Der Journalist Hugo Portisch bei einem Interview 2019
APA/Herbert Pfarrhofer
1927–2021

Hugo Portisch ist tot

Der wohl berühmteste österreichische Journalist Hugo Portisch ist tot. Der breiten Öffentlichkeit wurde Portisch als Chefkommentator des ORF bekannt. Wie kein Zweiter beherrschte er bis zuletzt die Kunst, komplizierte Sachverhalte in einfachen Worten zu erklären und Wissen mit hoher Kompetenz, aber ohne erhobenen Zeigefinger zu vermitteln.

Sein Markenzeichen: Sprechen ohne Punkt und Komma, druckreif und mit großem Enthusiasmus der Information gegenüber, womit er die Neugier und das Interesse seines Publikums weckte. Für die heimische Medienlandschaft war Portisch zweifellos der wichtigste Journalist nach 1945. Nun starb er im Alter von 94 Jahren.

Als Gestalter der Fernsehserien „Österreich II“ und „Österreich I“ wurde er zum wichtigsten Deuter der Republik – und damit so etwas wie eine nationale Institution, die auch noch längst nach der Pensionierung um Stellungnahmen gebeten wurde. Mit der vierteiligen Reihe „Die Zweite Republik – Eine unglaubliche Geschichte“ legte er nach, später folgte unter anderem „Die Geburt Europas“.

Hugo Portisch
APA/ORF
In den 1960er Jahren wechselte Portisch als Chefkommentator zum ORF

Flucht vor der Waffen-SS

Geboren wurde Portisch 1927 in Bratislava als Sohn eines angesehenen liberalen Journalisten. Sein Vater entzog sich, allen Gefahren zum Trotz, dem Zugriff der nationalistischen Kräfte der Tschechen und Slowaken und später dem des Nationalsozialismus, was auch den jungen Hugo prägte.

Als er in den letzten Kriegswochen zur Waffen-SS einberufen wurde, floh er quer durch Böhmen bis ins freie Nachkriegsösterreich, wo er zunächst ein Leben unter ärmlichen Verhältnissen startete. „Es hat mir nichts ausgemacht, denn ich hatte jeden Tag eine solche Freude, am Leben zu sein, und eine solche Freude, dass es keinen Krieg und keine Verfolgung gibt“, sagte Portisch dazu einmal im Interview.

Steile Karriere als Journalist

Seine Karriere als Journalist in der Nachkriegszeit verlief steil. 1947 startete er beim St. Pöltner Presseverein, ein Jahr später übernahm er den Posten als Redaktionsaspirant bei der „Wiener Tageszeitung“, dessen außenpolitisches Ressort er 1950 übernahm. 1954 holte Hans Dichand ihn zum „Kurier“, der damals größten Tageszeitung Österreichs. 1958, nach Dichands Abgang, wurde er Chefredakteur. Knapp zehn Jahre später heuerte er als Chefkommentator beim ORF an.

Der erste in vielen Gebieten

Der ORF war so etwas wie ein Ankommen für ihn. Für den Österreichischen Rundfunk reiste Portisch noch zu Sowjetzeiten als Korrespondent nach Moskau und Sibirien oder auch nach Kuba. Er war einer der Ersten, der China erkundete. 1964, zu einer Zeit, als Berichte aus fernen Ländern allgemein noch selten waren, war er als einziger westlicher Journalist im Lande.

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Hugo Portisch vor dem Parlament
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Der breiten Öffentlichkeit wurde Portisch als Chefkommentator des ORF-Fernsehens bekannt
Hugo Portisch bereitet sich auf seine erste Reise in die Sowjetunion vor.
Pressefotograf K. Koranda
Hier bereitete sich der Journalist auf seine erste Reise in die damalige Sowjetunion vor
Volksbegehren für eine Rundfunk- und Fernsehreform 1964
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Portisch war aber auch maßgeblich am erfolgreichen Rundfunkvolksbegehren beteiligt
Hugo Portisch
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Als Experte wurde er in Medien immer wieder zitiert
Minister Alexander Schallenberg übergibt das Große Goldene Ehrenzeichen im Dezember 2019 an Hugo Portisch
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Für seine Arbeit wurde Portisch u. a. mit dem Karl-Renner-Preis und dem Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet
„Club 2“, „Hört die Signale“ mit Hugo Portisch, Alexander Jakowlew, Marion Gräfin Dönhoff und Henry Kissinger
ORF/Thomas Ramstorfer.
Im „Club 2“ diskutierte Portisch auch mit dem früheren US-Sicherheitsberater und Außenminister Henry Kissinger
Hugo Portisch und Franziska Weisz bei „Willkommen Österreich“ mit Christoph Grissemann und Dirk Stermann im März 2013
ORF/Hans Leitner
Selbst bei „Willkommen Österreich mit Stermann & Grissemann“ war der Journalist zu Gast
Hugo Portisch begleitet als Chefkommentator des ORF Papst Johannes Paul II. auf seiner ersten Reise ins Ausland nach Irland und in die USA
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Portisch begleitete Papst Johannes Paul II. auf seiner ersten Reise ins Ausland nach Irland und in die USA

Portisch kommentierte 1969 die erste Mondlandung – der ORF übertrug diese damals in einer 28 Stunden und 18 Minuten langen Sendung. Seine Bücher, die er nach seinen Reisen verfasste, verkauften sich international hunderttausende Male.

„Check, Re-Check, Double-Check“

Hugo Portisch war durch und durch Journalist, der die Grundsätze einer gewissenhaften Recherche mit dem Credo „Check, Re-Check, Double-Check“ hochhielt – jedes Faktum überprüfen, dreimal. „Die Unwahrheit ist der Feind des Journalismus“, so meinte er einmal im ORF.at-Interview. In diesem Sinne zählte es für ihn zum journalistischen Einmaleins, die an ihn herangetragene „Wahrheit“ nicht für gegeben anzunehmen, sondern stets auch der anderen Seite Gehör zu schenken.

Seine Unabhängigkeit hielt Portisch immer hoch. Als ihm in den 90er Jahren von Rot und Schwarz eine parteiübergreifende Kandidatur als Bundespräsident angeboten wurde, lehnte er ab, wohl auch aus dem Grund, dass Journalist für ihn „der tollste Beruf auf der Welt“ war.

„Man kann über alles berichten, wenn man sich seiner Aufgabe bewusst ist: Das, was man gesehen und gehört hat, so zu vermitteln, dass alle es verstehen. Und es gehört der Drang dazu, nicht nur zu schreiben oder zu sprechen – sondern etwas zu bewegen.“ In die Annalen der Medienpolitik schrieb er sich auch als Initiator des Rundfunk-Volksbegehrens ein, das in die Rundfunkreform mündete.

Zum Ehrenbürger Wiens ernannt

2018 wurde Portisch zum Ehrenbürger Wiens ernannt und erklärte anlässlich der Verleihung, dass die vielen Lobesworte „schwer zu ertragen“ seien. Er habe durchaus etwas für Wien geleistet, wie er mit Augenzwinkern anmerkte: In nur 14 Tagen hätten Unikollegen und er die von Trümmern verschüttete Rathausbibliothek ausgegraben, erinnerte er sich in seiner Dankesrede bei der Zeremonie im Rathaus.

Hugo Portisch – eine Journalistenlegende

In „Burgenland heute“ sprach Hugo Portisch über seine über 70 Jahre währende Laufbahn als Journalist.

2018 starb auch seine langjährige Ehefrau, die Schriftstellerin Gertraude Portisch. Gertraude Portisch, die unter ihrem Mädchennamen Traudi Reich zahlreiche Kinderbücher verfasste, trat auch als Autorin von Lyrikbänden und Novellen sowie des Romans „Cassiel“ (Edition Atelier) hervor.

„Aufregend war es immer“

Für seine Arbeit wurde Portisch u. a. mit dem Karl-Renner-Preis, dem Österreichischen Staatspreis, der Goldenen Kamera und dem Fernsehpreis Romy ausgezeichnet. Unter seinen zahlreichen Büchern befindet sich auch durchaus unpolitisches: 1989 verfasste er zusammen mit seiner Frau Gertraude den Band „Pilzesuchen – ein Vergnügen“.

Seine Autobiografie „Aufregend war es immer“ wurde zu seinem 90. Geburtstag ergänzt und neu aufgelegt. Damals legte er auch mit „Leben mit Trump – ein Weckruf“ eine damals hochaktuelle Betrachtung des Umbruchs in den USA und dessen internationale Folgen vor. 2018 wurde er zum Wiener Ehrenbürger ernannt, im Herbst 2019 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen der Republik.