Fußgängerzone von Eisenstadt
APA/Helmut Fohringer
Appelle statt Verschärfungen

Regierung hält an Regionalisierung fest

Auch am Donnerstag sind erneut Rufe nach bundesweiten Verschärfungen laut geworden. Die Bundesregierung hält jedoch an dem eingeschlagenen Kurs fest – und setzt weiterhin auf Regionalisierung. Er gehe „aus heutiger Sicht nicht davon aus, dass es akute Maßnahmen in anderen Bundesländern braucht“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag.

Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatten sich Donnerstagvormittag in einer Onlinekonferenz mit den Intensivkoordinatoren der Länder ausgetauscht. Dabei habe sich bestätigt, dass in den restlichen Bundesländern eine deutlich bessere Lage herrsche als in der Ostregion, sagte Kurz bei einem Pressestatement nach dem Treffen. Teilweise zeige sich auf den Intensivstationen auch „eine stabile Situation“, so der Kanzler.

Deshalb werde man „den Weg der Regionalisierung fortsetzen“. Der Grundsatz müsse lauten: „So viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkungen wie notwendig“, so Kurz. „Die Maßnahmen im Osten sind notwendig, die Maßnahmen in allen anderen Bundesländern sind adäquat und werden dort fortgesetzt.“

Unterstützung für Spitäler angekündigt

Zugleich kündigte der Kanzler an, dass die angrenzenden Bundesländer Oberösterreich, Steiermark und Kärnten die Ostregion unterstützen würden. Er sprach von „Solidarität“ der Bundesländer. Überdies stellte Kurz „finanzielle Mittel für die Spitäler und die Mitarbeiter dort“ in Aussicht. Wie das im Detail ausschauen soll, ließ Kurz offen. Angedacht dürften jedenfalls Bonuszahlungen sein.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA
Kurz sieht derzeit keinen Grund für weitere bundesweite Verschärfungen

Positiv sticht für den Kanzler hervor, dass der Anteil der über 80-Jährigen auf Österreichs Intensivstationen in den vergangenen Wochen deutlich gesunken sei, was laut Expertenmeinung auf die fortschreitende Durchimpfung dieser vulnerablen Gruppe zurückzuführen sei. „Wir werden auch in den kommenden Wochen den Schwerpunkt der Impfungen auf die Gruppe der über 65-jährigen richten und bis Ende April mit einer Entlastung der Situation rechnen“, so der Regierungschef.

Anschober setzte sich nicht durch

Noch ist es aber nicht so weit, und so setzte Anschober auch am Donnerstag seine Warnungen fort. Wie ernst die Situation sei, zeigten die aktuellen Prognosen für die Belegung in den Intensivstationen Ostösterreichs bis Mitte April. In Wien sind jetzt schon 53 Betten mehr zu betreuen als beim Höchststand im Herbst. Auch Niederösterreich hat den Vergleichswert bereits überschritten.

Anschober hatte in den vergangenen Tagen immer wieder für österreichweite Maßnahmen plädiert. Er setzte sich damit aber augenscheinlich weder gegen die Bundesländer noch gegen den Koalitionspartner durch. Laut Kurz sind sich Regierung und Länder einig, dass es aus derzeitiger Sicht, keine akuten Maßnahmen in den anderen Bundesländern braucht". Ohnehin komme die Regierung alle zwei Wochen physisch zu Beratungen mit den Ländern in Wien zusammen. Dazwischen würden Telefonate geführt. Sollte es zu „unvorhergesehenen Entwicklungen“ kommen, „dann werden wir reagieren“, so der Kanzler.

Rufe nach bundesweiten Verschärfungen

Durchaus konträr hatte sich noch in der Früh der Rettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitk, geäußert. Er plädierte im Ö3-„Wecker“ dafür, mit einem harten Lockdown für kurze Zeit die Zahlen deutlich zu senken und dafür dann das Wirtschaften wieder zu ermöglichen: „Derzeit ist diese kurze Zeit wahrscheinlich vier bis sechs Wochen lang.“ Einen wochenlangen Lockdown light wolle niemand, der helfe gesundheitlich wenig und schade der Wirtschaft sehr.

Auch SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sprach sich am Donnerstag erneut für weitere österreichweite Maßnahmen aus – wenngleich sie das Wort Lockdown nicht in den Mund nahm. „Österreich ist zu klein, um Unterschiede in der Virusbekämpfung zu machen“, sagte die Parteichefin in einer Pressekonferenz. „Das Virus kennt keine Bezirksgrenzen, Gemeindegrenzen und natürlich auch keine Bundesländergrenzen.“

Die Infektionszahlen würden derzeit in ganz Österreich steigen. Außerdem sehe man weiterhin eine kritische Lage auf den Intensivstationen. Jene Patienten, die in den nächsten zwei Wochen schwer erkranken, seien heute schon infiziert. In einigen Regionen werde es in 14 Tagen daher mehr Intensivpatienten geben als Betten.

Pamela Rendi-Wagner
APA/Hans Punz
Rendi-Wagner sprach sich einmal mehr für bundesweite Maßnahmen aus

Der Ostlockdown sei „nur die erste wichtige Notbremse“, meinte die SPÖ-Chefin. Es wäre wesentlich effizienter und effektiver, jetzt die Zähne zusammenzubeißen und dann für den Sommer eine Perspektive zu haben. „Es kann nicht das Ziel sein, mit einer Auf-und-zu-Politik die kommenden Monate zu bestreiten.“ „In den letzten Wochen hat man den Eindruck, dass die Bundesregierung am Beifahrersitz des Pandemiemanagements Platz genommen hat“, so Rendi-Wagner. Sie verstecke sich hinter den Ländern und Paragraphen.

Osterbitte von Platter

Die meisten Landeshauptleute wollten freilich von österreichweiten Verschärfungen nichts wissen – und wiederholten immer wieder, man sehe derzeit keinen Grund für weitere Verschärfungen. Dafür wandte sich am Donnerstag Tirols Landeshauptmann Günter Platter mit einer Osterbitte an seine Landsleute: Er bat – „damit unser gewohntes Leben in greifbare Nähe rückt“ – darum, insbesondere über die Feiertage vorsichtig zu sein, damit es „nicht zu unnötigen Ansteckungen kommt und wir das Infektionsgeschehen weiterhin im Griff haben“. Derzeit seien 80 Prozent der Neuinfektionen auf den privaten Bereich zurückzuführen, so Platter in einer Aussendung.

Mehr Neuinfektionen würden ein höheres Risiko für mehr schwere Krankheitsverläufe und „mitunter auch weitere Maßnahmen, die sich niemand von uns wünscht“, bedingen, sagte der Landeshauptmann und erinnerte an Maßnahmen wie Abstandhalten, FFP2-Maske-Tragen und soziale Kontakte einzuschränken.

Die Bevölkerung scheint unterdessen zunehmend daran zu zweifeln, dass die Bürgerinnen und Bürger mitschuldig am Andauern der Krise haben. Nur noch 49 Prozent sind laut einer Unique-research-Umfrage für das Magazin „profil“ der Ansicht, dass die Österreicher im Alltag „zu sorglos“ seien. Im September und damit noch vor der zweiten Welle hatten noch 61 Prozent diese Meinung vertreten.