Tina im Interview
ORF
Abgeschobene Tina

„Österreich ist meine Heimat“

Einen Tag nach ihrer Abschiebung nach Georgien hat die zwölfjährige Tina erstmals ihre Eindrücke geschildert. Um Haltung bemüht, aber sichtlich emotional berührt, sagte sie im Interview mit der ZIB2, sie habe weiter Hoffnung, und betonte: „Österreich ist meine Heimat.“ ÖVP-Innenminister Karl Nehammer verteidigte seinerseits die Abschiebung, kritisierte die Mutter und betonte, dass er keinen Änderungsbedarf bei den Abschiebungen sieht.

In dem Videotelefonat schilderte Tina, dass sie bei der Abschiebung, als sie im Polizeiauto an den für sie und ihre Familie demonstrierenden Schulfreundinnen und -freunden vorbeigefahren sei, eine Mischung aus Trauer, Wut und Angst empfunden habe. Gesundheitlich geht es dem Mädchen, das mit ihrer Familie nun bei ihrer Großmutter wohnt, nach eigenen Angaben gut, „ansonsten aber nicht so gut“. Sie werde ihre Freunde und die Schule vermissen. Sie könne Georgisch nur sprechen, aber weder schreiben noch lesen, betonte sie.

Die Zwölfjährige sagte, sie habe die „Hoffnung, dass meine Freunde mir helfen. Ich bin sehr stolz auf meine Freunde. Ich habe das Gefühl, dass alles gut werden wird, aber vielleicht in etwas längerer Zeit.“ Und sie betonte, dass sie Österreich als ihre Heimat betrachte.

Abgeschobene Schülerin meldet sich aus Georgien

Die Abschiebung von drei Schülerinnen und deren Familien sorgt für eine heftige politische Debatte. Eines der drei Mädchen ist die zwölfjährige Tina – in Österreich geboren und aufgewachsen muss sie sich nach ihrer Abschiebung nun in Georgien zurechtfinden. Am Telefon erzählt sie, wie schwer ihr das fällt.

Nehammer verteidigt Abschiebung

Innenminister Nehammer, live in die ZIB2 zugeschaltet, verteidigte die Abschiebung. Er kritisierte mehrfach einen „Teil der Eltern“ – womit er offenbar die Mutter meinte. Diese habe die Kinder in diese Lage gebracht und das Asylrecht bewusst missbraucht, so der Innenminister unter Verweis auf die wiederholten Asylanträge, die immer aussichtslos gewesen seien. Denn es sei „von Anfang an klar“ gewesen, dass es keine Bleibeberechtigung gebe. Außerdem seien sechs Abschiebeversuche vereitelt worden.

Nehammer betonte mehrmals, das Asylrecht in Österreich sei unabhängig und objektiv. Außerdem widersprach Nehammer Behauptungen, dass die Option humanitäres Bleiberecht nicht geprüft worden sei. Dieses sei in allen Instanzen geschehen. Der Anwalt der Familie, Wilfried Embacher, hatte im Beitrag betont, ein im Frühjahr gestellter Antrag auf humanitäres Bleiberecht sei nie abgeschlossen worden.

Innenminister Nehammer zur Asyldebatte

Zu den Abschiebungen von drei Schülerinnen und deren Familien und der daraus resultierenden politischen Debatte nimmt ÖVP-Innenminister Karl Nehammer in der ZIB2 Stellung.

Sieht für sich keinen Spielraum

Den mehrmaligen Hinweis, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ja keine Anweisung sei, sondern lediglich die Erlaubnis, abzuschieben, und man somit Spielraum gehabt habe, ließ Nehammer so nicht gelten. Wenn er eine Abschiebung aktiv verhindere, wäre das Amtsmissbrauch, meinte Nehammer.

Und der ÖVP-Minister verwies zudem darauf, dass der konkrete Fall nicht geeignet sei, das Asylrecht infrage zu stellen. Aus Nehammers Sicht handelt es sich dabei um einen Missbrauch des Asylsystems vonseiten der Familie. Es würde das Asylrecht ad absurdum führen, wenn er als Minister die Entscheidungen der Höchstgerichte nicht anerkennen würde. Und gleichzeitig wäre es allen Betroffenen, die sich den Urteilen beugen müssen, gegenüber ungerecht.

Auch den Ablauf des Polizeieinsatzes verteidigte Nehammer und betonte, ein solcher Einsatz sei für die Beamtinnen und Beamten ebenfalls schwer. Bei Abschiebungen insbesondere mit Kindern gebe es genaue Regeln, es gebe etwa humanitäre Beobachter, ein Arzt sei dabei, und die Polizei sei unbewaffnet. In diesem Fall habe man wegen Aufrufen in Sozialen Netzwerken die Einsatzkräfte bewaffnet und maskiert benötigt.

Gegen Härtefallkommissionen

Politische Konsequenzen erwartet Nehammer aus dem Fall nicht. Härtefallkommissionen auf Landesebene erteilte Nehammer eine klare Absage. Änderungen seien hier nicht notwendig. Er verwies darauf, dass es diese ja in der Idealform gebe – nämlich als „weisungsfreie und unabhängige“ Gerichte. Im Vorjahr sei rund 2.500-mal das humanitäre Bleiberecht vom Bundesamt für Fremdenrecht und Asylwesen oder in zweiter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt worden. Damit hätten im aktuellen Fall die Gerichte das Kindeswohl berücksichtigt, betonte Nehammer.

Der grüne Koalitionspartner, Kritiker und auch Stimmen aus der ÖVP plädieren dagegen für die Wiedereinsetzung der 2014 abgeschafften Härtefallkommissionen auf Landesebene. Dort gebe es einen genaueren Einblick in die Situation, so das Argument.

Sieht keine Gefahr für Koalition

Dass dieser Fall und der Grundsatzzwist in Sachen Asyl und Umgang mit Flüchtlingen die Koalition ernsthaft beschädigen könnte, glaubt Nehammer nicht. „Das sehe ich überhaupt nicht so“, betonte er. Beide Seiten hätten schon bei den Koalitionsverhandlungen gewusst, „dass das Thema schwierig für die Grünen sein wird“. Aber im Wissen darum hätten beide Parteien ein umfangreiches Regierungsprogramm verhandelt, „und das gilt es jetzt umzusetzen“, so Nehammer.

Anwalt: Versuch, uns für dumm zu verkaufen

Der Anwalt der abgeschobenen Familie, Embacher, hatte – sich auf frühere Aussagen Nehammers beziehend – im ZIB2-Beitrag betont, es sei „fast schmerzhaft, wie hier versucht wird, uns und die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen“. In dem Beitrag betonte auch die ehemalige SPÖ-Justizministerin und ehemalige EuGH-Richterin Maria Berger, dass Nehammer anders hätte handeln können.