtseinführung

Nach der Erstürmung des Kapitols verschärfen die US-Behörden die Sicherheitsvorkehrungen für die anstehende Amtseinführung Bidens. Die Nationalgarde will zur Unterstützung der örtlichen Sicherheitskräfte bis zu 15.000 Soldaten in der Hauptstadt Washington zusammenziehen. Auch das Heimatschutzministerium kündigte am Montag eine Ausweitung der Sicherheitsmaßnahmen rund um die Vereidigung an. Hintergrund sind Befürchtungen weiterer gewalttätiger Proteste in den nächsten Tagen.

Derzeit sind gut 6.000 Soldaten im Einsatz. Mehr als doppelt so viele könnten es werden, um bei der Absicherung von Bidens feierlicher Vereidigung vor dem Kapitol am 20. Jänner zu helfen. Um den Parlamentssitz wurde zudem ein neuer Sicherheitszaun errichtet. Biden selbst sagte, er sehe der Zeremonie ohne Sicherheitsbedenken entgegen. „Ich habe keine Angst, den Eid draußen abzulegen“, antwortete er am Montag auf eine entsprechende Journalistenfrage.

FBI-Warnung für Hauptstädte aller Bundesstaaten

Die Vereidigung findet traditionell auf der Westterrasse des Kapitols statt. Die Amtseinführung eines neuen Präsidenten ist per se eine Veranstaltung mit größtem Sicherheitsaufgebot. In diesem Jahr gilt das angesichts der jüngsten Ausschreitungen aber in besonderem Maße – auch wenn die Zeremonie wegen der CoV-Pandemie ohne das sonst übliche Massenpublikum in Washington stattfindet.

Mehrere US-Medien berichteten am Montag über eine interne Warnung der Bundespolizei FBI an die Sicherheitskräfte, der zufolge es rund um Bidens Amtseinführung in den Hauptstädten aller Bundesstaaten zu bewaffneten und gewaltsamen Protesten kommen könnte. Eine bewaffnete Gruppe wolle am Samstag nach Washington reisen, hieß es laut einem Bericht des Senders ABC in dem FBI-Hinweis. Twitter hatte vor wenigen Tagen ebenfalls gewarnt, auf seiner Plattform und anderswo würden bereits konkrete Pläne für weitere bewaffnete Proteste verbreitet. Unter anderem sei dort die Rede von einer weiteren Attacke auf das Kapitol und auf Parlamentsgebäude in Bundesstaaten am 17. Jänner.

Notstandserklärung für Washington erlassen

Amtsinhaber Trump erließ am Montag mit Blick auf Bidens Vereidigung eine sofortige Notstandserklärung für die US-Hauptstadt, die bis zum 24. Jänner gilt. Das ist ein formaler Akt, damit die Hauptstadt Unterstützung von Bundesbehörden anfordern kann. Die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, hatte Hilfen angefordert.

Das Heimatschutzministerium erklärte am Montag ebenfalls auf Bitten Bowsers, angesichts der jüngsten Ereignisse werde der Secret Service bereits am Mittwoch eine verstärkte Einsatzphase beginnen. Ursprünglich sollte der Großeinsatz, verbunden mit der Sperrung von Teilen der Innenstadt Washingtons, erst am 19. Jänner beginnen. Bei der Amtseinführung hat der für den Schutz des Präsidenten zuständige Secret Service die Federführung über die Sicherheitsvorkehrungen.

Heimatschutzminister tritt zurück

Inmitten der angespannten Sicherheitslage erklärte der geschäftsführende Heimatschutzminister (Minister für innere Sicherheit) Chad Wolf, dessen Ressort in dieser Frage die zentrale Rolle spielt, seinen vorzeitigen Abgang. Wolf veröffentlichte am Montag auf Twitter eine Rücktrittserklärung. In der vergangenen Woche hatten bereits Bildungsministerin Betsy DeVos und Verkehrsministerin Elaine Chao ihren vorzeitigen Abgang angekündigt und das mit der Attacke auf das Kapitol begründet.

Wolf hatte einen Tag nach der Erstürmung des Kongresssitzes Trump „angefleht“, die „tragische und widerliche“ Gewalt nachdrücklich zu verurteilen. In jener Erklärung hatte Wolf noch betont, er wolle bis zum Ende von Trumps Amtszeit weitermachen. Zuletzt hatten neben Kabinettsmitgliedern auch andere Mitarbeiter der Regierung wegen des Angriffs auf das Kapitol ihre Tätigkeit beendet.