Covid-Patienten ine einem Spital in New Delhi
Reuters/Danish Siddiqui
Indien

Ruf nach landesweitem Lockdown

Das Coronavirus hat Indien weiter fest im Griff. Mit 3.689 Toten wurde am Sonntag die bisher höchste Zahl verzeichnet, zudem gab es fast 400.000 Neuinfektionen binnen eines Tages. Während aus dem Ausland laufend Hilfslieferungen eintreffen, mehren sich die Rufe nach einem landesweiten Lockdown.

Am Montag gab es mit 368.147 Neuinfektionen den zwölften Tag in Folge mehr als 300.000 neue Fälle binnen 24 Stunden. Indien steuert mit hohem Tempo auf die Schwelle von 20 Millionen Ansteckungen zu. Das ist der zweithöchste Wert nach den USA. Mehr als 215.000 Menschen sind in Indien mit oder an einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben.

Die Dunkelziffer – auch bei den Ansteckungen – dürfte laut Experten deutlich höher sein, da die Testraten niedrig sind und vor allem in ländlichen Gebieten die Menschen oftmals zu Hause sterben. Das Gesundheitssystem in dem Land mit über 1,3 Milliarden Einwohnern und Einwohnerinnen ist überfordert, Krankenhäuser und Krematorien sind überfüllt, es mangelt an medizinischem Sauerstoff, Medikamenten und Impfstoff.

Ein Mann erhält in Mumbai eine Impfung gegen Covid-19
Reuters/Francis Mascarenhas
Mittlerweile können in Indien alle Erwachsenen geimpft werden, allerdings fehlt es an Impfstoff

Die staatliche indische Bahngesellschaft gab am Sonntag bekannt, 4.000 Waggons als temporäre Stationen für Covid-19-Patienten mit 64.000 Betten bereitzustellen. Auch gebe es Forderungen nach einem landesweiten Lockdown, berichtete die Zeitung „Indian Express“. Bisher gilt das nur für einige besonders schwer betroffene Landesteile, etwa Neu-Delhi. Laut dem US-Gesundheitsexperten und Präsidentenberater Anthony Fauci könnte ein „sofortiger“ Lockdown für ein paar Wochen helfen, die Infektionszahlen deutlich zu senken.

Alle dürften geimpft werden, aber Impfstoff ist knapp

Seit Jänner wird in Indien geimpft, seit Samstag dürfen sich alle Menschen ab 18 Jahren gegen das Coronavirus impfen lassen. Mehrere Bundesstaaten berichteten aber, dass ihnen die Impfdosen ausgingen oder bereits ausgegangen seien. Bis Freitag hatten nur die über 45-Jährigen Anspruch auf eine Impfung. Rund zehn Prozent von ihnen erhielten den Angaben zufolge bisher mindestens eine Dosis.

HIlfsgüter werden auf dem Flughafen von Kalkutta ausgeladen
Reuters/Rupak De Chowdhuri
Aus dem Ausland trafen bereits einige Hilfslieferungen ein, vor allem Sauerstoff wird benötigt

In Indien kommen bisher die Impfstoffe von AstraZeneca sowie Pfizer und Biontech zur Anwendung. Zugelassen wurde auch der russische Impfstoff „Sputnik V“, von dem am Samstag 150.000 Dosen geliefert wurden. Als größter Produzent von Impfstoffen stoppte Indien auch kurzfristig den Export des AstraZeneca-Impfstoffs, um den lokalen Bedarf decken zu können. Zudem soll die Produktion deutlich hochgefahren werden, statt bisher 75 Mio. auf 100 Mio. Dosen pro Monat.

Scharfe Kritik an Wahlveranstaltungen

Premierminister Narendra Modi traf am Sonntag Regierungsbeamte und Experten, um über den beispiellosen Anstieg der Coronavirus-Fälle und den Bedarf an medizinischem Sauerstoff und Medikamenten zu beraten. Gleichzeitig startete hingegen in fünf Bundesstaaten die Auszählung der Stimmen von den jüngsten Wahlen. 175 Mio. Menschen waren zur Stimmabgabe aufgerufen.

Die Regierung Modi wurde hart dafür kritisiert, trotz der Pandemie im Rahmen der Wahlen Massenveranstaltungen zugelassen zu haben. Modi selbst soll in Kolkata vor rund 800.000 Menschen gesprochen haben. Im Bundesstaat Westbengalen versuchte seine hindu-nationalistische BJP-Partei, erstmals die Macht zu erlangen. Auch bei der Kumbh Mela, einer der größten religiösen Feiern der Welt, drängten sich zwischen Jänner und Mitte/Ende April geschätzte 25 Millionen Pilger, die meisten ohne Maske.

Hilfe aus dem Ausland eingetroffen

Mehrere Länder, darunter Deutschland, die USA, Großbritannien und Japan, haben Indien Unterstützung zugesagt und zum Teil auch bereits geliefert. Deutschland schickte am Wochenende Hunderte Beatmungsgeräte und Medikamente, aus Frankreich und Russland trafen Sauerstoffproduktionsanlagen und weitere Beatmungsgeräte ein.

Indien erhält Sauerstoff und Beatmungsgeräte

In Indien wütet CoV ohne Unterlass, und es fehlt an Beatmungsgeräten und Sauerstoff, außerdem an Impfstoff. Und jeden Tag kommen Hunderttausende Neuinfektionen dazu. Aber es treffen auch Hilfsgüter ein.

Auch Österreich beteiligt sich mit zwei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds an der Hilfe. Zugleich wurden die Einreisebestimmungen verschärft. Am Montag tritt in Österreich eine weitere Verschärfung in Kraft. Bei der Einreise aus Indien und dem späteren „Freitesten“ werden nur noch PCR-Testergebnisse akzeptiert, keine Schnelltests mehr.

Die USA stoppten Einreisende aus Indien, ausgenommen US-Bürger und Menschen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht. Australische Behörden gingen noch weiter: Eigene Staatsbürger, die aus Indien einreisen, müssen ab Montag mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren oder hohen Geldstrafen von bis zu 66.000 australischen Dollar (rund 42.000 Euro) rechnen. Derzeit warten etwa 9.000 Menschen in Indien auf ihre Heimreise nach Australien. Dank strikter Maßnahmen ist Australien bisher glimpflich durch die Pandemie gekommen.