Deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor dem Wirecard-U-Ausschuss
Reuters/Michael Kappeler
U-Ausschuss

Merkel verteidigt Einsatz für Wirecard

Mit der Befragung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem parlamentarischen U-Ausschuss zum Wirecard-Finanzskandal am Freitag geht in Deutschland eine U-Ausschuss-Woche mit hochrangigen Politikern als Zeugen zu Ende. Schon zuvor mussten SPD-Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Rede und Antwort stehen.

Von Merkel wollte die Opposition am Freitag vor allem Aufklärung zu ihrer China-Reise 2019 und Antwort auf die Frage, warum sie sich für das damalige DAX-Unternehmen Wirecard eingesetzt hatte, obwohl aufgrund von Medienberichten schon Unregelmäßigkeiten bekannt gewesen seien. Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und ein Bilanzloch von 1,9 Mrd. Euro eingeräumt. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Jahresabschlüsse seit mindestens 2015 gefälscht wurden.

Im U-Ausschuss verteidigte Merkel ihren Einsatz für Wirecard: „Es gab damals allen Presseberichten zum Trotz keinen Anlass, von schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard auszugehen.“ Zudem habe das Unternehmen bei der Reise keine Sonderbehandlung genossen. Das Bemühen von Wirecard um einen Markteintrit in China habe sich mit den Zielen der deutschen Regierung gedeckt.

Deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor dem Wirecard-U-Ausschuss
Reuters/Michael Kappeler
Merkel stand am Freitag im U-Ausschuss zum Wirecard-Skandal den Abgeordneten Rede und Antwort

„Amigo-Netzwerk von Lobbyisten und Beratern“

Es sei normal, dass sich die Regierung und auch die Kanzlerin bei bilateralen Kontakten für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetzten. „Es gab damals allen Presseberichten zum Trotz keinen Anlass, von schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard auszugehen“, sagte Merkel am Freitag. Die Kanzlerin hatte 2019 auf der China-Reise bei der Pekinger Führung das Thema der geplanten Übernahme des chinesischen Unternehmens AllScore Financial durch Wirecard angesprochen.

Der Grünen-Obmann im U-Ausschuss, Danyal Bayaz, sprach von einem „Amigo-Netzwerk von Lobbyisten und Beratern“ rund um Wirecard. Vor der China-Reise hatte Merkel ein Gespräch mit dem früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der als Lobbyist für Wirecard tätig war.

Er soll Merkel auf Wirecard und dessen Expansionspläne in China hingewiesen haben. Merkel meinte am Freitag, dass sie sich zwar nicht erinnern könne, dass Guttenberg Wirecard konkret erwähnt habe. Es sei aber richtig, dass sie ihn nach dem Gespräch an ihren Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller verwiesen habe.

Merkel stellt sich hinter Berater

Es gelte aber generell in allerletzter Konsequenz, dass „ich als Bundeskanzlerin“ Verantwortung trage, so Merkel. Sie stellte sich damit vor allem vor ihren Berater Röller. Dieser steht in der Kritik, weil seine Ehefrau als Schnittstelle zwischen Wirecard und einem chinesischen Unternehmen agiert haben soll. Sie habe nicht den geringsten Anlass, ihr Vertrauen in Röller infrage zu stellen, so Merkel.

Der Einsatz der Kanzlerin sei für das Skandalunternehmen Gold wert gewesen, meinen die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss – auch weil Wirecard damit Kritikern entgegentreten konnte. Unbeabsichtigt habe Merkel so zu einer Verlängerung des mutmaßlichen Bilanzbetrugs beigetragen.

Scholz und Wirtschaftsprüfer im Visier

Durch die Pleite entstand nach Rechnung der Union ein wirtschaftlicher Schaden von rund 22 Milliarden Euro – viele Kleinanleger verloren Geld. Der Fall Wirecard gilt als größter Bilanzskandal der deutschen Nachkriegszeit. Die Wirtschaftsprüfer gaben den Abschlüssen jedoch immer wieder uneingeschränkt ihren Stempel. Im Fokus des U-Ausschusses stehen daher auch die Prüfer von EY.

Entsprechend argumentierte auch der designierte SPD-Kanzlerkandidat Scholz bei seiner Befragung am Donnerstag. EY sei zu lange Glauben geschenkt worden. „Die Verantwortung für diesen hochkriminell angelegten Betrug trägt nicht die Bundesregierung.“ Es sei schnell gehandelt und die richtigen Konsequenzen gezogen worden. „All das habe ich zügig auf den Weg gebracht.“ Die Finanzaufsichtsbehörde BaFin werde neu aufgestellt. Außerdem sollten die Wirtschaftsprüfer enger an die Leine genommen werden. Ziel sei es, das Vertrauen wiederherzustellen.

U-Ausschuss parteipolitisch geprägt

Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl ist das Wirecard-Sondergremium zunehmend parteipolitisch geprägt, mit teils hitzigen Wortgefechten auch innerhalb der großen Koalition. „Die politische Verantwortung trägt Olaf Scholz“, sagte der CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer. Das zeige die interne Unruhe in seinem Ministerium. „Da brennt die Hütte.“

CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach warf Scholz vor der Befragung vor, dem Ausschuss lange wichtige Akten vorenthalten zu haben. Scholz müsse persönlich Verantwortung übernehmen. „Ich erwarte zumindest eine klare Entschuldigung.“ Zu erwarten sei aber die „Neu-Inszenierung des Stücks: nichts gesehen, nichts gehört, nichts gewusst“.