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Ahnenforschung

Aller Anfang ist leicht

Vielfach ist schon die Blütezeit der Ahnenforschung ausgerufen worden – das mag nicht nur an gehäufter Freizeit in der Pandemie liegen, sondern auch an vielen neuen Möglichkeiten. Interessierte sind oft abgeschreckt und stellen sich die Frage, wo man anfangen soll. Dabei ist Österreich ein Dorado für Ahnenforscherinnen und -forscher, die oft verteufelte Bürokratie erweist sich hier als Schatz. Und der Einstieg in die Materie ist inzwischen ein leichter.

Denn vielerorts sind große Bestände an Daten bereits digitalisiert, man kriegt also schon viel heraus, ohne sich in Archive begeben zu müssen. ORF1 geht am Mittwoch auf Spurensuche mit Prominenten und Hobbyforschenden, für die die Lust an der Vergangenheit mitunter zur Sucht wurde. In der Genealogie sind immer jene im Vorteil, die nicht Müller, Meier oder Schmidt heißen. Aber auch für sie birgt das Hobby Suchtpotenzial. „Überspitzt kann man sagen, Ahnenforschung ist wie eine lebenslange Schnitzeljagd“, sagt der Historiker Georg Gaugusch.

Er und seine Ehefrau Marie-Theres Arnbom, ebenfalls Geschichtsforscherin, geben am Mittwoch in der Sendung „Dok 1: Im Ahnenfieber“ auf ORF1 Tipps für Interessierte. Auch Hobbyforscherinnen und -forscher kommen zu Wort, viele können nicht mehr vom „Laster“ Genealogie lassen.

Der Beginn ist dank Digitalisierung leicht – die Hürden werden größer, je weiter man kommt. Der erste Schritt beginnt meist bei den eigenen Verwandten: Sie sind oft ein Speicher des Wissens über Familiengeheimnisse und Informationen, die einen ersten Ansatzpunkt geben können. Auch Nachlässe der Ahnen sind ein guter Beginn: Hier finden sich – manchmal im Keller, manchmal auf dem Dachboden – Parten, Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden sowie „Kleine Abstammungsnachweise“ aus der NS-Zeit, die man auch unter dem Titel „Ariernachweise“ kannte. Sind erst ein paar interessante Namen bekannt, ist in weiterer Folge ein enormer Datenschatz online zu finden, oft auch kostenlos.

Die Österreicher sind „im Ahnenfieber“

Alte Wissenschaft, neue Methoden: ORF1 spricht mit Profis und Hobbyforschenden über die Lust an der Genealogie.

Lebensdaten leicht gefunden

Dafür ist eine Registrierung in großen internationalen Datenbanken, die derzeit boomen, nicht unbedingt nötig. Viele Angebote sind regional und direkt einsehbar: Einen kostbarer Fundus bietet zum Beispiel die Gräbersuche, mit der sich etwa Sterbedaten herausfinden lassen. Für Wien ist außerdem „der Lehmann“ ein Schatz an Informationen: Für die Jahre 1859 bis 1942 gab Adolph Lehmann seinen „Allgemeinen Wohnungs-Anzeiger“ heraus, den die Wien Bibliothek digitalisiert und öffentlich zugänglich gemacht hat. Hier finden sich die Meldeadressen und Berufe vieler Gesuchter mit wenigen Klicks und kostenlos.

TV-Hinweis

Am Mittwoch geht Lisa Gadenstätter auf die Suche nach Suchenden: „Dok 1: Im Ahnenfieber“ startet um 20.15 Uhr auf ORF1. Um 21.05 Uhr beginnt die Serie „Meine Vorfahren“, in der Prominente ihren Wurzeln nachspüren, dieses Mal Katharina Straßer und Andreas Goldberger.

Eine ähnlich wertvolle Quelle ist Austrian Newspapers Online (ANNO). Das Projekt der Nationalbibliothek macht es möglich, Millionen Ausgaben historischer Zeitungen und Zeitschriften gratis per Volltext zu durchforsten und downzuloaden. Die ältesten Ausgaben stammen aus dem Jahr 1568. Nach demselben Prinzip funktioniert auch Google Books, die größte Sammlung digitalisierte Bücher weltweit. Hier lassen sich 40 Millionen Bücher kostenlos auf Namen von Verwandten und Vorahnen untersuchen, was etwa für die Suche nach Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ebenso hilfreich ist wie nach Angehörigen des Militärs.

Suchen oder sich finden lassen

Die internationalen Genealogieseiten sind eine weitere Möglichkeit, nach Vorfahren zu forschen: In Datenbanken wie MyHeritage und Ancestry sind inzwischen Milliarden Profile aus der ganzen Welt gespeichert, darunter auch Hunderttausende aus Österreich. Diese Datenbanken haben Vor- und Nachteile: Interessierte müssen sich registrieren und nach Gratistestangeboten fallen bei verschiedenen Abos Kosten an.

Dafür ist eine Suche in zahlreichen Quellen möglich, zudem bieten die Seiten DNA-Analysen an. Ein Speichelabstrich kann eingeschickt werden, damit Herkunftsorte – auch international – ermittelt werden. Viele Menschen haben allerdings Bedenken, Daten und Genmaterial an Privatfirmen abzugeben. Ein großer Bonus der Datenbanken ist aber, dass Hobbyforschende dort ihren Stammbaum digital eingeben können – und so womöglich von entfernten Verwandten, die selbst registriert sind, gefunden werden. In manchem Fall kann sich so eine Vernetzung als letzter fehlender Puzzlestein erweisen.

Handschrift als Feind der Volltextsuche

Eine der ersten Anlaufstellen sind in Österreich freilich auch die Kirchen: Was nach 1939 erfasst wurde, ist an den Standesämtern zu suchen. Davor waren es die kirchlichen Matriken, die die wichtigsten Daten der Bevölkerung erfassten. Geburtsort und -datum, Heirat und Tod sind hier verzeichnet. Die Informationen reichen im Großen und Ganzen ins 16. Jahrhundert zurück, 1770 wurden Matriken in Österreich Pflicht. Sie können als Personenstandsverzeichnisse verwendet werden. Die Kirchen leisteten auf dem Feld inzwischen Pionierarbeit.

Auf der Spur alter Familiengeheimnisse

Katharina Straßer macht sich mit ORF1 auf Ahnensuche und geht alten Familiengeheimnissen nach.

Urkunden finden sich bei Monasterium, historische Fotos und Bilder bietet die Topothek. Die Diözesen scannten zudem schon fast alle Pfarrbücher ein, sie sind auf Matricula Online für alle zugänglich. Eine Volltextsuche ist aber nicht möglich, denn die Kirchenbücher wurden handschriftlich geführt. Die Pfarre St. Pölten arbeitet aber etwa derzeit an der Möglichkeit, selbst Kurrentschrift digital lesbar zu machen.

Motiv Leidenschaft

Hier kommt kommt auch die Forschercommunity ins Spiel, die in Österreich gut organisiert ist und Bedeutsames für die Geschichtsforschung leistet. Viele der in Vereinen ehrenamtlich Tätigen geben zahllose handverfasste Dokumente mühsam in Datenbanken ein und machen so eine digitale Suche möglich. Auch die Vereine verfügen über große Datensätze und sind behilflich, wenn Hobbygenealogen und -genealoginnen einmal nicht weiter wissen. Solche Vereine sind zum Teil mit Mitgliedsbeiträgen verbunden, aber nicht immer.

Es gibt etwa die Wiener Heraldisch-Genealogische Gesellschaft Adler und Familia Austria. Die Gesellschaft für Familien- und regionalgeschichtliche Forschung (ÖFR) bietet ein eigenes Wiki, zudem werden Stammtische veranstaltet. Eine weitere Vereinigung unter Führung des Berufsgenealogen Felix Gundacker ist GenTeam, das seine Daten kostenlos zur Verfügung stellt. GenTeam hat rund 21 Millionen Datensätze aus Österreich, Tschechien, Slowenien und der Slowakei online.

„Mehr von seinem Ich erfahren“

Gundacker hilft in der neuen ORF1-Serie „Meine Vorfahren“ Prominenten bei ihrer Ahnenforschung, in Folge eins am Mittwoch der Schauspielerin Katharina Straßer und Skisprunglegende Andreas Goldberger. Sie suchen mit Gundacker in ganz Österreich nach Spuren der Vergangenheit und gehen Familiengeheimnissen nach. Während Straßer bei der Suche nach ihren Ahnen Zweifel aufkommen, ob sie überhaupt eine echte Tirolerin ist, blieben die Goldbergers immer im selben „Grätzl“. Der ehemalige Skispringer trifft sogar ganz in der Nähe des elterlichen Hofs auf eine Verwandte, von deren Existenz er gar nichts wusste.

Bäuerliche Vorfahren im Innviertel

Andreas Goldberger verfolgte eine ganz andere Karriere als seine Familienmitglieder – in der Sendung „Meine Vorfahren“ rekonstruiert er das Leben seiner Ahnen.

„Ahnenforschung ist notwendig, um mehr von seinem Ich zu erfahren, und das geht am besten, indem man die Vergangenheit seiner Vorfahren erforscht. Man kann keinen einzigen seiner Vorfahren wegradieren, ohne sich selbst auszuradieren", sagt Gundacker, der sich seit vielen Jahrzehnten mit historischen Familiengeschichten beschäftigt.

Forschung für Fortgeschrittene

Man muss aber Genealogie nicht als Beruf auserwählen, um hineinzukippen und zahllose Stunden zu investieren. Sind die ersten Schritte getan, wird man oft schon einen ansehnlichen Stammbaum erstellen können. Nach der anfänglichen Onlinerecherche zieht es Forscherinnen und Forscher weiter in die Institutionen. Anfragen an Stadt-, Landes- und Bezirksarchive werden in den meisten Fällen schnell und fundiert beantwortet – Spuren können dann auch an Ort und Stelle nach Terminvergabe weiterverfolgt werden.

In den Stadt- und Landesarchiven warten etwa die „Heimatrollen“ auf ihre Erforschung: In ihnen wurden alle „Heimatberechtigten“ eines Ortes bzw. einer Gemeinde erfasst. Bis 1939 war das „Heimatrecht“ das Äquivalent zur heutigen Staatsbürgerschaft. In der „Heimatrolle“ sind etwa auch öffentliche Ämter angeführt. Darüber hinaus sind auch die Suche in Firmenarchiven hilfreich: Sie sind teils bestens sortiert, etwa bei den ÖBB, und enthalten ergiebige Daten über die Berufslaufbahnen, wenn die Ahnen dort beschäftigt waren.

Es gibt also zahlreiche Hebel, an denen angehende Genealogen und Genealoginnen ansetzen können. Die Angebote sind heute niederschwellig und leicht zugänglich, während sich Interessierte vor zehn Jahren noch durch staubige Akten wühlen mussten. Durch die digitalen Fortschritte und die Grundlagenarbeit von Ehrenamtlichen und Berufsforschenden wird zudem die Suche nach der eigenen Vergangenheit auch in Zukunft immer einfacher. Bis eine Suchmaschine allerdings alle Daten ohne jede Mühe ausspuckt, ist es immer noch ein langer Weg.