Christian Pilnacek
APA/Georg Hochmuth
Chats mit Brandstetter

Pilnacek entschuldigt sich

Der suspendierte Justizsektionschef Christian Pilnacek hat sich für seine Äußerungen über den VfGH sowie zwei Verfassungsrichterinnen in Chats mit dem nun zurückgetretenen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter entschuldigt. Das berichtete der „Kurier“ am Samstag. Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat sich Pilnacek „disqualifiziert“, wie er im Ö1-Interview sagte. Nicht festlegen wollte er sich in puncto Nominierung von Brandstetters Nachfolge.

Für Aufregung sorgten zuletzt unter anderem jene Nachrichten, in denen Pilnacek die Urteile zur Sterbehilfe und zum Kopftuchverbot kritisierte und über den Export des „VfGH nach Kuba“ sinnierte. An einer Stelle sprach er von einem „vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat“. Außerdem schrieb er, dass sich eine Höchstrichterin als „Müllfrau“ eigne. In Nachrichten an den steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) machte Pilnacek außerdem keinen Hehl daraus, dass er sich um Unterstützung für seine Frau bei der Präsidentenernennung am OLG Graz bemüht hatte – ohne Erfolg.

Seine Äußerungen seien „unverzeihbar, nicht zu rechtfertigen und völlig unangemessen“, erklärte Pilnacek in einer vom „Kurier“ veröffentlichten Mitteilung nun. „Jeder Versuch einer Erklärung muss angesichts der zu verurteilenden Wortwahl scheitern“, meinte er: „Ich kann mir das schon deshalb nicht erklären, weil diese abstoßenden Worte im völligen Widerspruch zu meiner Persönlichkeit, meinen Einstellungen und zu meiner bisherigen und langjährigen Arbeit im Dienst der Rechtspflege stehen.“ Er sei stets entschieden und offen gegen jede Art von Hass, des Rassismus oder des Sexismus aufgetreten.

„Es gibt nichts zu beschönigen“

Pilnacek bat all jene, „die ich damit verletzt und beleidigt habe“, nämlich den VfGH, dessen Vizepräsidentin Verena Madner (die er nicht beim Namen nannte) sowie Verfassungsrichterin Claudia Kahr um Verzeihung, aber auch seine Familie und Freunde.

„Es gibt nichts zu beschönigen, aber ich ersuche doch, mich mehr an meinen Taten und Leistungen als dieser Verfehlung im Rahmen einer privaten Kommunikation zu beurteilen. Dem Verfassungsgerichtshof und seinen Mitgliedern entbiete ich meinen allerhöchsten Respekt. Die Bedeutung dieser Institution für den demokratischen Rechtsstaat verträgt keine Geringschätzung“, so Pilnacek.

Pilnacek rügt Justizministerium

Gleichzeitig kritisierte er das Justizministerium. Der betreffende Inhalt einer privaten Kommunikation habe schon rein abstrakt nichts mit dem Untersuchungsgegenstand des „Ibiza“-Untersuchungsausschusses zu tun. Sein Antrag, private und andere Kommunikation von solcher zu trennen, die abstrakt mit dem Untersuchungsgegenstand in Verbindung stehe, sei vom Ministerium nicht einmal behandelt worden.

Entschuldigung und Kritik von Pilnacek

Der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek hat sich in einer im „Kurier“ veröffentlichten Erklärung für die Äußerungen in den Chats mit Verfassungsrichter Brandstetter entschuldigt. Gleichzeitig übt er aber auch Kritik am Justizministerium.

Dass die Veröffentlichung der Chats – entgegen ihrer Einstufung als „vertraulich“ – an dem Tag erfolgt sei, an dem seine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht über die Frage seiner Suspendierung stattfand, „darauf mögen sich insbesondere jene einen Reim machen, die sonst jede Beeinflussung der unabhängigen Gerichtsbarkeit ablehnen“. „Schließlich“, so Pilnacek, „sollte auch nicht untergehen, dass der Verdacht des Verrats des Termins einer Hausdurchsuchung im Juni 2019 Anlass für die Sicherstellung meiner elektronischen Geräte war; dieser Verdacht hat sich nach dem Inhalt der ausgewerteten Kommunikation in keiner Weise bestätigt“.

NEOS gab zuvor zu, dass man die vertraulichen Ausschussdokumente zu den Chats von Pilnacek an Medien weitergegeben habe – was von der ÖVP heftig kritisiert wurde. NEOS rechtfertigte, das sei im „Interesse der Republik notwendig gewesen, um die Integrität der Justiz und des Verfassungsgerichtshofes sicherzustellen“. NEOS drohen jedenfalls vorerst keine Konsequenzen. Strafbar wäre eine Veröffentlichung ab der Klassifizierungsstufe 3 („geheim“). Die betroffenen Akten sind in Stufe 2 („vertraulich“) eingeordnet – eine Sanktionsmöglichkeit wäre ein Ordnungsruf des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Brandstetter verteidigt sich

Brandstetter selbst distanzierte sich nach seinem Rücktritt, mit dem er einem klärenden Gespräch mit VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter zuvor kam, stärker von den Äußerungen Pilnaceks. „Ich finde solche Äußerungen, um einen Klassiker von Helmut Zilk zu zitieren, echt zum Kotzen“, meinte er Freitagabend in der ZIB2. „Sie können sicher sein, wenn ein Dritter dabei gewesen wäre bei so einem Gespräch, wenn so ein Gespräch gewesen wäre, hätte ich entsprechend reagiert“.

Verfassungsrichter Brandstetter im Interview

Der scheidende Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter spricht über die Chatnachrichten zwischen ihm und Ex-Sektionschef Christian Pilnacek und entschuldigt sich für rassistische Äußerungen in den Chats.

Die von Pilnacek geschriebenen Chatnachrichten über den Wunsch nach „Export des VfGH nach Kuba“ und die Beschimpfung einer Kollegin als „Müllfrau“ hatte Brandstetter sehr lapidar beantwortet („Heut bist echt giftig“). Brandstetter dazu: „Mir sind solche rassistischen und sexistischen Äußerungen wirklich fremd“, solche Gedanken seien abzulehnen, so Brandstetter, doch zähle hier wiederum der private Rahmen. Und: Alle für das laufende Verfahren gegen ihn und Pilnacek relevanten Chats seien „entlastend“, so Brandstetter („Tatverdacht hat sich entkräftet“).

Kogler über Pilnacek: „Disqualifiziert“

Für Kogler hat sich Pilnacek mit seinen „inakzeptablen“ Äußerungen zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) in den Chats disqualifiziert. Er erinnerte daran, dass seitens des Justizministeriums eine Nachtragsanzeige geprüft werde. Was darin vorgebracht werden soll, wollte man im Büro der Justizministerin Alma Zadic am Freitag allerdings nicht verraten. Zadic habe sich mit vollem Elan vor die Justiz gestellt, betonte er. Er betonte auch, dass die Grünen dafür sorgen würden, dass die „Justiz unabhängig – in diesem Fall die Staatsanwaltschaften – ermitteln kann“.

Pilnacek wurde bereits Ende Februar suspendiert, als bekanntwurde, dass gegen ihn wegen möglicher Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt wird. Darüber, ob Pilnacek dauerhaft suspendiert wird, entscheidet derzeit das Bundesverwaltungsgericht. Die im Beamtenministerium von Kogler angesiedelte Bundesdisziplinarkommission hatte Ende März entschieden, dass eine dauerhafte Suspendierung nicht rechtens sei. Das Justizministerium hatte wiederum dagegen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

ÖVP-Angriffe für Kogler „seltsame Verhaltensweise“

Pauschale Angriffe auf wichtige Institutionen des Rechtsstaats oder auch gegen U-Ausschüsse seitens seines Koalitionspartners ÖVP verurteilte Kogler überdies als „seltsame Verhaltensweise“. Das sei auch nicht von Erfolg gekrönt, und seine Prognose schon aus der Vergangenheit sei, „dass sich das die ÖVP wieder abgewöhnen wird“.

Der Beleg für ihn: „Es ist schon ein Unterschied, ob da ein Abgeordneter, wo wir nicht wissen, was die dem in den Tee gegeben haben, hier herumfuhrwerkt, oder ob das von der Parteispitze ausgeht“, sagte Kogler, ohne den wohl gemeinten ÖVP-Fraktionsvorsitzenden im „Ibiza“-U-Ausschuss, Andreas Hanger, beim Namen zu nennen.

VfGH-Nachfolge: Kogler will „breiter sondieren“

In Sachen Brandstetter-Nachfolge sagte er: „Ich glaube, wir sind grad in Zeiten, wo man sich ein bisschen zurückhalten muss, was alleinige politische Einflussnahmen betrifft, und vielleicht muss man ja auch breiter sondieren.“ Kogler wolle hier nicht spekulieren, all das werde Gegenstand von Beratungen sein. „Und man wird ja sehen, was es da für Möglichkeiten gibt“, so der Vizekanzler und Grünen-Chef. Den Rücktritt Brandstetters bezeichnete er als eine Frage von „Sinnhaftigkeit, um nur zu sagen Notwendigkeit“.

Formal muss Brandstetters Nachfolger oder Nachfolgerin von der Bundesregierung dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen werden. In der politischen Realität teilen sich Koalitionspartner das Vorschlagsrecht auf. Brandstetter kam unter Türkis-Blau auf ÖVP-Vorschlag in den VfGH.

Der Verfassungsgerichtshoff am 11. Dezember 2020
APA/Georg Hochmuth
Der VfGH wird mit Brandstetters Rückzug bald ein neues Mitglied bekommen

Somit saßen bisher VfGH-Präsident Grabenwarter und fünf andere Mitglieder auf ÖVP-Tickets, fünf auf SPÖ-Tickets, zwei wurden von der FPÖ vorgeschlagen und die Vizepräsidentin Verena Madner von den Grünen. Zeit haben ÖVP und Grüne genug: Für Nachbesetzungen gibt es keine Fristen – nur die eine, dass ab dem Zeitpunkt der Vakanz die Stelle binnen eines Monats ausgeschrieben werden muss. Die nächste reguläre Neubesetzung wäre erst im Jahr 2025 (wenn Verfassungsrichterin Claudia Kahr die Altersgrenze von 70 Jahren erreicht) angestanden, also nach der nächsten Wahl.

SPÖ kritisiert Grüne scharf

„Seit die Grünen in der Koalition mit den Türkisen sind, haben sie nicht viel weitergebracht, waren aber stets bereit, die türkisen Fehltritte zu verteidigen“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch am Samstag in einer Aussendung. „Nicht einmal dort, wo es um Anstand und Korruptionsbekämpfung geht, können die Grünen über ihren Koalitionsschatten springen, um die Justiz gegen Hanger, Wöginger und Co. zu verteidigen.“