Transport von Pfizer-BioNTech Impfstoff
Reuters/Nicolas Maeterlinck
EU-Impfstoffverteilung

Österreich hofft auf 380.000 weitere Dosen

In der von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angestoßenen Diskussion über die Impfstoffverteilung in der Europäischen Union bahnt sich offenbar eine Einigung an. Im Zentrum dürften die auf das zweite Quartal vorgezogenen zehn Millionen Dosen von Biontech und Pfizer stehen. Dabei hofft auch Österreich auf eine zahlenmäßig etwas bevorzugte Behandlung.

Kurz äußerte am Mittwoch die Erwartung, „dass wir Hunderttausende Dosen mehr bekommen“. Besonders betroffene Länder wie Bulgarien und Lettland sollen zum Ausgleich bestehender Ungleichheiten deutlich mehr als bisher erhalten, sagte Kurz nach einer Videokonferenz von EU-Ratspräsident Charles Michel und mehreren Regierungschefs.

Dem Vernehmen nach würde Österreich im Rahmen der Korrektur rund 380.000 Dosen von Biontech und Pfizer erhalten. Das wäre fast das Doppelte dessen, was dem Land laut dem reinen Verteilungsschlüssel nach der Einwohnerzahl zustehen würde. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte Dienstagmittag bei einem Onlinepressegespräch zur Impfkampagne in Wien gesagt, 200.000 dieser Biontech-Dosen würden auf Österreich entfallen, das entspricht in etwa dem Bevölkerungsschlüssel. Über die Verteilung müssen die EU-Staaten im Konsens entscheiden.

Von der Leyen empfiehlt Korrektur

Die Entscheidung bei den Mitgliedsstaaten sah Mittwochmittag auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie empfahl den Staaten allerdings ebenfalls, die zusätzlichen zehn Millionen Dosen von Biontech und Pfizer abweichend vom reinen Pro-Kopf-Schlüssel zu verteilen. Das könne genau die Summe sein, die Ungleichgewichte in Quartal eins und Quartal zwei auszugleichen, sagte von der Leyen in Brüssel. Das sei jedoch Entscheidung der Mitgliedsstaaten, „aber das ist meine Empfehlung“.

Peter Fritz (ORF) zu „Grünem Pass“

Peter Fritz kommentiert die Bestrebungen zur Einführung eines „Grünen Passes“ und die Versuche der Bundesregierung, Fehler bei der Impfstoffbeschaffung wettzumachen.

Die EU-Kommission habe „von Anfang an“ die Verteilung der Impfdosen nach einem Bevölkerungsschlüssel empfohlen, betonte die EU-Kommissionspräsidentin. Allerdings hätten sich die EU-Staaten für einen anderen Weg entschieden. Zu Österreich sagte von der Leyen: Die Zusammenarbeit „ist ausgezeichnet“, sie sei eine „sehr enge, gute und vertrauensvolle“.

Ungleichgewicht durch unterschiedliche Bestellungen

Kurz sagte am Mittwoch einmal mehr, es sei „auf europäischer Ebene ein System gebaut worden, das nicht gut ist, weil es klar dem widerspricht, was die Staats- und Regierungschefs vereinbart haben“. Diese hatten auf einem Gipfel im Jänner eine Verteilung der Impfstoffe anhand der Bevölkerungsgröße und Lieferungen zur gleichen Zeit für alle Mitgliedsstaaten vereinbart.

Impfstoff-Ampullen von Pfizer-BioNTech im Gefrierschrank
Reuters/Benoit Tessier
Zehn Mio. zusätzliche Dosen des Impfstoffs von Biontech und Pfizer sollen die Verteilung in der EU ausgleichen

In der Praxis bekamen aber nicht alle EU-Staaten zur gleichen Zeit die gleiche Menge an Impfstoffen. Das lag vor allem auch daran, dass nicht alle EU-Staaten alle ihnen angebotenen Impfstoffe gekauft hatten. Wer zum Beispiel vor allem auf AstraZeneca setzte, war von den Lieferproblemen des britisch-schwedischen Herstellers besonders betroffen. Österreich habe bisher keinen Schaden genommen, bekräftigte Kurz, „aber auch für uns wäre das System nachteilig“.

Forderung nach „Korrekturmechanismus“

Kurz und eine Reihe weiterer Regierungschefs forderten zuletzt einen „Korrekturmechanismus“. Der österreichische Kanzler und Amtskollegen aus Tschechien (Andrej Babis), Slowenien (Janez Jansa), Bulgarien (Bojko Borissow), Lettland (Krisjanis Karins) und Kroatien (Andrej Plenkovic) hatten in einem Brief hochrangige Gespräche in der EU über eine gerechtere Verteilung der Coronavirus-Impfdosen gefordert.

Das derzeitige Bestellsystem würde sonst „bis zum Sommer riesige Ungleichheiten unter Mitgliedsstaaten schaffen und vertiefen“, schrieben sie in der Vorwoche an EU-Ratspräsident Michel und Kommissionspräsidentin von der Leyen. Kurz dankte am Mittwoch den beiden für ihre Bemühungen um eine Lösung, in die auch die Konzernspitze der Hersteller Biontech und Pfizer einbezogen sei. „Ich bin froh, dass wir einer Lösung näher und näher kommen, und ich hoffe auch sehr, meinen Beitrag geleistet haben zu können“, sagte Kurz. Beim Impffortschritt liege Österreich derzeit im EU-Vergleich an zwölfter Stelle, also im Mittelfeld.

Auch von Anschober hieß es am Mittwoch noch einmal, das Problem sei nicht die Beschaffung der Impfstoffe, sondern der Verteilmechanismus. Hier sei es wünschenswert, wenn eine EU-weite Lösung gefunden werden könnte. Österreich sei bei den Impfungen „wirklich gut unterwegs“. Die Vorwoche sei mit rund 230.000 Impfungen eine „Rekordwoche“ gewesen. Bei der Siebentagesrate der Impfungen liegt Österreich laut dem Gesundheitsminister momentan EU-weit an der vierten Stelle.

Erneut Kritik an Auer

Ein „Korrekturmechanismus“ würde laut Kurz auch „bedeuten, dass kein Schaden für die Republik Österreich eintritt, trotz des Handelns (des zurückgezogenen Gesundheitsbeamten) Clemens Martin Auer im Steering Board“, sagte Kurz. Der Spitzenbeamte war von Gesundheitsminister Anschober am Montag aus der Funktion als Impfbeauftragter und Chefverhandler mit der EU abgezogen worden.

Anschober begründete den Schritt damit, dass Auer die Regierung nicht über die Möglichkeit zur Beschaffung von zusätzlichem Impfstoff von Biontech und Pfizer informiert habe. Die ÖVP war zuvor noch härter mit dem – ÖVP-nahen – Beamten ins Gericht gegangen und hatte die Suspendierung Auers gefordert.

Wie die „Presse“ am Mittwoch berichtete, war man sich aber sowohl im Kanzleramt als auch im Gesundheitsministerium durchaus bewusst, weniger Impfstoff zu bestellen, als möglich gewesen wäre. Das geht laut der Tageszeitung aus Dokumenten hervor, die zwischen den Kabinetten ausgetauscht wurden. Darüber hinaus sei später auch der Ministerrat über die Möglichkeit informiert worden, weitere Lieferungen aus übrig gebliebenen Kontingenten zu bestellen.