Harris, „Woman of Color“ und erste weibliche Vizepräsidentin der USA, nahm am Mittwoch wenige Stunden nach ihrer eigenen Vereidigung drei neuen Senatoren den Eid ab. Zwei der neuen Senatoren der Demokraten sind Raphael Warnock und Jon Ossoff, die sich Anfang des Monats in Stichwahlen im US-Bundesstaat Georgia gegen die republikanischen Amtsinhaber durchsetzten.
Warnock ist der erste Afroamerikaner, der den US-Südstaat Georgia im Senat vertritt. Alex Padilla übernimmt den bisherigen Sitz von Harris. Der Führer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, und der Führer der Republikaner in der Kammer, Mitch McConnell, wechseln unterdessen die Rollen: Schumer ist künftig Mehrheits-, McConnell Minderheitsführer.
Mit einer Personalie kam der Senat bereits voran und erteilte seine erste Genehmigung für ein von Biden nominiertes Regierungsmitglied: Die Kongresskammer gab mit großer Mehrheit grünes Licht für die Ernennung der Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines. Auch die Mehrzahl der Republikaner votierte für sie.
Größere Baustellen
Doch so einfach dürfte es nicht immer bleiben. Denn die Erwartungen, gleich mehrere Krisen des Landes zu bekämpfen, sind hoch und erinnern nicht zuletzt an 2009, als der jetzige US-Präsident Biden noch Vizepräsident unter Barack Obama war. Was vor zwölf Jahren die Finanzkrise und eine wankende Industrie war, sind heute die Klimakrise und die Coronavirus-Pandemie.
In der Außenpolitik hat der Präsident großen Spielraum und kann häufig nur mit einer Unterschrift einen neuen Kurs festlegen. Doch gerade Bidens innenpolitischer Spielraum, etwa in der Klimakrise und der Bekämpfung der Pandemie, reicht ungeachtet einer knappen Mehrheit im Senat möglicherweise nicht aus, um seine ambitionierten Pläne zu verwirklichen.
Zudem hat der Kongress in vielen Belangen das Sagen, nicht zuletzt wenn es ums Geld geht. In den beiden Parlamentskammern, also auch im Repräsentantenhaus, haben die Demokraten inzwischen eine Mehrheit, doch vor allem im Senat wird Biden auf Kompromisse mit den Republikanern angewiesen sein.
Umstrittene Filibuster-Regel
Der Demokrat Schumer und der Republikaner McConnell müssen unterdessen noch aushandeln, wie der Senat mit dem ausgeglichenen Kräfteverhältnis arbeiten wird. Ein Streitpunkt könnte zudem der Filibuster werden, eine Regelung, laut der eine Debatte im Senat erst dann beendet und zur Abstimmung übergegangen werden kann, wenn 60 von 100 Senatorinnen und Senatoren damit einverstanden sind.
Für Vorhaben wie eine Reform des Gesundheitswesens, die Klimawende und eine Änderung der Steuerpolitik würde Biden daher alle demokratischen plus zehn republikanische Stimmen benötigen, damit von einer Rede zur Abstimmung übergegangen werden kann. Wie die „Washington Post“ schreibt, würden die Liberalen den Demokraten Druck machen, den Filibuster abzuschaffen, um leichter Bidens große Agenden durch den Senat zu bringen. Der führende Republikaner McConnell will die Regelung aber beibehalten.
Doch auch ohne Filibuster herrscht im Senat ein demografisches Ungleichgewicht: Jeder Bundesstaat entsendet zwei Senatorinnen bzw. Senatoren. Weil die Republikaner aber fast alle dünn besiedelten Staaten dominieren, vertreten ihre 50 Senatorinnen und Senatoren nur eine Minderheit der Wählerinnen und Wähler. Die Filibuster-Regel ermöglicht es also den Senatorinnen und Senatoren von rund einem Fünftel der US-Bevölkerung, die Abstimmung über Gesetze zu verhindern.
Rückkehr zum Klimaabkommen, Kampf gegen Pandemie
Erste Schritte machte Biden am Mittwoch gleich mehrere. So leitete er die Rückkehr zum Klimaabkommen von Paris ein. Die USA waren Anfang November offiziell ausgeschieden – ein Jahr nachdem die Regierung von Ex-Präsident Donald Trump den Austritt aus dem historischen Abkommen erklärt hatte. Nun sollen die USA nach Angaben der UNO am 19. Februar wieder Teil des Vertrags werden. Biden will die USA eigenen Aussagen zufolge zu einer führenden Nation im Kampf gegen die Klimakrise machen. Er zeichnete im Oval Office noch andere Maßnahmen zum Schutz der Umwelt ab. Er suspendierte Ölbohrungen in einem Naturschutzgebiet im Bundesstaat Alaska und blockierte den Weiterbau der Ölpipeline „Keystone XL“ aus Kanada.
Inaugurationsrede von Joe Biden
Am Mittwoch ist Joe Biden als US-Präsident angelobt worden. In seiner Inaugurationsrede rief er zu Einheit und Zusammenarbeit auf.
Gegen die Pandemie setzt Biden auch auf striktere Regeln – er ordnete für die nächsten hundert Tage eine Maskenpflicht an. Sie greift allerdings nur an Orten im Zuständigkeitsbereich des Bundes, beispielsweise in Gebäuden von Bundesbehörden, Flugzeugen und Zügen sowie Bussen im Verkehr zwischen Bundesstaaten. Biden erklärte den Kampf gegen CoV zu einer seiner wichtigsten Aufgaben.
Das Virus breitet sich in den USA noch immer unkontrolliert aus. Mehr als 400.000 Menschen sind seit Beginn der Pandemie in dem Land gestorben. In den kommenden Tagen will Biden weitere Maßnahmen zur Bewältigung der Krise ergreifen. Mit dem angesehenen US-Immunologen Anthony Fauci als Delegationsleiter will die neue Regierung schon am Donnerstag wieder an einer WHO-Sitzung teilnehmen.
Keine Mauer mehr
Biden bewies am Mittwoch auch, dass er vom rigorosen Antieinwanderungskurs Trumps abrücken will. Er hob das von Trump verfügte Einreiseverbot für Menschen aus mehreren überwiegend muslimisch geprägten Ländern auf, das Trump eine Woche nach seinem Amtsantritt 2017 erlassen hatte. Wenige Stunden nach seiner Vereidigung schickte Biden zudem einen Gesetzesentwurf an den US-Kongress. Nach Angaben der neuen Sprecherin Jen Psaki ist darin unter anderem vorgesehen, dass Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis in den USA die Chance auf einen Aufenthaltstitel bekommen sollen – und auf lange Sicht auch die US-Staatsbürgerschaft.
Barbara Wolschek (ORF) aus Washington
Barbara Wolschek (ORF) berichtet, welche Zeichen der neue US-Präsident Joe Biden mit seiner schnellen Rückkehr zum Klimaabkommen und zur WHO setzen will. Sie spricht von einem „Befreiungsschlag“ am ersten Tag des neuen Präsidenten.
Biden wies das Heimatschutzministerium außerdem an, Schritte in die Wege zu leiten, die auf die dauerhafte Sicherung eines Programms zum Schutz von rund 700.000 jungen Migrantinnen und Migranten vor einer Abschiebung abzielen. Biden entzog darüber hinaus einem Herzensprojekt Trumps die Finanzierungsgrundlage: dem Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko.