AstraZeneca-Impfstoff
APA/AFP/Gent Shkullaku
AstraZeneca

EMA will Sicherheitsbericht vorlegen

In Sachen AstraZeneca-Impfstoff liegt der Ball nun bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA). In einigen EU-Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und Italien, war die Verwendung des Vakzins vorerst ausgesetzt worden. Österreich hingegen hält vorerst an dem Impfstoff fest. Die EMA will am Dienstag einen Sicherheitsbericht über den Impfstoff vorlegen, auch die WHO berät am Dienstag.

Bisher gebe es keine Hinweise darauf, dass das Mittel ein ernstes Gesundheitsrisiko darstelle, sagte der Chef der EMA-Abteilung für Impfstrategien, Marco Cavaleri, am Montag bei einer Anhörung im EU-Parlament. „Wir sehen kein Problem darin, die Impfkampagne mit diesem Impfstoff fortzusetzen.“

Cavaleri sprach im Gesundheitsausschuss des Parlaments, kurz bevor Deutschland, Frankreich und Italien die Verabreichung des Mittels aussetzten. Erste Länder hatten das in den vergangenen Tagen bereits getan, nachdem Fälle schwerer Blutgerinnsel nach AstraZeneca-Impfungen bekanntgeworden waren.

Die EMA soll deshalb am Dienstag einen Bericht zur Sicherheit des Mittels des britisch-schwedischen Herstellers veröffentlichen. Laut Cavaleri basiert diese Bewertung vor allem auf Informationen aus Großbritannien, wo der Impfstoff seit Dezember in großen Mengen verabreicht wurde. „Wir nehmen natürlich alle Daten unter die Lupe, insbesondere die tödlichen Fälle, die gemeldet wurden.“ Das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs werde aber weiterhin positiv bewertet. Frankreich und Italien äußerten die Hoffnung, die Impfungen mit dem Vakzin nach der neuen Stellungnahme der EMA wiederaufnehmen zu können. Die EMA plant für Donnerstag eine Sondersitzung zu dem Impfstoff.

WHO sieht keine Alarmzeichen

Die Entscheidung Frankreichs, den Impfstoff von AstraZeneca vorübergehend auszusetzen, sei in Abstimmung mit anderen europäischen Ländern getroffen worden, sagte die französische Industrieministerin Agnes Pannier-Runacher Dienstagfrüh dem Radiosender France Info. Neben Deutschland, Italien und eben Frankreich setzten am Montag auch Spanien, Portugal, Slowenien und Luxemburg vorübergehend Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin aus. Am Dienstag folgten dann Schweden, Lettland und Zypern, wie die jeweiligen Gesundheitsbehörden mitteilten.

Die Impfexperten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden indes am Dienstag über den Impfstoff von AstraZeneca beraten. Die Vorfälle seien nicht notwendigerweise auf das Impfen zurückzuführen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Montag in Genf. Das Pharmaunternehmen AstraZeneca wollte in einer Aussendung am Montagnachmittag vor dem Hintergrund der jüngsten Berichte im Zusammenhang mit thrombotischen Ereignissen deutlich machen, „dass der Covid-19-Impfstoff gemäß eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen sicher ist“. „Die Sicherheit ist von höchster Bedeutung, und das Unternehmen überwacht kontinuierlich die Sicherheit seines Impfstoffes“, hieß es.

Auch die italienische Arzneimittelaufsicht AIFA stufte den Impfstoff als sicher ein. Das Verhältnis von Nutzen und Risiko sei „weitgehend positiv“, sagt AIFA-Direktor Nicola Magrini der Zeitung „La Repubblica“. Die Entscheidung mehrerer Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien, das Impfen mit dem Vakzin auszusetzen, sei politisch gewesen. Die AIFA werde zwei, drei Tage benötigen, um alle erforderlichen Daten zu sammeln. Sobald alle Zweifel ausgeräumt seien, „können wir schneller weitermachen als zuvor“.

Todesfälle in Italien werden untersucht

In Italien laufen allerdings Ermittlungen zu Todesfällen in zeitlicher Nähe zu CoV-Impfungen auf Hochtouren. Die italienische Justiz ermittelt nach mindestens sechs Todesfällen, die mit einer AstraZeneca-Impfung zusammenhängen könnten. Am Montag wurde eine 54-Jährige auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Neapel eingeliefert, nachdem sie vergangene Woche mit einer Dosis aus der AstraZeneca-Charge ABV5811 geimpft worden war, die in Italien am Sonntag eingezogen wurde. Die Frau, die vor der Impfung gesund war, schwebe in Lebensgefahr, berichteten italienische Medien.

Die Gewerkschaftsverbände der Carabinieri meldeten eine beträchtliche Zahl von Berichten über schwere Reaktionen nach Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff unter den Sicherheitskräften. Die Gewerkschaften forderten genaue Kontrollen bei der Fortsetzung der Impfkampagne mit dem Vakzin.

Die Staatsanwaltschaft der süditalienischen Stadt Lagonegro beschloss die Sicherstellung der Leiche eines 62-jährigen Polizisten, der wenige Stunden nach einer Impfung mit dem Biontech-Pfizer-Vakzin verstorben war. Die Ermittler wollen feststellen, ob ein Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Todesfall besteht, berichteten italienische Medien am Dienstag. Die italienische Regierung befürchtet, dass die Impfkampagne wegen des Stopps der Immunisierung mit AstraZeneca-Vakzinen stark verlangsamt werden könnte. Dabei hatte die Regierung erst am Samstag ihren neuen Impfplan vorgestellt, der die Verdreifachung der Impfungen von täglich 170.000 auf 500.000 vorsieht.

Österreich impft weiter mit AstraZeneca

Österreich wird weiter mit dem Vakzin von AstraZeneca impfen. Eine entsprechende vorläufige Empfehlung sprach am Montagabend das Nationale Impfgremium aus. Allerdings wurde auch klargestellt, dass noch Daten fehlten. Daher könne man keine „abschließende Empfehlung“ abgeben, hieß es in einer Aussendung des Gremiums, das nach dem Impfstopp mehrerer EU-Staaten getagt hatte.

Die bis jetzt eingelangten Meldungen vermuteter Nebenwirkungen diverser europäischer Länder seien derzeit noch inkomplett und schwer vergleichbar, sodass sich keine zusammenfassende Aussage oder eindeutigen Schlüsse tätigen ließen, schrieb das Gremium. Am Dienstag würden jedoch neue Daten der EMA vorgelegt, die als Entscheidungsgrundlage für das weitere Prozedere dienen sollten. Das Impfgremium wird danach auch wieder debattieren.

Impfexpertin zur Entscheidung des Nationalen Impfgremiums

Die Sitzung des Nationalen Impfgremiums ist vor Kurzem zu Ende gegangen. Auch dieses Gremium empfiehlt wie der Gesundheitsminister, auf die Entscheidung der EMA zu warten. Dazu im Studio: Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium.

Stand Montagabend sah die Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium, Maria Paulke-Korinek, keinen Grund, die anstehenden Impfungen abzusagen. Für sie hat der Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Freilich schränkte die Spitzenbeamtin in der ZIB2 ein, dass man im Nationalen Impfgremium nur die österreichischen Daten zur Verfügung habe. Die EMA sammle und evaluiere alle europäischen Daten. Daher sei es „wirklich notwendig“, auf diese Informationen zu warten.

Anschober will „gesamteuropäisches Vorgehen“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach sich zuvor für ein „gesamteuropäisches Vorgehen“ aus. Anschober forderte eine „raschestmögliche, klare Stellungnahme von den europäischen Behörden für ein gemeinsames gesamteuropäisches Vorgehen“. Es brauche jetzt eine klare Entscheidung und Empfehlung der EMA für die Mitgliedsstaaten. „Wir haben uns bei den Impfungen auf ein gemeinsames europäisches Vorgehen geeinigt. Nationale Einzelgänge sind in diesem Zusammenhang weder effektiv noch vertrauensbildend“, so der Minister.

„Wenn derart weitreichende Entscheidungen getroffen werden, müssen diese durch fundierte Daten und Fakten eindeutig belegt sein und am besten durch die dafür zuständige EMA empfohlen werden", sagte Anschober zudem. Derzeit gebe es keinen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff von AstraZeneca und den aktuell diskutierten gesundheitlichen Ereignissen, „die auch bei ungeimpften Personen auftreten können“, so Anschober. FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer forderte unterdessen erneut den „sofortigen Stopp“ der AstraZeneca-Impfungen. Nach den „immer häufiger auftretenden Komplikationen“ müsse Österreich nachziehen.