Kunden vor Kaufhaus
ORF.at/Roland Winkler
Lockdown

Zeichen deuten auf Lockerung hin

Eine Lockerung des Lockdowns ist offenbar auf dem Weg. Die Regierung hat am Montagvormittag mit Experten ihren Gesprächsreigen gestartet, der eine Rückkehr des Präsenzunterrichts und eine Öffnung des Handels als Folge haben dürfte. Später wurde auch noch mit Opposition und Landeshauptleuten konferiert. Verschärfungen dürfte es bei der Einreise geben.

Die ursprünglich für 16.00 Uhr geplante Pressekonferenz verzögerte sich am Nachmittag. Es wird erwartet, dass sie nun um 18.00 Uhr beginnt. Bei den Experten, die Montagvormittag ins Kanzleramt geladen waren, handelt es sich um schon bekannte Namen. Das Quartett bestand aus der Virologin Dorothee von Laer, dem Virologen Andreas Bergthaler, Uni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner und Herwig Ostermann von der Gesundheit Österreich GmbH. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erklärte in der Mittags-ZIB, dass es seitens der Regierung keine Festlegung bezüglich der Öffnungsschritte gegeben habe.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe aber klargemacht, dass Anstiege der Infektionszahlen bei Lockerungen zu erwarten seien. Daher warb auch Rendi-Wagner wieder für Vorsicht, wenn man „weit über die Schulen“ öffnen wolle. Denn da bestehe die Gefahr einer dritten Welle in vier bis sechs Wochen. Der „Hammer“ ist laut FPÖ-Obmann Norbert Hofer, dass laut Expertenbericht die südafrikanische und brasilianische Mutation des Virus große Sorgen bereiteten. So dürften die bestehenden Impfungen nur bedingt wirken. Wenn das so sei, könne man sich die Impfstrategie „aufzeichnen“, so Hofer. Eine Steigerung der Infektionen nach Lockerungen sei demnach zu hundert Prozent sicher, zitierte Hofer aus dem Gespräch mit der Opposition.

Bundeskanzler Sebastian Kurz während der Videokonferenz
APA/Helmut Fohringer
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einer Videokonferenz mit der Opposition

Seitens NEOS wurde bekrittelt, dass die Treffen mit der Regierung zwar Informationen brächten, aber keine echten Diskussionen. Für NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist ein weiterer Lockdown durch das längere Stagnieren der Infektionszahlen nicht mehr gedeckt. Wie sie in einer Pressekonferenz ausführte, sollten die Schulen wieder öffnen, die Volksschule sogar ohne Schichtbetrieb, auch der Handel, Museen und Zoos sowie die körpernahen Dienstleister, wo sie Sympathien für ein Reintesten zeigte. Von der Regierung verlangte sie – auch unter dem Eindruck der eingeschränkten Empfehlung für AstraZeneca für die Generation 65 plus, auf eine Änderung der Impfstrategie. Impfen solle man nun „Junge, Mobile“, die zu Superspreadern werden könnten.

Von Schule bis Friseur

Die genauen Details der Lockerungen sind indes noch nicht bekannt. Die Öffentlichkeit wird am späteren Nachmittag via Pressekonferenz informiert. Fix zu sein scheint aber, dass die Schulen im Schichtbetrieb wieder Unterricht im Schulgebäude anbieten und dass der Handel auch außerhalb der Produkte des täglichen Bedarfs wieder seine Dienste anbieten kann. Auch Friseure könnten wieder öffnen dürfen.

Das alles kommt, obwohl das Ziel von rund 700 Fällen pro Tag trotz Lockdowns bei Weitem nicht erreicht wurde und es angesichts der seit Wochen stagnierenden Zahlen unwahrscheinlich ist, dass der Wunschwert bis zum Ende der Woche erreicht wird. Als Grund, warum die Zahlen nicht wie erhofft nach unten gehen, wird neben den infektiöseren neuen CoV-Varianten genannt, dass sich die Menschen immer weniger an die Regeln hielten.

Organisationsfragen rund um Schichtschulbetrieb

Insofern gibt es die Hoffnung, dass mit einer gewissen Lockerung auch eine Art emotionale Entspannung in der Bevölkerung eintritt. Zudem will man auf Bedenken von Experten eingehen, wonach vor allem Kinder und Jugendliche durch die eingeschränkten Möglichkeiten, Gleichaltrige zu treffen, immer stärker mit psychischen Problemen konfrontiert sind.

Eine blinde Öffnung wird es jedoch nicht sein. Neben dem Schichtunterricht ist davon auszugehen, dass die FFP2-Pflicht noch einmal zumindest auf ältere Schüler ausgeweitet wird – allenfalls auch beim Personal in Kindergärten. Offen sind diverse Organisationsfragen den Schichtunterricht an den Schulen betreffend. So wird dem Vernehmen nach überlegt, in den Volksschulen auf Schichtunterricht zu verzichten. Angesichts der jetzt schon ziemlich vollen Schulen könnten sonst mit dem Nebeneinander von Unterricht und Betreuung Platzprobleme entstehen. Freilich gäbe es damit in den Volksschulen den gleichen knappen Abstand zwischen den Schülern wie bisher. Helfen könnte eine Testverpflichtung.

Verschärfungen bei Einreisen wahrscheinlich

Beim Handel ist die Frage, inwieweit der im Alltag relativ neu geltende Zwei-Meter-Abstand auch auf die Zahl der in den Geschäften zugelassenen Personen Auswirkungen haben wird. Dass Friseure aufmachen, ist offenbar laut Angaben der APA fix. Ob das auch für andere körpernahe Dienstleister gilt, die vielleicht weniger dringend gebraucht werden, war vorerst noch unter Verschluss. Im Kulturbereich werden sich wohl nur Museen und Bibliotheken Hoffnung auf Öffnung machen dürfen.

Warten auf Lockdown-Entscheidung

Am Montag soll die Regierung entscheiden, ob und in welcher Form der Lockdown nach dem 8. Februar fortgesetzt wird. Nach Gesprächen mit den Landeshauptleuten, der Opposition und Experten wird die Öffentlichkeit informiert.

Verschärfungen dürfte es hingegen bei den Einreisen geben. In Diskussion sind Landeverbote für Flüge aus Staaten mit besonders hohen Inzidenzen. Aktuell wäre hier beispielsweise Portugal ein heißer Kandidat. Pendlern könnten verpflichtende CoV-Tests bevorstehen. Zudem könnte die Möglichkeit des Freitestens nach anderen Einreisen fallen.

Anschober: Große Schritte nicht möglich

„Die Mutationen bremsen eine vollkommene Lockerung“, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Wir werden am Montag unter Berücksichtigung der Infektionslage sowie der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation mit den Landeshauptleuten über den Plan für die Zeit nach dem 8. Februar entscheiden. Einmal mehr wird dabei wieder die Verantwortung jedes Einzelnen im Land eine wichtige Rolle spielen“, so Kurz am Sonntag. „Große Schritte werden jetzt im Augenblick, fürchte ich, noch nicht möglich sein“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) der ZIB, „aber wir werden uns bemühen, eine erste Perspektive zu verwirklichen. Denn ich glaube, danach sehnen sich mittlerweile sehr, sehr viele Menschen in Österreich.“

TV-Hinweis

Um 18.00 Uhr widmet sich auf ORF2 eine ZIB Spezial der Pressekonferenz der Bundesregierung zu den CoV-Maßnahmen.

Auch Simulationsexperte Niki Popper dämpfte die Erwartungen im Vorfeld des Lockdown-Gipfels. Die Zahlen ließen „keine Aufhebung“ zu. Auch sei es „illusorisch“, dass man die Ausbreitung der Mutationen aufhalten könnte. Zumindest Schulen sollten aber geöffnet werden, sagte er in der „Kleinen Zeitung“. Die entscheidende Frage sei, wie man die Ausbreitung verlangsamen könne. „Das geht nur, wenn man das Testen, das Isolieren, die Screeningprogramme ausweitet. Das Impfen löst das Problem derzeit leider noch nicht“, so Popper.

Schulen für Opposition im Fokus

Im Vorfeld der Regierungsberatungen forderten SPÖ und NEOS vor allem eine Öffnung der Schulen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach sich am Samstag für die Beibehaltung des Lockdowns aus mit Ausnahme der Schulen. Die sollten ab 8. Februar zum Präsenzunterricht zurückkehren.

Lungenspezialist Lamprecht zu möglichen Lockerungen

Am Montag entscheidet die Bundesregierung, ob der dritte Lockdown weiter verlängert wird. Eine Öffnung sei nur sinnvoll, wenn strenge Maßnahmen eingehalten werden, um das Infektionsgeschehen in Österreich in den Griff zu bekommen, so Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler-Klinikum in Linz.

Auch für NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger ist eine Öffnung der Schulen ein Muss. Sie fordert aber auch beim Handel, bei Friseuren und bei Museen eine klare Öffnungsperspektive ab dem 8. Februar. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl geht davon aus, dass der Lockdown verlängert wird.

Stelzer warnt vor „bundesweitem Lagerkoller“

Aus den Ländern kam der Wunsch nach gewissen Öffnungsschritten. So etwa vom Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) Montagmittag. „Ich glaube, die Zahlen und die Entwicklung lassen es insgesamt schon zu, dass wir jetzt konkret überlegen, ob wir im Bereich von Handel und Schulen einen ersten, wenn auch vorsichtigen Öffnungsschritt machen können“, so Wallner – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) plädierte für eine Lockerung vor dem Hintergrund, dass die Stimmung in der Bevölkerung „kippt“. „Wir brauchen Schritte der Öffnung und der Hoffnung, gerade in der Schule. Ansonsten steuern wir geradewegs auf einen bundesweiten Lagerkoller zu“, warnte auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP).

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sprach sich am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ für eine teilweise Öffnung der Schulen und des Handels aus. „Die Schule ist meines Erachtens der Bereich, wo man am meisten hinsehen muss“, so Ludwig.

Kogler: Tests als Schlüssel im Vereinssport

Sportminister Werner Kogler (Grüne) stellte indes in Aussicht, dass vor allem Kinder und Jugendliche wieder sporteln dürfen. „Gamechanger“ könnten analog zu den Schulen vermehrte Eintrittstests sein, hoffte Kogler. Sobald die Kontaktbeschränkungen gelockert sind, solle Training im Freien mit entsprechendem Abstand und kontrollierten Bedingungen, aber ohne Eintrittstests ermöglicht werden. Im nächsten Schritt folge dank Eintrittstests Outdoor-Training mit Körperkontakt.

Mit Hilfe von Schnelltests, die nicht älter als 48 Stunden sein dürfen, könnte der Vereinssport zunächst vor allem für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre wieder hochgefahren werden. Wann genau dieses System kommen soll, steht noch nicht fest. Der Schulbeginn nach den Semesterferien kommt aus Koglers Sicht noch zu früh: Es brauche Millionen Tests, die Ausrollung der Logistik werde im Falle einer zentralen Beschaffung Wochen dauern, so der Minister. Abseits davon sollen die wöchentlichen Schultests, aber auch in Teststraßen absolvierte Tests gültig sein.

Beim Sport in Innenräumen wird man zunächst wohl nur mittels Zutrittstests wieder aktiv werden können. Er sehe aber etwa bei Tennis dank der großen Luftmengen in den Hallen gute Chancen, früher loslegen zu können, so Kogler. „Tests sind der Schlüssel, können die Sache sehr beschleunigen“, so Kogler. Hinsichtlich Zuschauern sitzt der Sport im Boot mit der Kultur, damit erscheinen Änderungen etwa dank Eintrittstests wohl frühestens im März möglich.