Norbert Hofer und Herbert Kick
APA/Roland Schlager
Kickl ante Portas

Hofer-Rücktritt mit Folgen für alle Parteien

Mit dem Rückzug von Norbert Hofer von der Spitze der FPÖ wird der Kurs der Freiheitlichen wohl neu definiert. Neben Klubchef Herbert Kickl gibt es vermutlich nur einen möglichen Nachfolger: den oberösterreichischen FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner, für den wegen der Wahl in seinem Bundesland im Herbst der Rücktritt Hofers aber zur Unzeit kommt. Übernimmt Kickl tatsächlich, hat das auch Folgen für alle anderen Parteien – vor allem die ÖVP.

Tatsächlich spricht vieles dafür, dass Kickl auch Parteichef wird. Er würde damit nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten aus der Rolle des Chefstrategen in die allererste Reihe der Partei treten. An die Rolle dürfte er sich in den vergangenen Jahren schon gewöhnt haben. Auch als Innenminister unter Türkis-Blau stand er im Rampenlicht – sorgte damals allerdings auch gleich für viele Irritationen, nicht zuletzt beim Koalitionspartner.

Kickls einziger Konkurrent mit Chancen steht für einen anderen Kurs in der FPÖ: Haimbuchner vertritt eine rhetorisch gemäßigtere und verbindlichere Linie. Doch er tritt im September als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl an. Bekundet er jetzt Interesse an der Bundespolitik, wäre das wohl „Gift für seinen Wahlkampf“, sagte Politberater Thomas Hofer in der ZIB-Nacht. Es sei „ein Schlag“ für Haimbuchner, dass „Norbert Hofer so überfallsartig quasi das Weite sucht, denn aus Sicht von Haimbuchner war das eine Situation, mit der er schon hat leben können“.

Politologe Hofer über Hofers Rücktritt

Politologe Thomas Hofer spricht über den Rücktritt von Norbert Hofer als FPÖ-Chef: Welche Auswirkungen wird der Rückzug auf die Freiheitlichen haben, welche möglichen Nachfolger kommen infrage?

Haimbuchner will „Ende des Wiener Intrigenspiels“

Haimbuchner selbst schloss gegenüber Ö1 eine Kandidatur aus: „Ich bin diesem Bundesland treu, aber ich werde Wien nicht aus den Augen verlieren“, so Haimbuchner, der aus seinem Unmut über die Geschehnisse in der Bundespartei kein Geheimnis machte: „Wien ist nicht immer so wichtig. Da wäre es manchmal gescheiter, sich mit mehr Sachpolitik auseinanderzusetzen, dann hat man für andere Spielchen nicht so viel Zeit.“ Zudem erwarte er, „dass das Wiener Intrigenspiel ein Ende hat“. In der ZIB um 13.00 Uhr sagte Haimbuchner am Mittwoch, von ihm gebe es vorerst keine Unterstützung für Kickl.

Kickl hat wohl freie Bahn

Haimbuchner hat also nur eine Chance, wenn die Entscheidung auf die lange Bank geschoben wird – oder wenn in der Partei die Widerstände gegen Kickl zu groß sind. Dann könnte eventuell ein Kompromisskandidat – wahrscheinlich nur für kurze Zeit – das Ruder übernehmen. Genannt wurden in der Vergangenheit immer wieder der niederösterreichische FPÖ-Chef Udo Landbauer – sowie seine Kollegen Mario Kunasek (Steiermark) und Dominik Nepp aus Wien. Kunasek und Nepp sagten bereits ab. Nach einem solchen Szenario sieht es aber eher nicht aus. Der Weg für Kickl sei wohl frei, sagte Hofer im Morgenjournal.

Zwischen Verprellen und Mobilisieren

Mit Kickl wiederum dürfte ein deutlich schärferer FPÖ-Kurs Einzug halten. Was das für die Wahlchancen der Partei heißt, sind sich Expertinnen und Experten noch nicht sicher. Einen Teil potenzieller Wählerinnen und Wähler würde das wohl verschrecken, sagte Günter Ogris vom SORA-Institut im Ö1-Mittagsjournal. Umgekehrt könnte Kickl aber vor allem Enttäuschte mobilisieren.

Ähnlich sieht das Thomas Hofer: Kickl habe immer auf zwei Zielgruppen abgestellt, die Nichtwähler, „also diejenigen, die die FPÖ 2019 aufgrund von Ibiza, aber auch dieser internen Spesenaffäre ans Nichtwählerlager verloren hat“. Und dann gebe es „diese vielen, vielen – wirklich Zehntausende, fast Hunderttausende – Wählerinnen und Wähler, die 2017 und 2019 zur ÖVP gegangen sind“. Doch viele von ihnen würde Kickl durch seine sehr aggressive Wortwahl auch verprellen.

ÖVP kommt potenzieller Koalitionspartner abhanden

Das Fischen in einem teilweise gemeinsamen Wählerpool ist wohl ein Grund, wieso die ÖVP das Geschehen bei der FPÖ genau beobachten muss. Vielleicht noch schwerer wiegt ein anderer Aspekt: Mit Kickl an der Spitze der Freiheitlichen kommt der Kanzlerpartei wohl ein potenzieller Koalitionspartner abhanden, sind sich alle Beobachterinnen und Beobachter einig.

„Dass Kurz und Kickl noch einmal zusammenfinden, kann ausgeschlossen werden, solche Volten schlägt nicht einmal die österreichische Innenpolitik“, heißt es etwa in einem „Standard“-Kommentar. Und die „Krone“ schreibt: „Die Hofer-FPÖ galt mit einigen Einschränkungen (vor allem Kickl!) für die Türkisen nach wie vor als einigermaßen koalitionstauglich. Jetzt hat Sebastian Kurz diese Koalitionsalternative verloren.“

Analyse: Nachfolge von Norbert Hofer

Hans Bürger, Leiter des ORF-Innenpolitik-Ressorts, erklärt, ob Herbert Kickl als Nachfolger von Norbert Hofer denkbar wäre. Bürger gibt auch eine Einschätzung, ob bereits am Tag nach Hofers Rücktritt dessen Nachfolger verkündet werden könnte.

Mehr Freiheiten für die Grünen?

Im Frühjahr hatte es gar Gerüchte über einen fliegenden Wechsel der ÖVP zur FPÖ gegeben, auch das Neuwahlgespenst wurde für den Herbst mehrmals an die Wand gemalt. Letzteres ist nun noch unwahrscheinlicher, denn viele Optionen hätte die ÖVP nicht. Mit der SPÖ kann und will man nicht, das hieß es jedenfalls jetzt schon einige Jahre, seit Sebastian Kurz Parteichef ist, und mit NEOS allein müsste für beide Parteien ein sehr gutes Wahlergebnis herausschauen – wann auch immer gewählt wird.

Die ÖVP ist also ein wenig mehr an die Grünen gekettet. Das gibt wiederum der Partei von Vizekanzler Werner Kogler vielleicht ein paar zusätzliche Freiheiten innerhalb der Koalition. Ob man diese nützt, bleibt abzuwarten. Bisher waren die Grünen da – vorsichtig formuliert – sehr zurückhaltend.

Auswirkungen auf SPÖ und NEOS?

Politologe Peter Filzmaier sieht auch Folgen für die anderen Parteien: „Für SPÖ und NEOS wird es schwierig, andere punktuelle Allianzen in der Opposition zu bilden, denn ihren eigenen Wählern können sie noch irgendwie erklären: Wir arrangieren uns, um gemeinsam gegen die Regierung zu punkten, mit der FPÖ, aber mit der Kickl-FPÖ, das ist dann noch einmal schwieriger zu erklären.“

Filzmaier zum Machtkampf in der FPÖ

Zuletzt hatte es wochenlang Debatten über die Doppelspitze in der FPÖ gegeben. Jetzt hat Norbert Hofer eine Entscheidung getroffen. Politologe Peter Filzmaier analysiert die Hintergründe.

Ein Schulterschluss aller Parteien gegen die ÖVP, wie ihn Kickl zuletzt angeregt hatte – und wie er just auch in Israel versucht wurde, um Langzeitpremier Benjamin Netanjahu von der Regierung fernzuhalten –, war freilich bisher schon illusorisch. Mit Kickl an der Spitze der FPÖ ist so ein Modell noch weniger denkbar. Einen kleinen Vorteil könnte die SPÖ haben: Die immer wieder auftauchende Gretchen-Frage, wie man es mit der FPÖ hält, wäre mit einem Parteichef Kickl wohl leichter zu beantworten.