Geschäft in Wien
APA/Robert Jäger
Regierungsklausur

Lob und Tadel für „Comebackplan“

Die Reaktionen auf die in der Regierungsklausur angekündigten Maßnahmen zur Bewältigung der Krise auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft sind zwiegespalten. Für die Opposition ist das alles zu wenig, die Regierung habe nur Bekanntes präsentiert. Hingegen begrüßten Ökonominnen und Ökonomen die Erhöhung der Investitionsprämie, wobei die angekündigten Auswirkungen zu hoch gegriffen sein können.

Binnen eines Jahres sollen 500.000 Personen, die jetzt ohne Job oder in Kurzarbeit sind, wieder in reguläre Beschäftigung kommen. Gelingen soll das mit einem „Comebackplan“, den die Regierung in der Klausur am Montag und Dienstag ausgearbeitet hat. Details dazu sollen demnächst folgen. Ein Teil des Geldes für die geplanten Maßnahmen kommt nämlich aus dem EU-Wiederaufbaufonds (Recovery and Resilience Facility, RRF). Die Regierung rechnet mit 3,5 Milliarden Euro, allerdings wurden Projekte im Umfang von 4,5 Milliarden eingereicht.

Fix ist, dass die Investitionsprämie von drei auf fünf Milliarden Euro aufgestockt wird. Mit der Prämie (sieben oder 14 Prozent je nach Projekt) sollen 55 Milliarden an Investitionen ausgelöst werden und 500.000 bis 800.000 Jobs entstehen, hieß es vonseiten der Regierung. IHS-Ökonom Klaus Weyerstraß sieht die Investitionsprämie als eine „positive Maßnahme“, bezweifelt aber die Dimension der positiven Folgen. Bei der Beschäftigung sei eher mit „ein paar zehntausend“ neuen Jobs zu rechnen und nicht mit einigen hunderttausend.

Auswirkungen laut Ökonomen geringer als angekündigt

Weyerstraß hebt aber die positiven Auswirkungen der Vorzieheffekte in der Krise hervor – und die Lenkungseffekte. Denn wenn nun mehr oder früher in Digitalisierung und Ökologisierung investiert werde, also in die Bereiche, für die es 14 Prozent Prämie gibt, dann habe das kurz- und längerfristig positive Effekte für Österreichs Wirtschaft. Das könne etwa dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen und weniger Zertifikate kaufen zu müssen. Solche qualitativen Effekte seien aber schwer zu quantifizieren. Wirklich entscheidend für das Anspringen der Wirtschaft seien die weiteren Öffnungsschritte.

Auch Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer, hält die Investitionsprämie grundsätzlich für eine sinnvolle Maßnahme, insbesondere auch die Staffelung je nach Inhalten der Investition. Aber die von der Regierung in Aussicht gestellten positiven Effekte sind seiner Ansicht nach weit überhöht angegeben. Realistisch wären wohl 25.000 bis 50.000 zusätzliche Jobs und ein Plus von vielleicht zehn Prozent bei den Investitionen: „Das ist nicht nichts und insgesamt positiv.“ WIFO-Ökonom Klaus Friesenbichler findet zwar, dass die Prämie ein gutes Instrument sei. Klar sei aber, dass durch die starken Vorzieheffekte später, voraussichtlich 2023, ein „Investitionsloch“ drohe.

Bisher 260.000 Anträge gestellt, 14.000 ausbezahlt

Eine konkrete Schätzung über die „Mitnahmeeffekte“, also den Anteil der Investitionen, die ohnehin stattgefunden hätten und für die nun dankbar die Prämie „mitgenommen“ werde, hatte der Budgetdienst des Parlaments im Herbst 2020 vorgelegt. Dieser kam auf 90 Prozent Mitnahme, also zehn Prozent echte neue Investitionen. Auf diese Schätzung verweist Marterbauer ebenso wie Oliver Picek, Chefökonom des Momentum-Instituts. Picek zitiert Studien, wonach pro Euro Prämie nur etwa ein Euro an neuen Investitionen ausgelöst wird – dann würden die fünf Mrd. Euro Investitionsprämie auch nur fünf Mrd. Euro zusätzlicher Investitionen auslösen. Bei der Beschäftigung geht Picek von bis zu 110.000 gesicherten Arbeitsplätzen, darunter 50.000 neue Jobs, aus.

Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn sieht ebenfalls die Investitionsprämie als ein positives Instrument. Auch wenn es Mitnahmeeffekte gebe, sei es besser, die Prämie auszuzahlen als darauf zu verzichten. Wie hoch der Mitnahmeeffekt sei, könne man anhand der vorliegenden Daten kaum abschätzen, er liege aber „wohl jenseits der 50 Prozent“. Vom Wirtschaftsministerium hieß es am Dienstag, dass bisher 258.600 Anträge gestellt worden seien. Davon wurden laut Ressort inzwischen 13.967 Anträge ausbezahlt, dafür flossen bisher 53,5 Millionen Euro Investitionsprämie an die Unternehmen.

SPÖ: Regierung braucht zu lange

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sieht die Ergebnisse der Regierungsklausur ambivalent. Einerseits begrüßt er Initiativen zur Senkung der Arbeitslosigkeit, andererseits fehlt es ihm an Konkretem. So vermisst er den vom ÖGB forcierten Fonds für pleitebedrohte Unternehmen sowie nationale Stiftungen für Pflege und Verkehr. „Alles, was dazu dient, Arbeitslosigkeit zu senken, ist im Prinzip gut“, so Katzian. Bei der Initiative für Langzeitarbeitslose könne er nur sagen: „Na endlich.“ Dass die Initiative jetzt anders heiße als jene von SPÖ und Gewerkschaft forcierte „Aktion 40.000“ sei ihm egal. Kritik übte er an den fehlenden Details.

Bildungsminister Martin Kocher
AP/Lisa Leutner
ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher kündigte am Dienstag ein Projekt für Langzeitarbeitslose an

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl drängt indes zur Eile, was die Langzeitarbeitslosen angeht. Denn die AK habe einen umsetzungsreifen Plan genau dafür entwickelt: „Der Herr Minister muss nur zugreifen.“ Ähnlich äußerte sich die SPÖ. „Schon vor Wochen hat die SPÖ mit der Aktion 40.000 eine Jobaktion für Langzeitarbeitslose gefordert. Wie immer braucht die Regierung Wochen, um in die Gänge zu kommen, um dann wieder nur was anzukündigen“, sagte Josef Muchitsch (SPÖ).

Laut Regierungsplänen sollen bis Ende kommenden Jahres 50.000 Langezeitarbeitslose über die Aktion „Sprungbrett“ wieder in Beschäftigung kommen. Das kündigte ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher am Dienstag an. Wie er ausführte, müssten erst die notwendigen Strukturen geschaffen werden. Es brauche einen Ansatz auf unterschiedlichen Ebenen. Vor allem größere Betriebe müssten eingebunden werden, ebenso Beratungs- und Betreuungseinrichtungen, die einen optimalen „Match“ zwischen Arbeitgebern und Arbeitssuchenden finden sollen.

FPÖ: „Recycling von alten Dingen“

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl übte scharfe Kritik an der Regierung und sprach mit Blick auf die Klausur von einer „Enttäuschung“. Das gelte sowohl für den gesundheitlichen wie auch den wirtschaftlichen Bereich. Der „Comebackplan“ sei das „Recycling von alten Dingen“, „daran ist überhaupt nichts neu“. Zur Digitalisierungsoffensive merkte Kickl an, er frage sich, was das einem Wirt, einem arbeitslosen Kellner oder einem Friseur, der sein Geschäft zusperren hat müssen, helfen soll.

Eher ernüchtert reagierte NEOS. Die Regierungsklausur habe leider wenig Neues und Konkretes an den Tag gebracht, das Österreich tatsächlich aus der Krise bringen könne, meinte Vizeklubchef Nikolaus Scherak. Stattdessen habe die Regierung ihr eigenes Regierungsprogramm gelobt und lasse sich auch beim Umsetzungsplan für den EU-Wiederaufbaufonds leider viel Bekanntes und längst Überfälliges aus dem eigenen Programm finanzieren.

Pressekonferenz nach der Regierungsklausur

Pressekonferenz mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher.

Die Aufstockung des Biodiversitätsfonds von fünf Millionen Euro in diesem Jahr auf künftig 50 Millionen wurde von WWF und Naturschutzbund Österreich mit Vorbehalten begrüßt. Greenpeace lobte nach der Regierungsklausur die Finanzierung „sinnvoller Projekte“ im „Comebackplan“, hob aber auch hervor, dass die bereits bekannte ökosoziale Steuerreform das einzige Novum sei. Mehrheitlich hielten die NGOs fest, dass diese zu späte komme.

Konkrete Eckpfeiler gelte es jetzt einzuschlagen, etwa einen Ökobonus für jeden Haushalt, mit CO2-Bepreisung finanziert: „Für eine wirksame Reform braucht es zudem eine Umschichtung von fünf bis sieben Milliarden Euro“, forderte Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000. Auch der VCÖ vermisste eine früher angesetzte Steuerreform und verwies auf eine aktuelle WIFO-Studie, wonach die CO2-Emissionen heuer und 2022 wieder steigen werden und im Verkehrssektor eine massive Zunahme über das Niveau des Jahres 2019 erfolgt.