Nancy Pelosi
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Trump

US-Repräsentantenhaus für Amtsenthebung

Nach der Erstürmung des US-Kapitols durch radikale Anhänger und Anhängerinnen von Donald Trump hat das Repräsentantenhaus ein erneutes Amtsenthebungsverfahren gegen den abgewählten Präsidenten eröffnet. Die Kongresskammer stimmte am Mittwoch mehrheitlich dafür, dass sich Trump im Senat wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ verantworten muss.

Damit geht Trump in die Geschichte ein: Noch nie wurden gegen einen US-Präsidenten gleich zwei Amtsenthebungsverfahren eröffnet. Bei der Abstimmung über das Impeachment in der Kongresskammer wurde am Mittwoch die Schwelle von 217 Abgeordnetenstimmen überschritten. Laut CNN stimmten 197 dagegen und 232 dafür, davon zehn republikanische Abgeordnete – mehr als erwartet. Eine Stellungnahme von Trump lag noch nicht vor.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, forderte zuvor die sofortige Amtsenthebung von Trump: „Er muss gehen. Er ist eine klare und gegenwärtige Gefahr für das Land“, sagte die Demokratin heute im Parlament. Trump habe „inländische Terroristen“ angestachelt, um sich gegen seine Wahlniederlage zu wehren, sagte Pelosi. „Sie sind nicht aus einem Vakuum gekommen.“ Trump habe sich der „Anstiftung zum Aufruhr“ schuldig gemacht. Dafür müsse er zur Rechenschaft gezogen werden.

US Präsident Donald Trump
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232 Abgeordnete votierten für eine Anklageerhebung gegen Trump wegen „Anstiftung zum Aufruhr“, darunter zehn Republikaner

Trump muss sich nun einem Impeachment-Verfahren im Senat stellen, das einem Gerichtsprozess ähnelt. Im Senat wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, um Trump am Ende zu verurteilen. Dafür müssten sich mindestens 17 republikanische Senatoren auf die Seite der Demokraten schlagen. Ob es dazu kommen könnte, ist derzeit unklar. Mit dem Impeachment-Verfahren wollen die Demokraten auch erreichen, dass Trump für künftige Regierungsämter gesperrt werden soll.

Trump fordert vor etwaigen neuen Demos Gewaltfreiheit

Trump scheidet mit der Vereidigung seines Nachfolgers Joe Biden am Mittwoch automatisch aus dem Amt aus. Davor rief Trump dazu auf, dass neue Proteste gewaltfrei ablaufen sollen. „Angesichts der Berichte über weitere Demonstrationen fordere ich, dass es keine Gewalt, keine Gesetzesverstöße und keinen Vandalismus jeglicher Art geben darf“, hieß es heute in einer vom Weißen Haus ausgesandten Mitteilung. „Dafür stehe ich nicht, und dafür steht Amerika nicht. Ich fordere alle Amerikaner auf, Spannungen abzubauen und die Gemüter zu beruhigen.“

Langpaul (ORF) zu Amtsenthebungsambitionen

Thomas Langpaul kommentiert die Sinnhaftigkeit des von den Demokraten angestrebten Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Trump in den letzten Tagen von dessen Amtszeit.

Anhänger und Anhängerinnen Trumps hatten am Mittwoch vergangener Woche das Kapitol in Washington gestürmt. Kritiker werfen dem Republikaner vor, seine Unterstützer zuvor bei einer Kundgebung aufgestachelt zu haben. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist.

Trump wetterte am Dienstag, der „Amtsenthebungsschwindel“ der Demokraten verursache „enorme Wut und Spaltung und Schmerz“, was für die USA besonders gefährlich sei „in dieser sehr empfindlichen Zeit“. Er selbst wollte sich keiner Schuld bewusst sein. Mit Blick auf seine Rede vor Unterstützern unmittelbar vor dem tödlichen Gewaltausbruch am Kapitol sagte Trump: „Sie wurde analysiert, und die Leute fanden, dass das, was ich gesagt habe, völlig angemessen war.“

Erstes Impeachment

Bereits Ende 2019 gabe es ein Impeachment wegen der Ukraine-Affäre. Der Senat sprach den Präsidenten in der Folge aber frei.

„Trump trägt Verantwortung für Sturm“

Indes trägt Trump nach Ansicht des Minderheitenführers der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, „Verantwortung“ für die gewaltsame Erstürmung des Kapitols durch seine Anhänger.

Es sei aber falsch, ihn deswegen in den letzten Tagen seiner Amtszeit mit einem beschleunigten Verfahren des Amtes zu entheben, sagte McCarthy vor der Abstimmung im Parlament. Eine Amtsenthebung des Republikaners würde die politische Spaltung des Landes weiter verstärken, warnte er. Auch Vizepräsident Mike Pence sprach sich bereits gegen eine Amtsenthebung aus. Auch eine sofortige Absetzung Trumps per Verfassungszusatz sei nicht im nationalen Interesse.

Nancy Pelosi
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„Er muss gehen. Er ist eine klare und gegenwärtige Gefahr für das Land“, sagte Pelosi

„Auch andere dringende Anliegen“

Biden appellierte unterdessen an den Senat, sich nicht völlig von dem Amtsenthebungsverfahren absorbieren zu lassen. Die Kammer solle sich zugleich auf die Nominierungen für das neue Regierungsteam und die politischen Prioritäten der neuen Regierung konzentrieren. „Ich hoffe, dass die Senatsführung einen Weg findet, um mit ihrer verfassungsmäßigen Verantwortung bei dem Impeachment umzugehen, während sie auch an anderen dringenden Anliegen dieser Nation arbeitet“, wie Biden dazu sagte.

Kein Votum im Senat diese Woche

Die Entscheidung über eine tatsächliche Amtsenthebung liegt beim Senat. Der oberste Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, will das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump erst nach dessen Ausscheiden in der kommenden Woche starten. McConnell teilte am Mittwochabend (Ortszeit) mit, angesichts der knappen Zeit sei es nicht möglich, ein solches Verfahren noch vor der Vereidigung Bidens am Mittwoch zum Abschluss zu bringen.

„Das ist keine Entscheidung, die ich treffe; das ist ein Fakt“, erklärte McConnell in einer Mitteilung, die er auf Twitter verbreitete. Angesichts dieser Realität sei dem Land am meisten gedient, wenn man sich zunächst auf eine sichere und geordnete Amtsübergabe konzentriere.

Zweidrittelmehrheit erforderlich

Die nächste Sitzung dürfte damit am Dienstag stattfinden, einen Tag vor dem Ende von Trumps Amtszeit. Für Trumps formelle Verurteilung durch den Senat ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, die als sehr schwierig zu erreichen gilt.

Mehr als ein Dutzend der republikanische Senatoren müsste sich auf die Seite der Demokraten schlagen. Einzelne Republikaner im Senat haben sich offen gegen Trump gestellt, aber bisher kein Ja zum Impeachment zugesagt. Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff, sagte CNN, es könne womöglich ein politisches „Erdbeben“ im Senat geben, das zu einer Mehrheit für Trumps Impeachment führen könnte.

Schiff bezog sich dabei auf einen Bericht der „New York Times“, wonach der führende Republikaner im Senat, Mitch McConnell, intern erkennen lassen habe, dass er den Anklagepunkt gegen Trump für gerechtfertigt halte. Unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen aus McConnells Umfeld schrieb die Zeitung, dieser sei froh, dass die Demokraten ein Impeachment-Verfahren angestoßen hätten, weil das der Republikanischen Partei erleichtern könne, sich von Trump loszusagen.