Finanzminister Gernot Blümel
APA/Helmut Fohringer
Razzia bei Blümel

Misstöne zwischen Koalitionsparteien

Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) haben für Unmut bei der ÖVP gesorgt. Die Reaktion der Kanzlerpartei rief wiederum Kritik des Koalitionspartners hervor. Die ÖVP wollte in einer parlamentarischen Anfrage das Vorgehen der Staatsanwaltschaft hinterfragen. Die grüne Justizsprecherin sah darin eine „reine Nebelgranate“.

Am Samstag ging die ÖVP nach dem Aufkommen der Vorwürfe gegen ihren Finanzminister in die Offensive – und kündigte eine parlamentarische Anfrage an. Darin will die Abgeordnete Michaela Steinacker Genaues zur Vorgehensweise der WKStA wissen – und wirft der Behörde zugleich Fehler vor. „Wer trägt für die Verfehlungen die Verantwortung, und was sind die Konsequenzen?“, wird etwa gefragt. Der ÖVP-Klub wünscht sich vom Ressort des grünen Regierungspartners unter anderem zu erfahren, wie der Beschuldigtenstatus von Blümel vorher in die Medien gelangen konnte, ob Rechte des Ministers verletzt worden seien und wer allenfalls dafür verantwortlich sei.

Auch die Beschuldigungen selbst werden in der Anfrage erneut zurückgewiesen und als unwahr bezeichnet: „Ist es nicht problematisch, dass die Basis für die Ermittlungen und die Hausdurchsuchung ein Termin und eine Spende sind, obwohl es weder eine Spende noch einen Termin gegeben hat?“ Zudem heißt es in der Anfrage, dass Formulierungen in den Akten „den parteipolitischen Diktionen der Sozialdemokratie bzw. der Freiheitlichen Partei“ entsprechen, etwa jene von der „Machtübernahme“ durch Sebastian Kurz. Nicht zuletzt will der ÖVP-Klub von der Justiz wissen, wie diese weiter vorgehe, nachdem Blümel „innerhalb von 48 Stunden sämtliche Vorwürfe als falsch darlegen konnte“.

Scharfe Kritik von grüner Justizsprecherin

Beim Koalitionspartner rief dieses Vorgehen augenscheinlich keine Freude hervor. „Es wird langsam zur Gewohnheit, dass nach jedem Schritt der Justiz in Verfahren, an denen ÖVP-Politiker*innen beteiligt sind, aus ÖVP-Kreisen Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) laut wird“, so die Justizsprecherin der Grünen, Agnes Sirkka Prammer, in einer Aussendung.

Plenum in Wien
APA/Hans Punz
Der Ton zwischen dem Grünen- und dem ÖVP-Parlamentsklub wurde am Samstag etwas rauer

In der ÖVP-Anfrage sah die Abgeordnete den Versuch, „diese wichtige Behörde in der Öffentlichkeit zu beschädigen“. Das Vorgehen „ist in diesem Zusammenhang als reine Nebelgranate zur Ablenkung von weiterhin unaufgeklärten Fragen zu werten“, so Prammer. Für die Justizsprecherin der Grünen ist es zwar legitim, dass „der Finanzminister in einer Pressekonferenz und einer eidesstattlichen Erklärung die Vorwürfe leugnet“. Das sei „aber keinesfalls ein Gegenbeweis“.

Blümel wies Vorwürfe zurück

Die Aussendung der grünen Justizsprecherin war die erste Reaktion der Grünen, seit Blümel am Freitag in die Offensive gegangen war. In einer Pressekonferenz – und später auch noch einem Interview mit der ZIB2 – dementierte er am Freitag die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, wonach sich die Novomatic gegen Spenden an die ÖVP eine Gefälligkeit erkauft habe.

In einer eidesstattlichen Erklärung betonte er, dass von der Novomatic in seiner Zeit weder Spendengelder an die ÖVP Wien noch an ÖVP-nahe Vereine geflossen seien. „Ich will und muss Verleumdungen entgegentreten“, sagte Blümel. „Wer etwas anderes behauptet, wird von mir geklagt werden.“ Umgehungskonstruktionen schloss Blümel jedenfalls für die Wiener ÖVP aus: „Ich kann das für meinen Bereich mit Sicherheit ausschließen.“

Finanzminister Blümel: „Haben keine Novomatic-Spenden erhalten“

Im ZIB2-Interview nimmt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zu den Vorwürfen gegen ihn in der Causa Novomatic Stellung.

Blümel sagte, er „wisse“, dass sich die Causa aufklären werde. „Sie können mir glauben, dass ich größtes Interesse habe, dass das rasch und umfänglich passiert“, so Blümel. Eine Unvereinbarkeit mit seiner Tätigkeit als Finanzminister, der auch für das Glücksspiel zuständig sei, gebe es nicht, außerdem sei im Regierungsprogramm festgelegt, dass dieses einer weisungsfreien Behörde überantwortet werden solle.

Neue Details aus Ermittlungsakten

Noch ist das freilich nicht der Fall. Das verleiht auch einer weiteren E-Mail des Glücksspielkonzerns Novomatic Brisanz, die am Samstag durch Recherchen von „profil“ und ZIB2 bekanntwurde. Am 2. Juni 2017 schrieb der damalige Vorstandschef Harald Neumann in Bezug auf eine entsprechende Diskussion zu Parteispenden in Deutschland: „Die Konzernrichtlinie hatte die Absicht, dass keine verdeckten Zahlungen an Parteien in all unseren Ländern vorgenommen werden dürfen! Ich halte nichts davon gesetzlich erlaubte und transparente Zahlungen an Parteien gänzlich zu unterbinden!“

„Wir werden dies in einigen Ländern machen müssen und sollten uns nicht durch unsere Richtlinien einschränken“, schrieb Neumann weiter und: „Dh wir ändern die Richtlinie in der Form, dass diese Zahlungen nur dann stattfinden dürfen, wenn sie im gesetzlichen Rahmen und transparent vorgenommen werden! Eine Meldung (und nicht Genehmigung) an das Compliance Komitee soll aber bleiben.“

Der „Standard“ zitierte wiederum aus Ermittlungsakten, wonach Blümel und Neumann bereits vor 2017 seit Jahren Kontakt miteinander hatten. In den Unterlagen, die Mitauslöser der Hausdurchsuchung bei Blümel gewesen seien, habe die Staatsanwaltschaft „die Beziehung des heutigen Finanzministers und des damaligen Managers“ rekonstruiert, schreibt der „Standard“.

Fiedler sieht Blümel vor „langer Durststrecke“

Es steht zu vermuten, dass dies nicht die letzten Details bleiben, die rund um die Ermittlungen an die Öffentlichkeit gelangen. Laut dem Korruptionsexperten und ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten Franz Fiedler, muss sich Blümel klar darüber sein, dass er „im Brennglas der Öffentlichkeit steht“.

Der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler, Präsident des Beirats Transparency International Österreich
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Der ehemalige Rechnungshof-Präsident (hier auf einem Archivbild aus 2012) erwartet für Blümel keine leichte Zeit

„Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass auch einem Minister die Unschuldsvermutung zugutezukommen hat. Das heißt, solange er nicht verurteilt ist, gilt er als unschuldig, und dann hat er auch sein Amt auszuüben, aber wie schwer ihm das gemacht wird, das muss er sich im Klaren sein“, so Fiedler am Samstag in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“. Allerdings handle es sich nicht um juristische Argumente, sondern um Fakten, mit denen Blümel sich auseinanderzusetzen habe. „Und da wird er vermutlich eine lange Durststrecke durchzuhalten haben, wenn er sich entschließt, im Amte zu bleiben“, sagte Fiedler.

Filzmaier: „Fortgesetzte Tragikomödie“

Ähnlich hatte die Situation bereits Donnerstagabend der Politologe Peter Filzmaier in der ZIB2 beurteilt. Die juristische Unschuldsvermutung für Blümel sei richtig und wichtig, sagte Filzmaier. Er verwies allerdings darauf, dass das Finanzministerium für die Glücksspielaufsicht zuständig ist. Bei einem Vorwurf der Bestechlichkeit durch einen Glücksspielkonzern stehe die Frage der Unvereinbarkeit und der Handlungsfähigkeit im Raum.

Filzmaier sah eine „fortgesetzte Tragikomödie: die Parteien und das liebe Geld“. Das komödiantische Element sei dabei, dass einfach via Textnachricht lobbyiert werde. Es fehlten nach wie vor Sanktionen für Parteienvertreter, wenn sie Spenden an die Partei oder parteinahe Vereine nicht angeben. Der Rechnungshof könne nach wie vor nicht überprüfen, was in den Konten der Parteien geschehe.

Problem für Handlungsfähigkeit

Auch Ex-Staatsanwalt Georg Krakow, Vorstandsmitglied von Transparency International, forderte mehr Handhabe gegen verdeckte Parteispenden, eine Reform des Korruptionsstrafrechts und effektivere Kontrollen durch den Rechnungshof. Dafür brauche es auch eine Änderung des Parteiengesetzes, forderte Krakow am Freitag im Ö1-Morgenjournal.

Die Frage, wann bei Ermittlungen ein Rücktritt angebracht sei, ist laut dem ehemaligen Kabinettschef im Justizministerium allerdings „gar nicht einfach zu beantworten“. Es komme darauf an, „wie sehr sich ein Tatverdacht schon verdichtet hat“. Nur eine Anzeige oder ein Ermittlungsverfahren allein würden nicht reichen. Es gelte die Unschuldsvermutung, so Krakow. Sehr wohl könnte eine Ermittlung aber die Handlungsfähigkeit eines Regierungsmitglieds einschränken. „Insbesondere dann, wenn die Ermittlungen im Zusammenhang stehen mit Zuständigkeiten, die ein politischer Funktionsträger aktuell hat, weil natürlich alle ganz genau auf diese Zuständigkeit schauen werden und wie er diesbezüglich agiert“, sagte der Anwalt.

NR-Sondersitzung am Dienstag

Ganz besonders gilt das für die Opposition. SPÖ, FPÖ und NEOS forderten am Freitag, dass Blümel – zumindest auf Zeit – sein Amt zurücklege. Zugleich rief die Opposition die Kanzlerpartei auf, alle Spenden, auch an ÖVP-nahe Vereine, offenzulegen. Die drei Oppositionsparteien beantragten noch am Freitag gemeinsam eine Sondersitzung des Nationalrats.

Diese wird, wie am Samstag bestätigt wurde, am Dienstag um 11.00 Uhr eröffnet, um 14.00 Uhr soll die Debatte über die zu erwartende Dringliche Anfrage an den Finanzminister beginnen. Ein konkretes Thema für die Sondersitzung nannten SPÖ, FPÖ und NEOS im Verlangen zwar nicht, einer gemeinsamen Aussendung zufolge wollen sie aber insbesondere die von der WKStA angeordnete Hausdurchsuchung bei Blümel thematisieren.