Man geht vor geschlossenem Geschäft vorbei
Reuters/Fabrizio Bensch
Berichte

Harter Lockdown vor Verlängerung

Eine Entscheidung über den weiteren CoV-Fahrplan rückt näher – und eine Verlängerung, wenn nicht sogar Verschärfung des Lockdowns zeichnet sich ab. Wie der „Kurier“ berichtet, dürften Handel sowie Schulen, die am 25. Jänner hätten aufsperren sollen, zu bleiben. „Österreich“ berichtete von Verschärfungen. Das war auch den Statements der von der Regierung konsultierten Experten zu entnehmen. Sie drängten angesichts zu hoher Infektionszahlen und der Virusvariante B.1.1.7 auf Lockdown-Verlängerung und FFP2-Pflicht.

„Ab Mitte Februar soll es unter strengen Auflagen – Tragen von FFP2-Masken, Eintrittstesten für bestimmte Berufsgruppen sowie für Gastronomie und Kultur – wieder eine minimale Variante der Normalität geben“, heißt es im „Kurier“ etwa. Laut „Heute“ sollen auch körpernahe Dienstleistungen und Fitnesscenter geschlossen bleiben. Für Supermärkte, Postämter und öffentliche Verkehrsmittel könnte eine FFP2-Maske verpflichtend werden.

Die Regierung beriet sich zuletzt mit Landeshauptleuten, Experten und Sozialpartnern. Im Laufe des Tages sollte es nach Angaben aus dem Bundeskanzleramt eine weitere Videokonferenz mit den Landeshauptleuten geben. Mit der Verkündigung der Entscheidung über das weitere Vorgehen hinsichtlich des Lockdowns ist für Sonntagvormittag zu rechnen, für den späteren Vormittag ist eine Pressekonferenz im Kanzleramt geplant.

Beratungen über Lockdown-Verlängerung

Am Samstag gaben sich im Bundeskanzleramt Sozialpartner und Expertinnen die Klinke in die Hand: Letztere meinen, die Infektionszahlen seien weiterhin zu hoch, der Lockdown müsse verlängert werden.

„Es braucht ein Datum“

Die Sozialpartner pochten nach ihrem Treffen mit der Regierung Samstagmittag jedenfalls auf ein Datum. „Der ganz entscheidende Punkt ist: Die Menschen brauchen eine klare Ansage. Die Menschen brauchen Planungssicherheit, was passiert wo in welchem Bereich“, sagte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) nach dem Treffen im Kanzleramt. Klar sei, dass das nicht der März sein könne, sondern ein „deutlich früherer Zeitpunkt“.

Auch ÖGB-Chef Wolfgang Katzian forderte Klarheit, zur Homeoffice-Pflicht äußerte er sich skeptisch. Man habe zudem „klar gesagt, das Ganze bringt nur was, wenn man zum einen die Bevölkerung mitnimmt und zum anderen die Wirtschaft nicht kaputt macht“. Im Vordergrund stehe, dass man das Gesundheitssystem nicht überfordert, „aber wir müssen gleichzeitig die Maßnahmen so setzen, dass man die Wirtschaft nicht ganz ruiniert“.

Handel weiter in Gesprächen

Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, signalisierte nach dem Treffen Bereitschaft, eine Lockdown-Verlängerung mitzutragen, sofern die produzierende Industrie weiter aufrecht bleiben kann. „Ich glaube, erst wenn wir gemeinschaftlich die Infektionszahlen zurückbringen, wenn wir das Virus besiegen, dann können wir alles wieder öffnen. Daher ist es jetzt notwendig, nochmals in einem gemeinsamen Kraftakt solidarisch zusammenzuhalten.“

Der Handelsverband befinde sich einer Aussendung zufolge weiterhin in Gesprächen mit der Regierung, „um für eine Öffnung unter Einhaltung der Sicherheits- und Hygienemaßnahmen aufgrund des losen Kundenkontaktes und der geringen Aufenthaltsdauern in Geschäften zu werben“. Dabei sei die „Einhaltung eines etwaigen FFP2-Maskengebotes für MitarbeiterInnen und KundInnen zugesagt“ worden.

Hotels wollen aufsperren

Von einer möglichen Verlängerung des Lockdowns wollen viele Touristiker nichts mehr hören. Sie wollen aufsperren. „Wir möchten arbeiten. Um so länger das dauert, umso mehr langjährige Mitarbeiter verlieren wir auch“, beklagte der Hotelier Armin Pfurtscheller aus dem Stubaital in Tirol am Samstag in der ZiB1. Viele würden die Branche wechseln.

Tourismus gegen Lockdown-Verlängerung

Von einer Verlängerung des Lockdowns oder gar noch schärferer Regeln wollen viele im Tourismus nichts mehr hören: Fast fünf Monate haben Hoteliers und Wirte ihre Häuser und Restaurants insgesamt seit Beginn der Coronavirus-Krise schon geschlossen – jetzt aber wollen sie aufsperren.

Klarheit von der türkis-grünen Bundesregierung forderte der Tiroler Wirtschaftskammerchef Christoph Walser. Die Sicherheitskonzepte hätten sich im Tourismus in der Pandemie bewährt, argumentierte er in Richtung einer Öffnung. Wenn weiter nicht aufgesperrt werden dürfe, dann sei das immerhin auch eine Entscheidung, auf deren Basis man über Entschädigungsmodelle reden könne, so Walser.

Erst am Freitag hatte die Hoteliervereinigung (ÖHV) die Forderung nach einem weiteren Umsatzersatz bekräftigt, sollte der Lockdown verlängert werden. Zugesagt war diese Hilfe durch die öffentliche Hand nur für die Monate November (bis zu 80 Prozent) und Dezember (50 Prozent). Ab Jänner gibt es nur mehr den sogenannten Verlustersatz (bis zu 70 Prozent).

Rufe nach Transparenz und Klarheit

Die Opposition forderte indes mehr Transparenz und Klarheit. Türkis-Grün habe offenbar „leider immer noch keinen langfristigen Plan“, meinte SPÖ-Gesundheitssprecher Philipp Kucher – Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe doch „vor wenigen Wochen noch ab 18. Jänner lockern, dann ab 25. Jänner lockern wollen, jetzt soll es Verschärfungen geben“.

TV-Hinweis

Der ORF ändert angesichts der jüngsten Coronavirus-Entwicklungen sein Programm. Zur Pressekonferenz der Bundesregierung folgt am Sonntag zwischen 11.00 Uhr und 12.00 Uhr eine ZIB Spezial.

Die SPÖ habe immer gesagt, dass die Infektionszahlen entscheiden müssten „und nicht irgendwelche PR-Überlegungen im Kanzleramt“. Wichtig sei, dass die Maßnahmen endlich auch nachvollziehbar begründet werden, betonte er in einem Statement gegenüber der APA.

„Mehr Ehrlichkeit und klare Ansagen“

Verständnis dafür, dass sich die Situation mit der ansteckenderen Virusmutation geändert hat, zeigte NEOS. NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker mahnte zudem „mehr Ehrlichkeit und klare Ansagen“ seitens der Regierung ein, damit die Menschen die Maßnahmen verstehen und mitziehen.

Es brauche klare Kriterien und auch einen klaren Zeitraum – „auch wenn das keine guten Nachrichten bedeutet“. Sollte die Regierung den Experten folgen und den Lockdown verschärfen, müsse sie die zugrunde liegenden Daten offenlegen. Und er drängte auf „impfen, impfen, impfen“, und zwar wesentlich schneller als im jetzigen „Schneckentempo“.

FPÖ will rasches Lockdown-Ende

FPÖ-Chef Norbert Hofer hält es „trotz aller Bedenken“ der Experten – deren Stellungnahmen er „nicht bezweifle“ – doch für den besseren Weg, den Lockdown rasch zu beenden und ein Wirtschaften und Arbeiten unter klaren Auflagen zu ermöglichen. Denn in die Rechnung der Spezialisten sei wohl nicht der „zivile Ungehorsam“ eingeflossen.

Der Lockdown werde zu einem Anstieg privater Treffen führen, weil die Menschen die soziale Isolation „einfach nicht mehr aushalten“. Zudem glaube er auch mit Blick auf die Wirtschaft, dass „Österreich eine Verlängerung des Lockdowns nicht verkraften wird“. Gleichzeitig pochte Hofer vehement darauf, die Heeresspitäler zu reaktivieren, um genügend Spitalskapazitäten zu haben.

Experten gegen Lockerung

Dass sich die Bevölkerung auf eine Verlängerung bzw. Verschärfung des Lockdowns einstellen müsse, war zuvor Statements der von der Regierung konsultierten Experten zu entnehmen. Die Rate der Neuinfektionen sei für eine Lockerung „aus unserer Sicht viel zu hoch“ und gehe auch „nicht mehr stark genug zurück“, sagte MedUni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner am Vormittag mit Verweis auf die laut AGES-Dashboard bei 137 liegende 7-Tage-Inzidenz. Ziel sei, die Inzidenz auf „deutlich unter 50“ zu senken.

Als zielführende Maßnahmen stellte Wagner unter anderem eine generelle FFP2-Maskenpflicht, einen auf zwei Meter vergrößerten Mindestabstand, verpflichtendes Homeoffice und intensive Testungen in den Raum. Auf eine Journalistenfrage brachte Wagner dabei auch einen „generellen Lockdown ohne Ausnahmen“ ins Spiel.

Warten auf Entscheidung der Regierung

Bereits am Freitagabend wurde nach einem Gespräch zwischen Bundeskanzler Kurz und den Landeshauptleuten klar, dass es wohl zu keiner Aufweichung der Maßnahmen kommen wird. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) erklärte im Anschluss an die abendliche Unterredung, er rechne mit der Verlängerung des Lockdowns „bis weit in den Februar hinein“. Aber er sprach sich für Maßnahmen aus, „die auch der Lebensrealität entsprechen“ – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Andreas Mayer-Bohusch, ZIB-Innenpolitik

Geht es nach der dominierenden Expertenmeinung, dann muss man vermuten, dass ab 25. Jänner gar nichts aufgesperrt werden könnte – nicht der Handel und auch nicht die Schulen. Muss man sich auf dieses Szenario einstellen? Andreas Mayer-Bohusch berichtet von den Beratungen im Bundeskanzleramt.

Lockerungen wird es seiner Ansicht nach nicht geben, auch die ab dem 25. Jänner angedachten Schulöffnung dürften seiner Einschätzung nach nicht kommen. Zuvor hatte auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gesagt, er rechne mit neuen Verschärfungen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Weitere Mutationsfälle entdeckt

Wie stark die britische Virusvariante in Österreich verbreitet ist, wird in der nächsten Woche feststehen. Am Freitag wurde zunächst einer der Verdachtsfälle im steirischen Ausseerland bestätigt. Am Samstag bestätigte das Land Steiermark dann auch Medienberichte, wonach zwei Kinder aus Oberösterreich ebenfalls an dem mutierten Virus erkrankt waren. In Tirol wurden ebenfalls weitere auffällige Tests gemeldet – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Dass die Verbreitung der neuen, ansteckenderen Variante schon recht weit fortgeschritten sein könnte, zeigt eine Stichprobe an der MedUni Wien. Demnach wiesen 14 von 83 positiven PCR-Tests die mutierte Variante auf – mehr dazu in wien.ORF.at.