Justizministerium
ORF.at/Dominique Hammer
Hausdurchsuchung bei Blümel

Disput über „entscheidenden Grund“

Die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bleibt weiterhin Gegenstand der innenpolitischen Debatte. Am Samstag hielt das Justizministerium fest, dass der Kalendereintrag lautend auf „Kurz“ nicht der Hauptgrund für die Razzia gewesen sei. Die ÖVP hatte wiederholt betont, bei dem Eintrag handle es sich um eine Verwechslung. Ungemach droht Blümel nun auch durch eine Anzeige von SPÖ, NEOS und FPÖ.

„Kurz“ lautete der Eintrag im Kalender von Novomatic-Gründer Johann Graf. Laut einer eidesstattlichen Erklärung von Martina Kurz, der Schwiegertochter Grafs, habe es sich um ein Treffen mit ihr gehandelt, und nicht mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die Volkspartei hatte diese Namensgleichheit wiederholt als Grund für die Unrechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung bei Blümel genannt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) habe „Schlampereien“ begangen, so zuletzt etwa ÖVP-Klubchef August Wöginger.

Am Samstag stellte aber das grün geführte Justizministerium per Aussendung klar, dass der Kalendereintrag kein „entscheidender Grund“ für die Anordnung der Hausdurchsuchung gewesen sei. Die WKStA habe den Termin „nicht als rechtlich relevant“ für die Maßnahme betrachtet und „lediglich am Rande in nur einem Satz erwähnt“.

Ausschlaggebend für die Hausdurchsuchung war laut dem Justizministerium hingegen der medial thematisierte SMS-Verkehr zwischen Blümel und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann. Dieser sei als „rechtlich relevant“ eingestuft worden. Neumann hatte im Juli 2017 an Blümel geschrieben und um einen Termin beim damaligen Außenminister Sebastian Kurz gebeten, um über eine Spende und „eines Problems, das wir in Italien haben“, zu sprechen.

ÖVP hält Darstellung für „irreführend“

Das Justizministerium hielt am Samstag zudem fest, „dass die Staatsanwaltschaften gesetzlich verpflichtet sind, bei entsprechender Verdachtslage Ermittlungsschritte zur Aufklärung des Sachverhalts zu setzen. Dabei ermitteln sie alle Umstände, die gegen den Beschuldigten sprechen, aber auch alle, die ihn entlasten. Dies geschieht ohne Ansehen der Person.“

Anzeige gegen Blümel wegen Falschaussage

SPÖ, NEOS und FPÖ brachten bei der WKStA eine Sachverhaltsdarstellung ein.

Die ÖVP bezeichnete die Darstellung des derzeit von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) geführten Justizministeriums als „irreführend“, denn die Akten der WKStA würden dieser Argumentation widersprechen. Schließlich begründe diese ihren Verdacht damit, dass Neumann über Blümel versucht habe, einen Termin bei Kurz zu bekommen. Nach Ansicht der ÖVP fuße diese Annahme „sehr wohl“ auf dem Termin von Graf mit „Kurz“ und laut Akten der WKStA auch auf dem Kalendereintrag.

Auch sehe die WKStA in den Akten „keinen Bezug“ zur früheren Aufsichtsrätin Martina Kurz und nimmt an, dass es sich beim Kalendereintrag um Sebastian Kurz handelt, betonte die ÖVP. Und zudem weise die WKStA explizit im Zusammenhang mit einem Treffen wegen einer Spende auf den betreffenden Kalendereintrag hin. Denn in den Akten halte die WKStA fest, dass im elektronischen Kalender Neumanns nach der Chatnachricht an Blümel kein Treffen in „unmittelbarer zeitlicher Nähe eingetragen ist“, verweist aber auf den Eintrag mit dem Betreff „Kurz“ im Terminkalender der persönlichen Sekretärin von Graf vom 25. Juli.

Opposition kritisiert Attacken auf WKStA

Der ÖVP gehe es um eine „professionelle und unabhängige Strafverfolgung“, hielt der Fraktionsführer der ÖVP im U-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, fest. Die WKStA habe aber „nachweislich schwere Patzer gemacht“. Die WKStA müsse nun die Vorwürfe gegen Blümel schnellstmöglich aufklären. Es dürfe nicht sein, dass der Finanzminister „nun – wie oft in solchen Fällen – Monate oder jahrelang einen Schatten über seiner Reputation“ habe.

NEOS forderte die ÖVP erneut auf, die „Rundumschläge der letzten Tage gegen die WKStA und die österreichische Justiz“ zurückzunehmen. Die ÖVP habe „mantraartig“ versucht, die Hausdurchsuchung nur von einem Kalendereintrag abhängig zu machen, so NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak. „Diese Argumentation hat sich jetzt, auch durch die Klarstellung vom Bundesministerium für Justiz, als komplett falsch herausgestellt.“ Laut SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim stehe der ÖVP offenbar das „Wasser bis zum Hals“, wenn die Parteizentrale aus Ermittlungsakten zitiert. In Richtung ÖVP meinte Yildirim, wenn es nichts zu verbergen gebe, „dann lassen Sie die Justiz in Ruhe ermitteln und ihre Arbeit machen.“

Für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl war eine eidesstattliche Erklärung von Kurz überfällig. Denn immerhin komme dessen Name im Akt der WKStA „fast doppelt so oft vor wie jener des Finanzministers“. Es sei „höchst an der Zeit, dass sich der Kanzler selbst in Zusammenhang mit den offenbar umfangreichen Spendenkeil-Aktionen“ erkläre, so Kickl.

Die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, plädierte am Samstag in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ für eine Beruhigung der Diskussion: „Wir alle täten gut daran, die Diskussion wieder zu beruhigen.“ Die Justiz soll in Ruhe ihre Arbeit machen können. Der gegenwärtige Konflikt sei ein „härterer“. Aber es sei von Beginn an klar gewesen, so Maurer, „dass wir mit einer Partei koalieren, die sehr weit von uns weg ist.“ Es wäre aber „absolut fahrlässig“, in Zeiten einer Pandemie die Koalition platzen zu lassen.

Anzeige wegen Falschaussage im Ausschuss

Für die ÖVP könnten aber weitere Probleme drohen: Die Fraktionsführer von SPÖ, NEOS und FPÖ zeigten Blümel nun auch wegen Falschaussage im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss an. Grund sei die Diskrepanz zwischen den Aussagen des Finanzministers bei seiner Befragung am 25. Juni des vergangenen Jahres und den Chatnachrichten, etwa jenen zwischen Blümel und Neumann.

Wie die drei Oppositionsvertreter im U-Ausschuss in einer der APA vorliegenden Sachverhaltsdarstellung anführten, bestehe der Verdacht, dass Blümel „tatsachenwidrig“ angab, dass er nicht wisse, ob Vertreter der Novomatic, insbesondere Neumann, jemals in zeitlichem oder sachlichem Konnex zu einer möglichen Spende Anliegen oder Wünsche ausgedrückt hätten. Blümel habe im Juni etwa auf eine Frage von NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper, ob jemals Vertreter der Novomatic an ihn herangetreten seien und dabei Spenden in Aussicht gestellt wurden, laut stenografischem Protokoll gemeint: „Nicht, dass ich mich erinnern könnte.“

Auf Nachfrage, ob er ausschließen könne, dass Spenden ein Thema waren, antwortete Blümel: „Ich kann für mich ausschließen, dass ich mich erinnern kann, dass das ein Thema war, ja.“ Auf abermalige Nachfrage, ob Spenden ein Thema waren, meinte Blümel dann: „Ehrlicherweise kann ich das nicht ausschließen, dass jemals jemand etwas angeboten hat. Ich war aber auch nicht für diese Themen zuständig und ich könnte mich auch nicht erinnern, dass es solche gegeben hat.“

Regelmäßiger Kontakt

Laut den Oppositionsparteien hat Blümel darüber hinaus auch verschwiegen, dass er mit Neumann zumindest seit 2012 in regelmäßigem Kontakt stehe. Und auch rund um die Besetzung des Aufsichtsrates der Casinos Austria AG 2018 im Sinne einer „österreichischen Lösung“ sowie in Hinblick auf den möglichen Erwerb von Anteilen der Sazka Group an der Casinos Austria in regelmäßigem Austausch mit Neumann stand.

SPÖ, NEOS und FPÖ brachten die Sachverhaltsdarstellung am Freitag bei der WKStA ein. Für eine Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates drohen gemäß Paragraf 288 StGB (Strafgesetzbuch) wie bei einer Falschaussage vor Gericht bis zu drei Jahre Haft.