„Ibiza“: Ex-WKStA-Ermittlerin beklagt „politisches Korsett“

Nach der Befragung des Wiener Anwalts M., der mutmaßlich an der Erstellung des „Ibiza-Videos“ beteiligt war, beschäftigt sich der „Ibiza“-U-Ausschuss jetzt mit der Ermittlerseite. Zu Wort kommt derzeit Staatsanwältin Christine Jilek, die bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) für Teile der Ermittlungen in der „Ibiza“-Causa wie etwa die „Schredderaffäre“ zuständig war, aber das Handtuch geworfen hatte.

„In 13 Jahren nie gesehen“

Einleitend gab Jilek an, 13 Jahre lang „Staatsanwältin mit Leib und Seele“ gewesen zu sein. Dann sei etwas passiert, was sie in all diesen Jahren „nie gesehen“ habe. Sie berichtete von „mehreren Faktoren“, die dazu geführt hätten, dass sie das Verfahren nicht so habe führen können, wie sie gerne gewollt hätte, nämlich „zügig, ergebnisoffen und frei von politischer Einflussnahme“. Jilek sprach von „Störfeuern“ in den Ermittlungen.

Christina Jilek (WKStA) im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss
ORF.at/Carina Kainz

Rechtliche Einordnungen seien ihre Aufgabe als Staatsanwältin gewesen, dazu sei sie aber tagsüber kaum gekommen. Sie habe sehr viele Berichte zu verfassen gehabt; darüber hinaus habe es Berichtsaufträge gegeben, die gar nicht notwendig waren. Im September 2020 habe ihr Oberstaatsanwalt Johann Fuchs dann eine „disziplinarrechtliche Ausstellung“ erteilt.

„Letzter Tropfen“

Dabei handle es sich um „eine Art Minuspunkt“, eine Rüge – das sei „der letzte Tropfen“ gewesen, der das Fass vollgemacht habe. Das sei ungerechtfertigt erfolgt und später auch wieder zurückgenommen worden. Dennoch sei kein Weg an dem Ausstieg vorbeigegangen. „Ich musste die Gewissensfrage stellen, das habe ich für mich gemacht“, so Jilek. „Schweren Herzens“ habe sie sich aber von dieser Funktion verabschiedet.

Die SPÖ bat Jilek auszuführen, ob es eine politische Einmischung in die Arbeit der WKStA gab. Die Richterin berichtete daraufhin über eine Weisung per Mail von Oberstaatsanwalt Fuchs, nachdem das „Ibiza“-Video veröffentlicht worden sei. Es sei noch nie passiert, dass ein Verfahren mit einer Weisung beginnt, so Jilek.

„Das hat es mich wirklich hing’setzt“

Auch sei in der Weisung des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Fuchs an die WKStA der Auftrag formuliert gewesen, das Video herbeizuschaffen. Auch sei darin zu lesen gewesen, dass keine Straftat vorliege. Als sie die Vorkorrespondenz dazu gelesen habe, „hat es mich wirklich hing’setzt“, sie habe das nicht für möglich gehalten („Von Anfang an ist uns diese Weisung eigenartig vorgekommen“).

„Unfassbar“ sei für sie gewesen, dass es in Mails von Fuchs und dem damaligen Sektionschef Christian Pilnacek geheißen habe, dass „HBM (das Kürzel steht für Herr Bundesminister, Anm.) der WKStA keine aktive Rolle“ zukommen lassen wolle.

Von anderen „ganz außergewöhnlichen Vorgängen“ sprach Jilek, etwa in Zusammenhang mit Weisungen, Gerichtsaufträgen und auch mit der Zusammenarbeit mit der Polizei. „Ich habe intern alles versucht, um eine Lösung zu finden, aber leider ohne Erfolg“, so die ehemalige Korruptionsstaatsanwältin.

„Befreien Sie die WKStA von dem politischen Korsett“

Sie habe das Vertrauen in Oberstaatsanwalt Fuchs völlig verloren, das Arbeiten unter dem drohenden Disziplinarverfahren sei ihr nicht möglich gewesen; es gehe aber nicht um Einzelpersonen, sondern um das aktuelle staatsanwaltliche System. Sie, Jilek, sei der „tiefsten Überzeugung“, dass effektive Korruptionsbekämpfung nicht möglich sei, solange die WKStA oftmals sogar im Vorhinein zu wichtigen Verfahrensschritten informieren müsse.

Im Zuge dessen sprach sie den Ausschuss direkt mit einer Bitte an: „Bitte schaffen Sie die Rahmenbedingungen dafür, dass die WKStA Korruption unabhängig bekämpfen kann“, so Jilek. Die WKStA müsse ausschließlich der Kontrolle der unabhängigen Gerichte unterliegen: „Befreien Sie die WKStA von dem politischen Korsett!“

„Ibiza“-Anwalt verwies x-fach auf „Gefahr der Selbstbelastung“

Ein mutmaßlich zentraler Akteur der Erstellung des „Ibiza-Videos“ ist mit dem Wiener Anwalt Ramin M. vor Jilek Rede und Antwort gestanden. M. versuchte bereits vor Veröffentlichung des Videos, mehreren parteinahen Personen um viel Geld belastendes Material anzutragen. Als „Journalist“ sieht er sich nicht, auch sei er nie auf Ibiza gewesen. Generell verwies er x-fach auf die „Gefahr der Selbstbelastung“.

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