Gästen beinem Sommerfest
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CoV

Delta-Variante und der heimische Sommer

Die Delta-Variante des Coronavirus (B.1.617) beunruhigt derzeit Fachleute und Politik. In England wurden Lockerungsschritte deshalb bereits verschoben. In Österreich ist diese Mutation mitten in einem „Paradigmenwechsel“ angekommen. Die nächsten geplanten Lockerungen und der Sommer sind aus derzeitiger Sicht nicht gefährdet – entscheidend laut Experten ist aber der Impffortschritt.

Der Simulationsexperte Niki Popper betonte gegenüber ORF.at, dass zumindest britischen Daten zufolge die Delta-Variante für Menschen, die bereits vollständig geimpft sind, nicht tragischer sei als vorangegangene Mutationen. Dank Impfung sei der Verlauf milder. Laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wurden in Österreich bis Dienstag 71 Fälle der Variante nachgewiesen.

Die Delta-Variante erreicht Österreich laut Popper mitten in einem „Paradigmenwechsel“. Die erste, zunächst in Großbritannien festgestellte Mutation Alpha (B.1.1.7) habe man im Frühjahr mit Testen und Maßnahmen „extrem verlangsamt“, auch wenn es sich in Ostösterreich letztlich nicht ganz ausgegangen sei und ein Lockdown verhängt werden musste. Derzeit gehe man aber in der Bekämpfung der Pandemie weg von Maßnahmen und Einschränkungen hin zu Prävention und Monitoring unter Beibehaltung eines Minimums an Maßnahmen, etwa Hygienemaßnahmen.

Vorsichtiger Optimismus

„Wenn wir da stark sind, geht es sich wahrscheinlich aus“, dass die Delta-Variante hierzulande nicht zum Problem wird, zeigte sich Popper vorsichtig optimistisch. Es werde nicht morgen oder übermorgen, aber wohl im August und September ein Thema sein.

Jede Prognose sei derzeit noch mit Unsicherheiten behaftet. Er verwies auf die erst jetzt anlaufende Reisesaison und den damit verbundenen vermehrten Import von Infektionen mit der Delta-Variante. Dazu gehe über den Sommer ferienbedingt das Screening der Schülerinnen und Schüler verloren, das sei ebenfalls schwierig.

Popper hat eigener Aussage zufolge vor allem eine Sorge, nämlich die seiner Ansicht nach mangelnde Impfwilligkeit in der Bevölkerung. Der Simulationsexperte warnte zudem die Politik davor, leichtsinnig zu werden und zu glauben, die Pandemie sei praktisch vorbei.

„Wird uns im Herbst beschäftigen“

Ganz ähnlich fällt die Einschätzung des Epidemiologen und Gesundheitsexperten Gerald Gartlehner aus: Auch wenn angesichts der geringen Verbreitung Prognosen noch etwas spekulativ seien, zeigt er sich überzeugt, dass Österreich wohl gut über den Sommer kommen werde. Die Delta-Variante werde aber ähnlich wie in Großbritannien auch hierzulande die Alpha-Variante verdrängen. Sie sei deutlich dominanter. Das bedeutet laut Gartlehner aber, dass die Mutation „uns im Herbst beschäftigen wird, vor allem jene Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen“.

„Bei Clustern rasch reagieren“

Auch Gartlehner unterstreicht daher, dass es vor allem wichtig sei, möglichst rasch möglichst viele Menschen zu impfen. Und man müsse im Falle des Auftretens von Clustern „rasch reagieren, auch wenn es in einer Tourismusregion sein sollte“. Dann müsste es umgehend Ausfahrtskontrollen geben und in dem betroffenen Gebiet strengere Maßnahmen zur Eindämmung verhängt werden.

„Glück“ mit Zeitpunkt

Laut Gartlehner habe man in Österreich das „Glück“, dass die Variante das Land erst mit Sommerbeginn erreicht hat. Der vielzitierte saisonale Effekt werde wohl helfen, die Auswirkungen zu dämpfen.

Bereits letzte Woche hatte der Immunologe Andreas Bergthaler gegenüber ORF.at gesagt, dass Österreich wohl ein, zwei Monate gegenüber Großbritannien hinterherhinke. „Das gibt uns ein Zeitfenster, um möglichst viele Menschen mit beiden Dosen zu impfen“, so der Wissenschaftler. Denn nur einmal Geimpfte haben laut britischen Studien einen deutlich geringeren Schutz. „Je mehr wir jetzt schaffen zu impfen, umso schwieriger wird es für diese und auch zukünftige infektiösere Varianten, sich hier durchzusetzen.“

Mückstein: „Wesentlicher Schritt“

Am Rande eines EU-Ratstreffens in Brüssel betonte auch der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, dass gegen die Delta-Variante die Durchimpfung eines möglichst großen Teils der Bevölkerung ein „wesentlicher Schritt“ sein werde. Auch Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte, die Kommission habe eine klare Botschaft: „Impfen, impfen und nochmals impfen.“

Offen ist derzeit noch, ob auch Österreich auf das „Mischen“ von Impfstoffen (also Erst- und Zweitimpfung mit jeweils unterschiedlichem Vakzin) setzen wird. Dazu fehlt noch eine Entscheidung des Impfgremiums, es ist aber wahrscheinlich – mehr dazu in science.ORF.at.